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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)


Mit thränenden Augen starrte Purtscheller in die wachsenden Flammen. Dann machte er eine Bewegung, als wären ihm die Kniee schwach geworden.

„Was haben S’ denn, Herr?“ fragte Zäzil.

„Völlig übel is mir von der Aufregung … geh’, Madl, sei so gut und mach’ mir ein’ schwarzen Kaffee!“

„Trinken S’ lieber ein guts Glasl Wein! Das macht Ihnen warm im Magen und richt’ Ihnen wieder ein bißl auf!“

„Ja, hast recht! … Bist ein guts Madl!“

Purtscheller ließ sich von Zäzil, die ihn barmherzig unter den Arm genommen hatte, kraftlos ins Haus und hinauf in die Wohnstube führen.

Und während Zäzil für den „armen Herrn“, welchem „so viel ungut“ war, eine Flasche Tiroler holte und das Glas füllte, arbeiteten drunten all die anderen mit dem Aufgebot ihrer ganzen Kraft, um des Feuers Herr zu werden.

(Fortsetzung folgt.)


Fritz Reuters Briefe an seine Braut.

Nach den Originalen im Nachlaß der Witwe.
Erläutert von Johannes Proelß.


Als Fritz Reuter in der schönen stillen Villa bei Eisenach, die er sich 1863 vom Ertrag seiner Werke am Fuße der Wartburg erbaut hatte, gemeinsam mit seiner geliebten Frau die schwer errungene Muße seines Lebensabends genoß, überraschte ihn eines Tages ein prächtiges Geschenk von der Hand ihm unbekannter Verehrerinnen. Es war ein besonders reich und kunstvoll gestickter Teppich mit Emblemen, die auf die Dichtkunst Bezug hatten. Bei aller Freude, die der Dichter über die liebenswürdige Gabe empfand, konnte sich sein Humor doch nicht versagen, in seinem Dankschreiben die kostbare Stickerei als „gar zu schön für ihn“ zu bezeichnen; „die Damen jedoch,“ fügte er hinzu, „sind vollständig entschuldigt, weil dieselben meine etwas derbe, plattdeutsche Person nicht kennen und sich in mir etwa einen amaranthnen Oskar von Redwitz oder einen veilchenblauen Novalis gedacht haben.“

Die „etwas derbe plattdeutsche Person“, die als des Dichters Abbild in den selbstbiographischen Romanen „Ut mine Festungstid“ und „Ut mine Stromtid“, vom heiteren Glanze seines Humors verklärt, unsterblich weiterlebt, hat denn auch wahrlich nicht das mindeste mit der Figur eines romantisch gestimmten modernen Minnesängers gemein! Und die Forscher, welche wie Adolf Wilbrandt Reuters thatsächlichem Lebensgang hingebend gefolgt sind und uns sein Charakterbild nach der Wirklichkeit gezeichnet haben, konnten uns nur bestätigen, wie sehr dies poetische Abbild dem persönlichen Wesen des Dichters entsprach. Tiefeingewurzelt in dem heimatlichen Boden des mecklenburgischen Plattlands, dessen Volkstum er uns ohne Schminke und Firnis in all seiner herben Frische und derben Fröhlichkeit geschildert hat, war und blieb allezeit auch sein Wesen. Und wie er seinen Inspektor Bräsig, seinen Karl Hawermann, wenn’s die Gelegenheit fordert, vor uns hintreten läßt mit den Spuren der Feldarbeit an den hohen Stulpstiefeln, gleichviel, ob’s Erntezeit oder Zeit fürs Mistfahren ist –, wie er seine mecklenburgischen Bauern, Küster und Stadtphilister daherreden läßt, wie ihnen der plattdeutsche Schnabel gewachsen ist, so war’s dem Stavenhagener Bürgermeisterssohn auch für seine Person ein Bedürfnis, sich in Reden und Thun als echtes mecklenburgisches Landkind zu geben und auch die Regungen des tieferen Gefühls gern hinter Scherz und Ironie zu verbergen.

Aber freilich, wie Reuters urkräftiger Humor die launige Darstellung menschlicher Beschränktheit und Thorheit stets mit dem freundlichen Sonnenlicht warmherziger Menschenliebe durchleuchtet hat, so hatte all sein Schauen und Schaffen ein gar liebreiches Herz zum Urquell. Die „Treuherzigkeit“, wie er sie aus sich heraus so vielen seiner komischen Gestalten verliehen, war die Grundeigenschaft seines echt naiven Gemütes, und wo er in seinen Werken die Liebe von Herz zu Herzen zu schildern unternahm, ob in ihrer ersten noch kindlichen Regung, wie in der Liening- und Miening-Idylle, oder im Ausbruch heftiger Leidenschaft, wie in „Kein Hüsung“, ob als festgegründetes Eheglück, wie an dem Gürlitzer Pastorspaar, da offenbarte er einen tiefen, keuschen Respekt vor der Heiligkeit ihres Waltens. Was er selbst als Liebender erlebte, hat er – so gern er sonst sein Erleben zum Vorbild seines Dichtens machte – zwar nirgends direkt erzählt, aber der Duft reinster Auffassung überhaucht die Kapitel, die in seinen Dichtungen von treuer Herzensneigung und ehrlicher Liebeswerbung handeln. Auch die scherzhafte Erzählung „Woans ich tau ’ne Fru kamm“ giebt kein direktes Bild von seiner eigenen Verlobung, aber im Preise der Ehe, wie sie, klingt auch die erste seiner größeren Dichtungen, die „Reis’ nach Belligen“, aus, in der es am Schluß heißt:

„Mit den uns’ Herrgott meint dat tru,
Den giwwt hei eine gaude Fru!“

So konnte denn auch das anziehende Bild von der Ehe des Dichters nicht überraschen, als nach seinem Tode Freunde von ihm sein häusliches Glück zum Gegenstand öffentlicher Schilderung machten. Dies geschah zum erstenmal und sogleich nach der besten Quelle durch den Romanschriftsteller Friedrich Friedrich, der sich, dem Beispiel des Reuterschen Ehepaars folgend, anfangs der siebziger Jahre in Eisenach angesiedelt und mit jenem seitdem in freundnachbarlichem Verkehr gestanden hatte. Sein Aufsatz „Fritz Reuters Louising“, der, durch eine Niederschrift von dieser selbst ergänzt, im Jahrgang 1874 der „Gartenlaube“ erschien, ist für alle späteren Biographen Reuters eine wichtige Quelle geworden. Er schrieb denselben, wie schon Frau Reuters Mitarbeit beweist, welche sich auf ihres Gatten litterarische Anfänge bezog, in Uebereinstimmung mit dieser, die in ihrer schlichten Art dabei gewiß nicht auf Anerkennung und Lob ihrer eigenen Verdienste ausging, dagegen überzeugt war, daß zur vollen Wertschätzung und richtigen Beurteilung gerade ihres Mannes diese Ergänzung nicht fehlen dürfe. Es gewährte da einen besonderen Reiz, zu erfahren, wie Reuter, der erst im 43. Lebensjahr, dem zweiten seiner Ehe, dazu kam, sein erstes Buch, die „Läuschen un Rimels“, herauszugeben, überhaupt erst in der Umfriedung seiner Ehe das Zutrauen zu seinem Talente gefunden hatte, um öffentlich als Dichter aufzutreten. Und als dann später dem Biographen Reuters, Adolf Wilbrandt, es durch das Vertrauen von Frau Luise Reuter gestattet war, den Schleier diskret zu lüften, der bis dahin die langwierigen inneren Kämpfe, die dem Ehebunde vorausgegangen waren, verhüllt hatte, da war dieser Einblick um so ergreifender, als man sich die Vorgeschichte des letzteren nicht idyllisch genug hatte ausmalen können. Wohl war diese Werbe- und Wartezeit von sechs Jahren den sozialen und lokalen Verhältnissen nach, unter denen sie sich abspann, idyllisch genug, idyllisch wie die von fruchtbarem Acker- und Wiesenland umrahmten Rittergüter, Landstädtchen und Landpfarreien, welche in „Ut mine Stromtid“ den Schauplatz bilden, und wie die benachbarten Güter Demzin und Rittermannshagen gelegen sind, auf denen der schon in den Dreißigen stehende Oekonomievolontär Fritz Reuter und die um zehn Jahre jüngere Pastorstochter Luise Kunze sich kennenlernten. Aber sie war überschattet von den tragischen Nachwirkungen, welche die lange Gefängnis- und Festungshaft, mit der er sein patriotisches Schwärmen als Burschenschafter zu büßen gehabt, über das ganze Leben dieses grundedlen Mannes, namentlich aber über das dieser schweren Leidenszeit folgende Jahrzehnt, gebracht hat.

Nun ist auch vor zwei Jahren Reuters Frau ins Jenseits hinübergeschlummert, sie, die seine Muse zwar nicht in dem Sinne war, daß sie selbst und die Liebe zu ihr den Gegenstand seiner Poesie gebildet hätten, aber doch insofern, daß sie die Retterin und Hüterin des goldnen Schatzes wurde, der in Fritz Reuter bis zu seiner Ehe so gut wie ungehoben schlummerte und den er erst unter dem Segen derselben umzumünzen lernte in die poetischen Gaben seines schöpferischen Humors.

Aus ihrem Nachlaß treten jetzt die Briefe, die er in jener Prüfungszeit an sein „Louising“ geschrieben, in der „Gartenlaube“ zum erstenmal, soweit sie vorliegen, vollständig ans Licht; in

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 587. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0587.jpg&oldid=- (Version vom 24.7.2023)