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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

„Wohin denn? Da drin kannst doch net bleiben.“

„Ich will nur ’s Tonerl nunter tragen. ’s Büberl schlaft und könnt’ aufwachen, wenn ein bißl laut g’redt wird … und da müßt’ ich eh wieder ’rein in d’ Stuben.“ Karlin’ trat in die Kammer und brachte auf ihren Armen den kleinen Burschen getragen, der sich nur halb aus dem Schlaf ermuntert hatte.

„Geh, gieb ihn ein bißl her!“ sagte Purtscheller.

Karlin’ zögerte. „Schau, er hat net ausg’schlafen, und da greint er leicht …“

„Ja soll ich denn gar nix von mei’m Buben haben! Seit in der Fruh hab’ ich ihn nimmer g’sehen! Her damit!“ Purtscheller nahm den Kleinen, kitzelte ihn neckend am Hälschen und unter den Armen, warf ihn in die Luft und fing ihn lachend wieder auf – ein Spiel, für das sich Tonerl mit ängstlichem Zetergeschrei bedankte. „Richtig! Da heult er schon wieder, kaum daß ich ihn angreif! … Karlin’ … mein Bub’ is das net! Das is der Deinig! Da hast ihn, den Schreihals! Trag’ ihn davon!“

Schweigend nahm Karlin’ das Kind auf ihre Arme, küßte ihm die nassen Augen, schmiegte das vor Schluchzen zuckende Köpfchen an ihre Brust und verließ die Stube.

„So!“ sagte Purtscheller und schob sich hinter den Tisch. „Fangen wir gleich an. In G’schäftssachen hab’ ich’s lange Rumreden net gern. Wer sein’ Sach’ versteht, macht kurze Wörtln. Also …“ Er steckte die Serviette vor die Brust und füllte seinen Teller mit Suppe. „Mögen S’ mitessen, Rufel?“

„Ich dank’ schön, Herr Purtscheller, ich eß nix!“

„Ah ja, richtig, Sie dürfen ja nur aus Ihre koscheren Haferln schlecken!“ Purtscheller lachte. „Hören S’, Rufel, so was sollt’ im neunzehnten Jahrhundert doch ein überwundener Standpunkt sein! … Aber ein Glaserl Wein?“

„Ich dank’ schön, Herr Purtscheller, ich trink’ nix!“

„So lassen Sie’s bleiben!“ Purtscheller leerte das Glas und begann zu essen. „Also … daß wir zum G’schäft kommen … ich will Ihnen was verdienen lassen.“

Rufel verbeugte sich, daß sein Kinn die auf dem Hakenstock ruhenden Hände berührte. „Soll mir e Vergnügen sein, wenn e Geschäft sich machen läßt.“

„Was der Berg da droben für Sachen aufführt, das werden S’ ja g’hört haben!“

„Hab’ ich gehört und gesehen! Daß Gott erbarm’! Die armen Leut’ da droben!“

„Ja! Ein Jammer! … Und mein schöner Wald schaut aus, daß mir ’s Herz bluten möcht’! Ein paar hundert Stämm’ hat’s mir schon g’worfen. Und wenn ich net im Frühjahr noch mehr verlieren will, muß ich den ganzen Wald im Winter abtreiben lassen. Ich selber hab’ kein’ Zeit für so was. Drum hab’ ich Ihnen kommen lassen und frag’: wissen S’ mir kein’ Holzhändler, der die ganze G’schicht’ bei Butz und Stingel übernimmt und ’s Geld gleich bar und blank auf ’n Tisch hinzahlt? Sechzigtausend Mark kann einer leicht geben für so ein’ Prachtwald! Die schlagt er ’raus ohne Müh und hat noch sein’ fetten Profit dabei! Also? Wissen S’ mir net so ein’ Kerl? Fünf Prozent kriegen S’ Provision!“

Rufel schwieg.

„No also! Reden S’!“

„E halbes Perzent bin ich gewöhnt bei en ehrlichen Vermittlungsgeschäft. Nu wollen Se mir geben fünfe. Hätt’ ich dreitausend Mark von der Sach’! Wär’ e schön’s Geld für den alten Rufel! … Nur schad! Die Sach’ wird sich nix machen lassen!“

Purtscheller schien nach diesem Einwand das höfliche „Sie“ für überflüssig zu halten. „Du alter Narr, Du! Ja warum denn net?“

„Alt bin ich,“ sagte Rufel in aller Ruhe, „aber nix e Narr, sondern e vernünftiger Mensch, der Augen im Kopf hat und weiß, was e Geschäft is!“

„No also, warum soll sich denn so ein G’schäft net machen lassen?“

„Weil sich nix e Holzhändler wird finden, der für e so en Wald sechzigtausend Mark giebt.“

„Ah, was Du net sagst!“ Lachend leerte Purtscheller das Glas und füllte es wieder. „Da bin ich neugierig! Also? Wie viel denn meinst, daß einer geben möcht’?“

„Für fünfzehntausend trau’ ich mir das Geschäft zu machen.“

Purtscheller wollte aufbrausen – aber da kam die Magd mit der Bratenschüssel. Und bei der Musterung des wohlduftenden Gerichtes verrauchte Purtschellers Aerger. Als die Magd wieder gegangen war, sagte er lachend: „Weißt, mein Lieber, da red’ ich gleich gar nimmer weiter! Wenn Du das G’schäft net machst, so macht’s ein anderer!“

„Gott soll Ihnen so en andern finden helfen!“

„Und net ein’ Knopf laß ich nach! Meine sechzigtausend Mark muß ich haben! Ich brauch’ s’!“

„Sechzigtausend brauchen Se?“ fragte Rufel halb lächelnd und halb erschrocken. „Hab’ ich doch geglaubt, Se brauchen nur achtundvierzig?“

Purtscheller wurde rot über das ganze Gesicht; doch er spielte den Verwunderten. „Wieso?“

„Nu! Weil Se doch müssen löschen an Neujahr die Hypothek vom Schloßbräu!“

„Ja Herrgott sakra …“ Purtscheller warf Gabel und Messer vor sich hin, daß von seinem Teller die Bratensauce über das Tischtuch spritzte. „Hat er sein’ Bubenstreich schon austrommelt in der ganzen Gegend? In Verruf möcht’ er mich vielleicht auch noch bringen … nach der Bosheit, die er mir an’than hat aus lauter Wut, weil mein Bräunl sein’ Schimmel g’schlagen hat!“

„Regen Se sich nix auf, Herr Purtscheller! Und reden Se, bitt’ ich, nix so laut! Ihre gute Frau da drunten und die Dienstleut’ brauchen nix zu hören, was für e Dischkurs wir haben. Und betrachten Se gefälligst, bitt’ ich, die Sach’ mit en ruhigen und offenen Aug’. Der Schloßbräu hat Ihnen die Hypothek nix gekündigt aus Bosheit … er hat Se gekündigt aus Angst, weil er sein Geld zu verlieren fürcht’.“

„Angst! Ah, da schau! Das wär’ mir ja noch das schöner’!“ Purtscheller schien sich wirklich nicht mehr aufzuregen. Er setzte Gabel, Messer und Zähne wieder in Bewegung und sagte mit aller Gemütsruhe: „Geh, thu’ mir den G’fallen, zieh’ Dein Schmierkappl aus ’m Sack und fahr’ ab! Wir zwei haben ausg’redt!“

Rufel lächelte und blieb sitzen. Nach einer stummen Weile sagte er mit seiner sanftesten Stimme: „Die Hypothek müssen Se löschen an Neujahr. Also müssen Se das Geld auftreiben. Und wenn Se von mir gefälligst anhören wollen e gutgemeintes Wörtl, so versprech’ ich Ihnen, daß ich das Geld beschaffen will.“

„Aaah! Pfeifst jetzt aus ein’ andern Klarinettl … weil D’ merkst, daß Deine Schreckschüss’ net verfangen bei mir? Also! Red’?!“

„Sie brauchen zum Löschen, die Kosten eingerechnet, fünfzigtausend Mark! … Warum also wollen Sie sechzig? Noch zehne auf den Hof laden?“

„Weil ich Verbesserungen einführen will in der Wirtschaft!“ sagte Purtscheller, wobei er die Gabel mit einer großen Armbewegung durch die Luft schwang. „Mein Hof könnt’ um d’Hälfte mehr tragen als die letzten Jahr’!“

„Da haben Se recht!“

„Der alte Schlendrian muß aufhören!“

„Da haben Se wieder recht! Freut mich, daß Sie das einsehen!“

„Wenn der Bauer net den Fortschritt mitmacht, is er g’liefert! Er muß sich halt auch ein bißl nach der neuen Zeit richten.“

Rufel sah den Großsprecher mit enttäuschten Augen an. „Ach so? … Hab’ gedacht, daß Sie das schöne Wörtl vom Schlendrian anders meinen … thut mir leid, daß ich mich verhört hab’.“ Er schnitt eine schmerzliche Grimasse. „Und lassen Se mich, bitt’ ich, mit der neuen Zeit in Ruh’! Wirtschaften Se lieber, wie Ihr Vater, Gott soll ihn selig haben, gewirtschaftet hat, und alles wird gut sein!“

„Mein Vater? So? Wer hat denn die Hypothek ’nauf’druckt auf ’n Hof?“

Kaum hatte Purtscheller das gesagt, als er zu merken schien, daß er mit diesem Wort an die falsche Adresse geraten war. Er brummte etwas vor sich hin und nahm ein Stück Braten aus der Schüssel; dann hob er verlegen die Augen – und was der stumme Blick des alten Mannes zu ihm redete, trieb ihm das Blut ins Gesicht.

„No ja …“ stotterte er und stieß den Teller von sich, als wäre ihm der Appetit vergangen. „Reden wir lieber vom G’schäft!“

„Gut! Reden wir vom Geschäft! Und lassen Se mich jetzt in Ruh’ e bißl sagen, wie ich es mein’ …“

„No also, in Gott’snamen, reden S’ halt!“ Purtscheller erhob sich, grub die Hände in die Hosentaschen, trat zu einem Fenster

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