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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Fachmann in der höheren Kochkunst bringen, in der Kinderstube und im Garten sogar zum Stellvertreter der Amme. Das ist für unsern Krieger freilich ein schwerer Dienst. Aber die anstellige Art, wie er dem Kleinen die Flasche reicht, aus der nun dieses mit durstigen Zügen die Milch trinkt, läßt darauf schließen, daß er in allem, was Trinken betrifft, seinen Mann stellt. E. M. 

Der Wettin-Obelisk in Dresden. Mitte Juni 1889 wurde in der Residenz des Königreichs Sachsen das achthundertjahrige Jubiläum des angestammten sächsischen Fürstenhauses Wettin in glanzvoller Weise begangen. Die Straßen Dresdens prangten damals im prächtigen Festschmuck, namentlich bildete der Schloßplatz mit den beiden Wettin-Obelisken, einem Werke der Architekten Schilling und Gräbner und des Bildhauers Johannes Schilling, des berühmten Schöpfers des Nationaldenkmals auf dem Niederwald, einen Glanzpunkt des Ausschmucks der Stadt. Da tauchte denn gar bald der Gedanke auf, diese monumental künstlerischen Schmuckbauten in dauerhaftem Material auszuführen und sie der Nachwelt als ein bleibendes Erinnerungszeichen jener denkwürdigen festlichen Tage zu erhalten. Der Rat und die Stadtverordneten waren sofort für diesen Gedanken gewonnen, und alsbald wurde der Beschluß gefaßt, einen Obelisken herzustellen und auf diesen den monumentalen Schmuck beider zu vereinigen. Nunmehr ist das Denkmal vollendet, und seit dem 23. April dieses Jahres – dem Geburtstage König Alberts – prangt dasselbe in seiner Schönheitsfülle und künstlerischen Wirkung als Zierde der Residenzstadt vor dem Prinzenpalais am Taschenberg, zwischen den Zwingerbauten und dem königlichen Residenzschlosse.

Der Obelisk, entworfen von den Architekten Schilling und Gräbner, nimmt eine Grundfläche von 4½ m im Geviert ein und ist nahezu 19 m hoch. Er besteht aus dem etwa 9 m hohen Postament und der sich verjüngenden Spitzsäule, die gegen 10 m mißt. An den Seiten des Postaments sind vier von den Bildhauern Grundig und König ausgeführte Waffengruppen angebracht, welche an verschiedene Epochen der sächsischen Geschichte erinnern. Die Rückseite weist außerdem in goldenen Lettern die Inschrift auf: „Errichtet von der Haupt- und Residenzstadt Dresden“, die Vorderseite: „Zur Erinnerung an die Jubelfeier 800jähriger Herrschaft des Fürstenhauses Wettin 1889“. Zwei sitzende weibliche Kolossalfiguren von mächtiger dekorativer Wirkung (von Professor Schilling modelliert) schmücken das Postament, wo es auf dem Granitsockel aufsteht: die „Gegenwart“ voll Jngendkraft und glückstrahlenden Lebens, gegen das Residenzschloß gewendet und dem König den im Kampfe errungenen Lorbeerkranz entgegenhaltend, und auf der anderen Seite die „Vergangenheit“, den Ruhm des Geschlechts im Buch der Geschichte verzeichnend. Oberhalb des Postaments, wo der Obelisk sich zu verjüngen beginnt, sind auf allen Seiten gewaltige goldene Lorbeerzweige angebracht. Der Körper des Obelisken ist in Kupfer getrieben und die Dekorationsstücke sind in Bronze gegossen. G. Irrgang. 

Der Wettin-Obelisk in Dresden.
Nach einer Aufnahme von Römmler & Jonas in Dresden.

Ritt zur Preisverteilung. (Zu dem Bilde S. 461.) Der Mühlenbauer war auf seine Pferde stets stolz und Recht hatte er schon dazu. Verwies ihn sein Bedarf auch nur auf die derberen Rassen, die Auswahl, die er traf, war stets die eines Kenners und Liebhabers. Es war eine Freude, die schmucken wohlgepflegten und feurigen Rosse anzusehen. Da kam der Tag, an dem in der Provinzialhauptstadt eine landwirtschaftliche Ausstellung stattfinden und auch eine Schau über Bauernpferde abgehalten werden sollte. Sind doch in unserer Zeit die landwirtschaftlichen Vereine wie die Regierungen gleich bemüht, die Zucht und Pflege der Pferde auf dem Lande in jeder Weise zu heben, und Ausstellungen mit Preisverteilung gehören zu den bewährtesten Mitteln dieser Bestrebungen. Die drei besten seiner stattlichen Gäule bringt nun der Mühlenbauer zur Preisbewerbung, und während er auf dem Rappen reitet, prüft er noch einmal die „Kondition“ seiner Lieblinge. Der Schimmel bewährt sich heute ausgezeichnet und wir teilen gern die Hoffnung des Besitzers, daß er den ersten Preis erhalten werde. *  

Die Erdpyramiden bei Bozen. (Zu dem Bilde S. 465.) Wenn wir eine geneigte Fläche sandigen oder kiesigen Bodens betrachten, während Regen auf dieselbe fällt, sehen wir, daß das über die Fläche herabrieselnde Regenwasser sich seine bestimmten Wege sucht. Es schwemmt die lockersten kleinsten Bestandteile der Fläche nach abwärts und verschont dagegen jene Punkte, wo größere Steine liegen. Durch öfter wiederkehrende Regen wird schließlich eine solche Kiesfläche mehr und mehr zerschlitzt und zerspalten: nur jene Erhöhungen bleiben zurück, die durch einen größeren Stein wie durch eine Art Haube oder Schild gedeckt sind. In solcher Weise kann sich eine ganze Kiesfläche im Laufe langer Zeiten in jene seltsamen Gebilde verwandeln, die man in der Geologie als Erdpfeiler oder Erdpyramiden bezeichnet. Es sind spitze Kegel aus Kies, neben- und übereinander aufragend, häufig auf ihrer Spitze noch jenen schützenden Stein tragend, dem sie ihre Entstehung verdankten. Ob sich aus einer Kies- oder Erdfläche solche Erdpfeiler bilden können, hängt von mancherlei Bedingungen ab: von der Festigkeit der Erdschichte, von ihrer Neigung, von dem größeren oder geringeren Schutze, den sie durch die auf ihr sich ansiedelnde Pflanzenwelt etwa genießt. Eine gewisse Mischung von thonigen oder lehmigen und sandigen Bodenbestandteilen scheint für diese seltsame Bodenbildung erforderlich zu sein. In Europa finden sich besonders charakteristische Erdpyramiden im südlichen Tirol: bei Bozen, auch unweit des Schlosses Tirol bei Meran. Man kann sie auch während der Fahrt über den Brenner zwischen Innsbruck und Matrei beobachten. Ungleich großartiger finden sich diese Felsgestalten im nordamerikanischen Gebiet von Colorado, am Rio Grande. Unser Bild zeigt jene Erdpyramiden, welche auf dem Wege von Bozen nach Klobenstein zu sehen sind; im Hintergrunde erheben sich die zerklüfteten Kalkschrofen des „Schlern“, noch weiter zurück der gewaltige Langkofel. M. H.     

Fröhliche Fahrt. (Zu unserer Kunstbeilage.) Wem so reines Glück aus den Augen strahlt wie den beiden da, die uns aus dem Friedrich Prölß’schen Bilde entgegen lachen, dem verläuft auch die langweiligste Eisenbahnfahrt in heller Fröhlichkeit. Wenn’s aber gar den ersten Besuch bei der Ahnl gilt, dem der Loisl mit seinem herzigen Schatz, der Lisei, entgegenfährt, und die gute alte Frau die drei Stunden von ihrem Dorf her bis zur Station nicht scheute, um die Ankommenden gleich hier zu begrüßen, da würzt die fröhliche Fahrt noch extra die gute Aussicht auf den herzlichen Empfang bei der Ankunft. Der Grubhoferin ist’s immer noch ein ungewohnt Ding, daß die Eisenbahn so hoch ins Gebirg sich verstiegen hat und fast vor der Zugspitz erst Halt macht. Als sie heute morgen sich in aller Frühe auf den Weg begab, sind ihr viel grausige Bilder von Unglücksfällen, die auf der Eisenbahn schon passiert sind, durch den Sinn gegangen. So schaut sie mit ängstlicher Sorge dem Enkel und seiner Braut entgegen. Endlich läuft der Zug ein und da, noch ehe er hält, beugen sich die Lisei und der Loisl zum Fenster heraus, um nach der Ahnl zu schauen. Potz Blitz, ist das eine Saubere, die sich der Prachtbub da ausgesucht hat! Stolz und Freude überstrahlt nun das alte runzlige Gesicht und ihr treues Herz ist aller Sorge ledig. Gelt, Alte? Den beiden hat die Fahrt hinter dem funkensprühenden Lokomotivungetüm nichts angethan. Und wie gut sie ausschauen und wie fröhlich sie ihr zuwinken! … Willkommen, willkommen! … Das ist ein Fest für die Grubhoferin, und im stillen lobt sie nun die Eisenbahn, die ihr gestatten wird, auch später noch oft den Besuch der lieben braven Kinder zu empfangen … Uns aber, die wir die Zwei, echte Herzensfreude im Blick, mit anschauen dürfen, uns ist’s, als sende uns durch sie die schöne Bergwelt einen Gruß zu, der uns selber einlädt zu fröhlicher Fahrt durch ihre Thäler! Und auch wir segnen im stillen die Eisenbahn, die uns gestattet, in nicht zu langer Zeit wieder einmal dort zwischen den Waldbergen und Firngipfeln Alpenluft zu atmen und uns an der dort waltenden Lebensfrische zu erquicken, welche dem herzigen Madl und dem lebfrischen Burschen auf unserm Bilde so lustig aus den Augen blinkt. J. P. 


manicula Hierzu die Kunstbeilage VIII: „Fröhliche Fahrt.“ Von F. Prölß.

Inhalt: Der laufende Berg. Ein Hochlandsroman von Ludwig Ganghofer (3. Fortsetzung). S. 449. – Schwerer Dienst. Bild. S. 449. – Die Perle der Antillen. Von Gustav Diercks. S. 455. Mit Abbildungen S. 452 und 453, 456, 457, 458 und 459. – Die Bekämpfung der Fettleibigkeit. Von Prof. Paul Fürbringer in Berlin. S. 460. – Auf dem Ritt zur Preisverteilung. Bild. S. 461. – Fredy. Novelle von Marie Bernhard. S. 464. – Die Erdpyramiden bei Bozen. Bild. S. 465. – Blätter und Blüten: Ein 3000jähriger Grenzstein. S. 467. – Schwerer Dienst. S. 467. (Zu dem Bilde S. 449.) – Der Wettin-Obelisk in Dresden. Von G. Irgang Mit Abbildung. S. 468. – Ritt zur Preisverteilung. S. 468. (Zu dem Bilde S. 461.) – Die Erdpyramiden bei Bozen. S. 468. (Zu dem Bilde S. 465.) – Fröhliche Fahrt. S. 468. (Zu unserer Kunstbeilage.)


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 468. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0468.jpg&oldid=- (Version vom 6.9.2023)