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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)


„Ich danke!“ Der Kleine machte, den Hut in der Hand, eine tiefe Verbeugung, rührte aber sein neues Spielzeug nicht an.

„Das ist ja ein reizendes Ding, das muß ich meinem Neffen auch schenken! Wo hast Du das gekauft?“ rief Bredwitz lebhaft.

„Hier in der Strandstraße, gleich rechts in solcher kleinen bunten Spielzeugbude!“

„Wollen doch mal sehen, ob ich sie zu behandeln verstehe!“

Mit einiger Umständlichkeit ließ sich „das dicke Lützelchen“ neben der Eidechse auf ein Knie nieder. „Zeig’ mir, Fredy, wie’s gemacht wird!“

Fredy hob seine dunkel umschatteten Augen und ließ sie ein Weilchen prüfend auf dem fremden Gesicht ruhen. Dann lächelte er ein wenig, faßte die Eidechse behutsam mit zwei Fingern und drückte geschickt an der Feder.

„Famos!“ rief Bredwitz beifällig und versuchte jetzt seinerseits mit Erfolg dasselbe Kunststück. „Siehst Du, das hast Du mir gut beigebracht. Mein kleiner Lutz wird sich freuen, wenn ich ihm dies gelehrige Vieh bringe. Ich hab’ ’nen Neffen nämlich, so alt wie Du, heißt auch Lutz, ebenso wie ich! Sprich mal nach: Onkel Lutz von Bredwitz!“

„Onkel Lutz von Bredwitz!“ sagte Fredy willig.

„Bravo! Vielleicht könnt Ihr beiden Jungens mal zusammen spielen. Was meinst Du, Fredy, soll ich ,Lutz den Kleinen’ mal vorläufig von Dir grüßen?“

„Bitte, ja – grüß ihn!“

„Na also adieu denn! Auf gute Freundschaft! Hand her, Kamerad! Siehst Du, wie schön Du die Rechte geben kannst! Was willst Du denn mit all den Pflanzen?“

„Die – die kommen in meinen Garten. Da sind gar keine Wiesenblumen drin, und dies sind welche!“

„Grüß’ Deine Mama von mir!“ sagte Trutzberg und sein Ton hatte etwas Gezwungenes. „Wenn das Wetter schön bleibt, treffen wir heute im Wald zusammen. Wirst Du das bestellen?“

Fredy nickte.

„Adieu, Elise!“

„Empfehle mich, Herr Baron. Fredy, mach’ Deine Verbeugung!“

„Edler, ein bequemer Stiefsohn wird das nicht für Dich!“ brach Bredwitz das Schweigen, als sie beide außer Gehörweite waren.

„Das soll Gott wissen! Glaubst Du mir’s jetzt, daß mich der Schlingel nicht leiden kann?“

„Beinahe sieht’s so aus! Ob er in Dir den künftigen Stiefvater wittert?“

Trutzberg hob die Schultern. „Zu Dir hat er sofort Zutrauen gefaßt!“ sagte er dann.

„Ja, sieh mal, ich bin auch kein Kinderfeind – eher das Gegenteil!“ entgegnete Lutz treuherzig. „Ich kann die kleinen Kreaturen alle zusammen gut leiden, und ich möchte glauben, so dumm wie sie noch sind, sie fühlen es doch heraus. Ich hab’ nun auch Uebung von meiner Schwester her – das Gesindel ist rein wie versessen auf mich, ich muß mit ihnen spielen und toben, daß mir manchmal ganz wirblig davon wird. Wenn ich mal heirate – na, damit hat’s noch gute Wege! – ohne Kinder wär’ das nichts – Stück fünf, sechs, käm’ mir gar nicht drauf an! Wenn Du diesen kleinen Kerl, den Fredy, gern haben könntest, Edler –“

„Wie soll ich das anfangen?“

„Scheint mir keineswegs so schwer. Bißchen scheu, bißchen Muttersöhnchen –“

„Eben!“ fiel ihm der andere ins Wort und faßte seinen blonden Schnurrbart. „Wenn mir eine Art am meisten zuwider ist, dann ist es die! Wär’ das noch wenigstens ein flotter, dreister Bengel, den man aufs Pferd nehmen und mit zehn Jahren ins Kadettenkorps stecken könnte, so ein Junge, der sich vor dem Teufel nicht fürchtet und auf zarte, Gefühle pfeift … dann könnte sich’s eher machen! Aber solch eine Treibhauspflanze, achtig Prozent mehr Mädel als Bube – empfindlich, wie aus Mondschein gewoben …“ Trutzberg stieß während des Gehens verächtlich mit seinem Fuß die kleinen, dürren Aeste fort, die hier und da im Wege lagen.

„Was ist denn der Vater gewesen?“

„Ach – Landmann, hatte aber nebenbei allerlei gelehrte Passionen, ein Erz-Stubenhocker, Nörgler, Grübler von Profession – und so wird der Junge werden. Keinen Schimmer einer militärischen Ader, ich glaube, er stürb’ die zweite Woche im Kadettenkorps vor Bangen und Heimweh!“

„Und die Mutter?“

„Ach!“ machte der Kürassier ungeduldig. „Die wäre soweit, ohne den Jungen, ganz liebenswert. Du wirst sie ja sehen.… Aber sie trennt sich nie von dem Kinde, nie, sag’ ich Dir! Du sollst die beiden beieinander sehen, ’s ist das sentimentalste, süßlichste Verhältnis, das man sich überhaupt vorstellen kann.“

„Ja, meinst Du denn, daß diese – na, nennen wir’s beim rechten Namen – daß diese Abneigung von dem Jungen Dir gegenüber bei der Mutter schwer ins Gewicht fällt?“

„Wenn ich das nicht dächte, würd’ es mir da wohl gerade einfallen, dem verzogenen Prinzen die Cour zu machen?“

„Seid Ihr oft zusammen?“

„Täglich! Und ich hätte die besten Chancen, wie ich Dir schon sagte – ach! lächerlich! Daß das für mich ein Hindernis sein soll!“

„Du wirst mir doch bald erlauben, ihre Bekanntschaft zu machen?“

„Gern! Gleich heute. Du kannst den Jungen übernehmen – ich übernehme die Mutter!“

„Na, schön also! Wann geht es los mit Deiner Waldpartie?“

„Halb fünf etwa! Nur ein kleiner intimer Kreis, Versammlungsort das Waldhaus!“

„Wenn ich Lutz den Jüngeren als Spielkameraden für Fredy mitbrächte … ?“

„Sollte mir lieb sein! Also auf Wiedersehen!“

„Wiedersehen, Edler!“

(Fortsetzung folgt.)



Blätter und Blüthen.


Ein 3000jähriger Grenzstein. Ein interessantes Beispiel dafür, wie gut die alten Orientalen es verstanden, ihren Urkunden und Verträgen, selbst wenn sie nichts weniger als Staatsangelegenheiten betrafen, eine fast ewige Dauer zu verleihen, bildet ein großer in Babylonien aufgefundener Grenzstein aus Basalt, der in einem der Pariser Museen, dem „Cabinet des Médailles“, aufbewahrt wird. Seine ausführliche Keilschrift giebt sowohl über das betreffende Grundstück als seine Besitzer und ihre Gebräuche bei Schenkungen und Besitzübertragungen allerlei Auskunft. Das Feld, dessen Lage und Größe auf dem Stein genau verzeichnet ist, bildete nämlich die Morgengabe eines alten Bürgers von Kar-Nabu am Tigris für seine Tochter und seinen Schwiegersohn. „Sirusur,“ heißt es in der entzifferten Inschrift, „Kilnamandus Sohn, schenkte es für alle zukünftigen Tage der Dur Sarginaiti, seiner Tochter, der Braut Tab-asap-Marduks, und dem Tab-asap-Marduk, Sohn des Ina-e-saggil-irbu, welcher dieses schrieb, um ununterbrochen die Erinnerung an diese Schenkung zu verewigen, und auf diesem Stein den Willen der großen Götter erwähnte.“ – Schwerlich hätte der Vater des glücklichen Bräutigams, der so eifrig darauf bedacht war, die vorgegangene Besitzverändernng schleunigst zur Kenntnis der ganzen Stadt zu bringen, wohl gedacht, daß sich die Gelehrten über seinen Stein noch die Köpfe zerbrechen würden, nachdem das alte Babylonische Reich schon seit 2500 Jahren zerfallen ist. Wie sehr man übrigens darauf dachte, durch religiöse Bedenken den Eigennutz anderer von seinem Eigentum fernzuhalten, lehrt die Fortsetzung der Inschrift. Es folgen Verwünschungen gegen jeden, der die Marksteine des Feldes verrückt, dasselbe für sich beansprucht oder irgend etwas an seinem Umfang verändert: „Möge Ninip,“ so lautet eine der offenbar von alters her üblichen Formeln, „der Sohn des Zenith, der Sohn Els des Erhabenen, seine Länder, Grundstücke und Grenzen wegnehmen! Möge Bin, der Wächter des Himmels und der Erde, der Sohn des Krieges, Anu, sein Feld überschwemmen!“ Bei einem Verkauf würde die Summe ebenfalls genau angegeben worden sein und die Inschrift auch noch den Schwur der Parteien, sich genau an den Vertrag zu halten, in sich geschlossen haben. Bw. 

Schwerer Dienst. (Zu dem Bilde auf S. 449.) „Wehrstand“ und „Nährstand“ sind auf unserem ergötzlichen Bilde in eine ganz neue und eigenartige Beziehung gebracht, und man wird zugestehen müssen, daß der so viel gescholtene „Militarismus“ dabei gar keine üble Rolle spielt. Wenn der Krieg unleugbar selbst gutgeartete Menschen rauher macht und ihr feineres Empfinden abstumpft durch die gräßlichen Vorgänge, die er notwendigerweise im Gefolge hat, so läßt sich das von dem friedlichen Waffendienste kaum sagen. Vielmehr erhält der oft plumpe und schwerfällige Bursche vom Lande durch die militärische Uebung und das Beispiel der älteren Kameraden feinere Manieren und einen gewissen „Schliff“, so daß man ihn bald kaum wiedererkennt. Wenn er nun gar mit dem Dienst als „Bursche“ betraut wird, so ist es meist ganz erstaunlich, welche Fülle von Gelegenheit er erhält, seine Geschicklichkeit durch die verschiedensten Dienstleistungen zu verfeinern. Was wird ihm da nicht alles zugetraut und anvertraut! In der Küche kann er es als gelegentlicher Vertreter der anderweit beschäftigten Köchin bis zum

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 467. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0467.jpg&oldid=- (Version vom 13.7.2023)