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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Klara Schumann †. Am 20. Mai ist in Frankfurt a. M. eine Künstlerin zur ewigen Ruhe entschlummert, die ein langes reiches Leben hindurch ihre hohe musikalische Begabung unentwegt als eine Priesterin im Tempeldienst der Kunst und Schönheit bethätigt hat. Klara Schumann, in ihrem zehnten Jahre ein vielgefeiertes Wunderkind, in ihrem zwanzigsten eine Meisterin des Klaviers, die Liszts rückhaltlose Bewunderung erregt, und die Braut Robert Schumanns, als dessen Gattin sie dann die verständnisinnigste und seelenvollste Darstellerin seiner Klavierwerke wird, gehört zu den hervorragendsten, edelsten und merkwürdigsten Erscheinungen, welche die Kunst dem deutschen Frauentum zu danken gehabt hat. In der Jugend die Anmut, im Alter die Würde fein empfindender Weiblichkeit auch äußerlich verkörpernd, hatte sie das in der Welt der Kunst seltene Glück, sich auch als Tochter, Gattin und Mutter gerade mit ihrer künstlerischen Wirksamkeit bewähren zu dürfen.

Der Musiker Friedrich Wieck, als dessen Tochter sie am 13. September 1819 in Leipzig zur Welt kam und der ihr im zarten Kindesalter bereits, in welchem andere Mädchen kaum lesen lernen, nach strenger Methode Klavierunterricht erteilte, erlebte in ihrer Pianistenlaufbahn den Triumph seines Strebens. Robert Schumann, mit dem sie sich, achtzehnjährig, verlobte und drei Jahre später – 1840 – nach Ueberwindung schwerer Hindernisse vermählte, gewann in ihr als Musiker nicht bloß die Künstlerin, deren Spiel seinem musikalischen Wesen am meisten gerecht ward: seine Liebe zu ihr und die Liebe, die sie ihm schenkte, weckten in ihm erst den Quell seiner musikalisch-lyrischen Begabung; die ergreifende Empfindungsglut, welche Schumanns unsterbliche Lieder durchströmt, entzündete sich erst an der Sonne dieses von Wolken vielumdrohten Liebesfrühlings. Im innigen Verkehr dieser Künstlerehe, im Wetteifer beider Naturen, sich durch den höchsten Einsatz ihres Könnens ihre Liebe auch als Künstler zu beweisen, erstarkte Robert Schumann erst zum Schöpfer seiner mächtigsten Werke, wie der Faustmusik, gelangte anderseits sie zu der tiefen, innigen Beseelung ihres technisch vollendeten Vortrags der Meisterwerke, welche Beethoven und die anderen Klassiker, welche vor allem ihr Mann und Chopin für ihr Instrument geschaffen. Aber über ihren Studien und Konzertreisen, die seinen Ruhm mit dem ihrigen immer enger verschmolzen, vernachlässigte sie die Pflichten nicht, die ihr aus dem Haushalt, die ihr als Mutter erwuchsen. Während die unheimliche Krankheit, die den genialen Mann schon 1856 dem Leben entriß, ihre Schatten über sein Gemüt breitete und überempfindlich machte für jede rauhe Berührung mit der Außenwelt, hielt sie ihm, erst in Leipzig und Dresden (1840–1850), dann in Düsseldorf, wohin er als städtischer Musikdirektor berufen ward, musterhaft Haus. Und als sie in späteren Jahren nach dem Tode ihres Mannes begann, ihrer Kunst auch als Lehrerin zu dienen, da war es ihr vergönnt, zwei ihrer Töchter so heranzubilden, daß sie ihr bei zunehmendem Alter beistehen konnten in der Ausübung ihres Amtes als erste Klavierlehrerin am Hochschen Konservatorium zu Frankfurt a. M, das sie 1878 übernahm und bis vor wenigen Jahren mit schönstem Erfolg verwaltete. In Frankfurt gab sie auch die Jugendbriefe ihres Gatten heraus und revidierte aufs pietätvollste die Gesammtausgabe seiner Werke. Zu größeren Konzertreisen entschloß sie sich immer schwieriger; doch konnte sich die große Frankfurter Gemeinde ihrer Verehrer noch alljährlich an ihrem wunderbar lauteren Klavierspiel erfreuen, bis schweres Leiden die einst von Grillparzer besungene feine weiße Hand lähmte, die in der Welt der Töne über sechzig Jahre lang die einer zaubergewaltigen Herrscherin gewesen war. J. P.     

Klara Schumann.
Nach einer Aufnahme von Hofphotograph
Professor E. Hanfstaengl in Frankfurt a. M.

Ringfahren in Schleswig-Holstein. (Zu dem Bilde S. 393.) Wenn in Schleswig-Holstein die Frühlingssaat bestellt ist, dann folgen für den Landmann ein paar Wochen, in denen die Arbeiten auf Feld und Hof weniger hart drängen als sonst. In dieser Zeit werden allerlei Versammlungen und Lustbarkeiten veranstaltet, im besondern das sogenannte Ringreiten, das am großartigsten noch alljährlich auf dem Kreisringreiterfest zu Sonderburg auf Alsen abgehalten wird. Dort kommen die wohlhabenden Bauernsöhne von der fruchtbaren Insel und aus dem ganzen Sundewitt zusammen, um zwei Tage lang im Wettspiel um zumeist recht wertvolle Preise zu kämpfen.

Einfacher geht’s in den schleswig-holsteinischen Dörfern her, wo sich heutzutage am Ringreiten weniger die Bauern und Bauernsöhne als vielmehr die Hofknechte beteiligen. Freilich, vergnügt ist man auch hier bei diesem alten Spiel! Von dem inmitten des Dorfplatzes errichteten, reich bekränzten Ehrenbogen hängt, locker eingeklemmt, der eiserne Ring herab; und nun gilt’s, denselben zu Pferd in vollem Galopp mittels einer Lanze von der Gestalt eines Billardqueues herabzustechen. Wer den Ring am häufigsten gewinnt, ist Sieger und hat, von meist bescheidenen Gewinnen abgesehen, abends den Vortritt beim Tanz als ruhmgekrönter König.

Den Tanz thatenlos abzuwarten, haben nun die Vertreterinnen des schönen Geschlechtes seit alters her nicht überall Lust und Neigung gehabt, und so ist’s gekommen, daß aus vielen Dörfern neben dem Ringreiten der Knechte ein Ringfahren der Mägde zum ständigen Brauch wurde. Die Zurüstung zu demselben ist ebenso einfach wie originell. Vom Hintergestell eines Ackerwagens wird das eine Rad entfernt und die Achse senkrecht in die Erde gegraben, so daß das zweite Rad über einen Meter hoch wagerecht über dem Erdboden liegt. Auf dieses Rad wird, nach beiden Seiten gleich weit über dasselbe hinausragend, eine starke Leiter gebunden, an jedem Ende derselben ein leichter Stuhlwagensitz befestigt und – das Karussell ist fertig. Wie auf unserem Bilde ersichtlich, werden am Rande desselben zwei laubgeschmückte Galgen errichtet, von denen je ein lose eingeklemmter eiserner Ring herabhängt. Zwei Mägde besteigen gleichzeitig die Fahrstühle; mit Vergnügen ist die Schuljugend bereit, die bewegende Kraft zu liefern, und unter Juchen und Kreischen beginnt die schwindelnde Rundfahrt, während welcher die Schönen bemüht sind, mit kurzen, dolchartigen Stäben die Ringe herabzustechen.

Dem ersten Paar folgt das zweite, das dritte etc., Siegerin ist diejenige, die am häufigsten den Ring traf. Die Königin wird geschmückt, mit einem Stück Zeug zu einem neuen Kleide beschenkt und hält mit dem König, dem Sieger in dem Ringstechen der Burschen, Einzug in den Saal des Dorfkrugs. Drei Tänze darf hier das Königspaar vor den Augen der gesamten Gesellschaft mit souveräner Bestimmung des Musikstückes tanzen; dann aber beginnt für den Rest des Abends ein lustiges Durcheinander, bis endlich der Gendarm erscheint und dem Ringreiterfeste durch Gebieten der Polizeistunde ein Ende macht. G. H.     

Ein Kochbuch für Magen- und Darmkranke. Die Krankheiten der Verdauungsorgane sind ungemein verbreitet und selbst, wenn sie nur in schwächeren Graden auftreten, sind sie geeignet, den Körper herunterzubringen und dem Kranken Arbeitslust und Lebensfreude zu benehmen. Darum ist auch eine gründliche, sichere Heilung erzielende Behandlung solcher Leiden seit jeher dringend erwünscht gewesen. Die medizinische Wissenschaft hat in dieser Hinsicht in der jüngsten Zeit große Fortschritte gemacht. Nachdem man die Vorgänge bei der Verdauung besser erkannt und neue Methoden für Magen- und Darmuntersuchung ersonnen hat, ist der Arzt imstande, Heilmittel mit größerer Sicherheit zu verordnen, vor allem aber die Diät der Kranken zweckmäßig zu regeln. Die Diät ist ja bei allen diesen Leiden die Grundlage aller Behandlung: unpassende Nahrungsmittel können die Krankheit verschlimmern, während eine zweckmäßige Ernährung vielfach schon allein genügt, um die Heilung herbeizuführen. So ist die Küche in der That für den Magenkranken oft wichtiger als die Apotheke. Darum ist bereits eine ganze Anzahl von Büchern und Büchlein erschienen, die den Zweck verfolgen, Belehrung über richtige Ernährung solcher Kranken zu verbreiten. Neuerdings ist ein wertvolles Werk dieser Art hinzugekommen: „Diätetik und Kochbuch für Magen- und Darmkranke“ von Professor Dr. Th. Biedert[WS 1] und Dr. E. Langermann (Stuttgart, Ferdinand Enke). Das Kochbuch ist ursprünglich zum eigenen Nutzen des erstgenannten Verfassers, der selbst magenleidend war, geschrieben worden. In erweiterter Form ist es im Druck erschienen und soll nun der Allgemeinheit dienen. Es klärt den Leser über die wichtigsten Magen- und Darmleiden auf, bespricht die Grundsätze der Diät und giebt schließlich eine große Anzahl von Kochrezepten an, die in verschiedenen Erkrankungsfällen zur Anwendung kommen können. Es ist dabei dafür gesorgt, daß in länger dauernden Krankheitsfällen eine Abwechslung in der Wahl der Speisen stattfinden kann. Außerdem aber besitzen diese Speisezettel einen besonderen Vorzug. Stets ist bei ihnen der Nährwert der Nahrungsmittel in Betracht gezogen. Der Kranke erhält somit in den empfohlenen Speisen die zur Erhaltung des Körpers nötige Menge von Nährstoffen, wobei aber alle etwa schädlichen Speisen und Zusätze vermieden werden. – Das Buch ist für Aerzte und Kranke geschrieben worden. Den letzteren kann es in der That große Vorteile bringen, namentlich, wenn Kranke oder deren Pfleger über die Wahl der entsprechenden Diätform mit dem Arzte, der den Kranken behandelt, sich einigen. *     

Ein Versuch mit der Kneipp-Kur. (Zu dem Bilde S. 401.) Unsere heutigen Leser verstehen dieses Bild ohne Erklärung: von Hamburg bis Melbourne ist die Kneipp-Kur ein wohlbekannter Begriff. Aber was werden sich die etwa im Jahr 1950 in alten Bänden der „Gartenlaube“ blätternden Leser von den beiden, mit nackten Füßen im Morgentau wandelnden Modedamen denken? Wird bis dahin noch eine Erinnerung bestehen an den bäuerischen Pfarrherrn, der den Civilisationssünden der oberen Zehntausend so energisch zu Leibe rückt und die verzärteltsten Großstadtmenschen mit kalten Güssen, Barfußlaufen und frugaler Bauernkost zur Mutter Natur zurückführt? Oder wird die Kneipp-Kur dann so verschollen sein wie heute die früheren Wunderkuren, auf die man vor sechzig Jahren schwor? Möglich ist’s wohl, deshalb bringen wir heute in der Blütezeit von Wörishofen das Bild dieser mit gruseligem Behagen über die nassen Wiesen schreitenden Dämchen: so haben im Jahr 1896 die Patientinnen des Pfarrers Kneipp wirklich und wahrhaftig ausgesehen! Bn.     


Inhalt: Der laufende Berg. Ein Hochlandsroman von Ludwig Ganghofer. S. 389. – Die Eröffnung der Internationalen Gartenbau-Ausstellung in Dresden am 2. Mai 1896. Bild. S. 389. – Das Ringfahren auf dem Lande in Schleswig-Holstein. Bild. S. 393. – Rätselhafte Blitzerscheinungen. Von M. Hagenau. S. 395. – Das Kaiser Wilhelm-Denkmal auf dem Kyffhäuser. Von Hermann Ferschke. S. 396. Mit Abbildungen S. 396 und 397. – Der Kyffhäuser mit dem Denkmal Kaiser Wilhelms I. und dem Barbarossaturm. Bild. S. 397. – Fata Morgana. Roman von E. Werner (Schluß). S. 398. – Ein Versuch mit der Kneipp-Kur. Bild. S. 401. – Dunkle Gebiete der Menschheitsgeschichte. Von Dr. P. Schellhas. Die Ruinen von Zimbabye. S. 404. Mit Abbildungen S. 405 und 406. – Blätter und Blüten: Die Internationale Gartenbau-Ausstellung in Dresden. S. 407. (Zu dem Bilde S. 389.) – Klara Schumann †. Mit Bildnis. S. 408. – Ringfahren in Schleswig-Holstein. S. 408. (Zu dem Bilde S 393.) – Ein Kochbuch für Magen- und Darmkranke. S. 408. – Ein Versuch mit der Kneipp-Kur. S. 408. (Zu dem Bilde S. 401.)


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.

Anmerkungen (Wikisource)

  1. Nicht „Th.“, sondern Ph(ilipp) Biedert ist der Mitautor des Werkes.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 408. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0408.jpg&oldid=- (Version vom 13.7.2023)