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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Vor den Augen des Mechanikers und der erschrockenen Arbeiter sprang der Ball zweimal von der Dynamomaschine auf die Leitung und wieder zurück; dann fiel er und platzte, teilte sich in viele Funken ohne einen Unfall zu bewirken. Während des Schlages flackerten die elektrischen Lampen, an dem Stromunterbrecher wurden die dicken Kupferplatten an einigen Stellen geschmolzen und geschweißt.

Höchst bemerkenswert ist das Erscheinen zahlreicher Kugelblitze während eines Wirbelsturmes, der am 18. August 1890 im Departement Ille et Vilaine in Frankreich niederging. Ein Bauer aus Vizy wurde auf dem Felde von dem Orkan überrascht und sah eine Feuerkugel, die mit rasender Schnelligkeit herabstieg. Vom Schreck ergriffen, warf er sich sofort zur Erde. Die leuchtende Kugel schlug auf den Boden, zersprang mit einem Krach und bedeckte den Mann mit Staub. Einwohner von Vers l’Eau und von Samiset haben kopfgroße, lebhaft rote Kugeln gesehen, die sich langsam auf einige Scheunen zu bewegten, das Heu in Brand steckten und dann verschwanden. In Saint-Claude drang eine große Anzahl von Feuerkugeln durch Schornsteine oder Ofenthüren in die Wohnungen ein. Dieselben bewegten sich hier langsam hin und her und gelangten durch Fenster, Thüren oder Mauern ins Freie, mehr oder weniger große Verwüstungen hinterlassend. Die Luft in den Wohnungen erschien gleichfalls mit Schwefel- oder Pulvergeruch durchsetzt.

Besonders günstig für die Beobachtung der Kugelblitze ist das Hochgebirge. Alluard, der Direktor des Observatoriums am Puy de Dôme, teilte mit, daß man dort nicht selten zur Zeit eines Gewitters Mengen kleiner Feuerkugeln auf den Rücken des Berges auffallen sehen, kann. Im Hochgebirge wurde auch am 28. Juni 1885 auf dem Säntis vom Pfarrer Studer eine der merkwürdigsten Blitzerscheinungen beobachtet. Vorausschicken müssen wir, daß auf dem 2504 m hohen Säntis im Jahre 1882 eine meteorologische Hochstation errichtet wurde, die mit dem Thale durch eine Telephonleitung verbunden war. Die Nacht hatte bereits begonnen, als Studer und seine Begleiter noch auf der Wanderung inmitten eines heftigen Gewitters begriffen waren. Auf einmal erblickten sie hoch auf einem Bergkamme, der sich links von der Säntisspitze gegen den Altmanngipfel hinzieht, aufflackernde Flämmchen, vermischt mit kleinen gelblichen Kugeln. Letztere liefen scheinbar an einem Draht, oder Seil dahin, näherten sich gegenseitig, explodierten und fielen nieder. Auf demselben Bergkamme schwebte eine einzelne feurige Kugel von der scheinbaren Größe einer Bombe, oder eines kleinen Mondes in flachem parabolischen Bogen hin und her, etwa mit der Geschwindigkeit eines geworfenen Balles, nur daß die Bewegung stets gleichmäßig war. Die Erscheinung dauerte einige Minuten. Da erfolgte auf einmal ein furchtbarer Krach, der den ganzen Berg in seinen Grundfesten zu erschüttern schien, und ein Feuerwerk „von noch nie gesehener Großartigkeit“ überraschte die Zuschauer; die ganze Telephonleitung des Säntis, soweit sie dem Auge erreichbar war, stand im hellsten Lichte. Dabei leuchtete nicht allein der Leitungsdraht, sondern es flatterten von ihm feurige Flammen zur Erde nieder, die so aussahen, als ob man auf den glühenden Draht feurige Wäschestücke aufgehangen hätte. Plötzlich aber fiel die gesamte „Blitzwäsche“ zu Boden, der Draht war geschmolzen und die Zuschauer starrten geblendet in die vollste Finsternis.

Ueber das Wesen dieser eigenartigen elektrischen Entladung ist man bis heute noch nicht im klaren. Es ist allerdings einigen Forschern wie Planté und F. v, Lepel gelungen, mit Hilfe besonders starker elektrischer Maschinen im Laboratorium kleine Feuerkügelchen zu erzeugen, die sich nach Art der Kugelblitze einige Zeit hin und her bewegten und dann verschwanden. Auf Grund dieser Wahrnehmungen stellte man die Behauptung auf, daß die Kugelblitze aus erhitzten Gasen der Luft und des Wassers bestehen sollen. Diese Erklärung ist jedoch keineswegs genügend, sie giebt uns durchaus nicht völligen Aufschluß über die sämtlichen bei Kugelblitzen beobachteten Erscheinungen. Darum müssen die Untersuchungen fortgesetzt werden. Wünschenswert ist es vor allem, daß ein zahlreicheres Material über die Kugelblitze gesammelt werde. Wer darum vom Zufall begünstigt einen Kugelblitz gesehen hat, sollte seine Wahrnehmungen aufzeichnen und einer unserer meteorologischen Zeitschriften, wie z. B. der Monatsschrift „Das Wetter“, die vom Prof. Dr. R. Aßmann in Berlin W., Schinkelplatz 6, herausgegeben wird, einreichen. Die Redaktion der „Gartenlaube“ ist gleichfalls bereit, derartige Mitteilungen entgegenzunehmen und für deren zweckmäßige Veröffentlichung Sorge zu tragen.



Das Kaiser Wilhelm-Denkmal auf dem Kyffhäuser.

(Mit dem nebenstehenden Bilde.)

Um viele deutsche Berge und Burgtrümmer webt die alte Sage und läßt Könige und Helden längst entschwundener Zeiten in ihrem Schoße schlafen. So wohnt Kaiser Karl der Große im Odenberg bei Fritzlar, so hausen Siegfried, Arminius und Ariovist im Bergschlosse Geroldseck und Wittekind in dem Berge bei Mehnen an der Weser. Und aus dem Rodenstein im Odenwald und aus dem Donnersberg in der Pfalz brechen von Zeit zu Zeit in dunkler Nacht Gespensterheere hervor und erfüllen die Luft mit Waffengeklirr und Schlachtenlärm. Keine jener Sagen hat aber so große Bedeutung erlangt, keine ist so tief in die Herzen der Deutschen gedrungen wie die Sage von Kaiser Friedrich im Kyffhäuser. Kein Wunder, denn sie diente nicht allein der Verherrlichung der Vergangenheit, verwob sich vielmehr mit einer hohen Verheißung für die Zukunft. Zerrissen, ohnmächtig war das Reich, als jene Sage entstand, aber das Volk glaubte an seine Wiedergeburt und erzählte sich, daß der alte Kaiser einst sein unterirdisches Schloß verlassen und des Reiches Herrlichkeit wieder herstellen werde. Kein Wunder, daß in Zeiten, als der Kampf um Deutschlands Unabhängigkeit und Einheit entbrannte, auch die Dichtkunst dieser Sage sich bemächtigte und das tönende Lied den Glauben an den endgültigen Sieg der gerechten Sache lebendig erhielt. Und siehe da, die alte Volkssage hat sich bewährt, die Prophezeiung hat sich erfüllt – es wurde vom deutschen Volke erstritten, was es so lange und so heiß ersehnt hatte, ein einiges Reich mit dem mächtigen Kaiser an der Spitze. Der „alte Barbarossa, der Kaiser Friederich“, braucht nicht mehr zu harren im Schoß des Kyffhäusers, aber dieser selbst gilt mehr denn je als ein nationales Heiligtum.

Der Kyffhäuser, der in mächtiger Höhe über der „goldenen Aue“ thront, von dessen Zinnen der Blick den waldreichen Harz und das grüne Thüringen umspannt, trug bis jetzt auf seinem Haupte, gleich einem verwelkten Lorbeerkranz, die Trümmer einer kaiserlichen Burg, die von dem Glanze des alten Reiches und von dessen Niedergang erzählten – die Neuzeit hat ihm eine neue herrliche Krone aufs Haupt gedrückt: ein Denkmal, wie es sinnreicher in deutschen Landen nicht errichtet werden konnte.

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 396. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0396.jpg&oldid=- (Version vom 13.7.2023)