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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

gewesen ist, wurde 1748 von Fürst Viktor Friedrich von Anhalt-Bernburg, der seine Residenz hierher verlegte, niedergerissen. Auf ihren Grundmauern sind Wohnräume und eine kleine Schloßkapelle aufgebaut, und an Stelle der alten Klosterräume traten im 17. und 18. Jahrhundert große schmucklose Gebäude mit Portalen im Zopfstil. Das Schloß war bis zum Aussterben der Linie Bernburg, 1863, Residenz derselben und wird nun wegen seiner herrlichen Lage am Abhange des Harzes und besonders der wundervollen Umgebung halber vom jetzt regierenden Herzog Friedrich von Anhalt im Frühjahr und Herbst bewohnt.

Wenden wir uns ostwärts von Ballenstedt dem Mittelpunkt des Landes zu, so tritt uns an den Ufern der Saale auf steil zu dieser abfallenden Anhöhe der imposante Bau des Bernburger Schlosses entgegen. Einen geradezu märchenhaften Eindruck macht dies Schloß auf den Beschauer vom gegenüberliegenden Ufer aus. Tritt man aus den dichten Laubwäldern an den Fluß heran ins Freie, so erhebt es sich wie hingezaubert schroff über den bewaldeten und mit Zinnen gekrönten Terrassen in stolzer Majestät mit seinen vielen Giebeln, Türmen und Erkern. Der alte Burgweg zog sich dicht an der Saale entlang in starker Befestigung bis zur Zugbrücke steil empor. Links von dieser ist der Bärenzwinger, in dem heute noch, an den Namen der „Bärenburg“ erinnernd und zum Wahrzeichen, eine Bärenfamilie erhalten wird. Ueber dem Eingang zur Burg erhebt sich der alte viereckige Thorturm, an den sich der älteste Teil der Burg, noch mit Resten einer romanischen Kapelle, anschließt. Nach der Saale zu tritt dann der 1894 niedergebrannte und in alter Form nun wieder aufgebaute Christiansbau hervor. Gegenüber zieht sich das „lange Gebäude“ mit den vielen Giebeln und Erkern hin. Nach der Stadtseite zu erhebt sich der dicke runde Bergfried, der früher frei im Hofe stand, jetzt aber mit dem Hauptteil durch einen Brettergang verbunden ist. Er heißt im Volksmunde der „Eulenspiegel“ und die Sage weiß zu berichten, daß der lustige Spaßmacher hier eine Zeit lang gehaust hat und Wächter und Turmbläser gewesen ist. Daher soll sich der Name von ihm auf den Turm selbst übertragen haben. Die Anlage dieses mächtigen Kolosses ragt wohl auch in das graue Mittelalter zurück und manche Erinnerung an prunkende Turniere und fröhliche Zechgelage, aber auch an manch harten Kampf und Strauß werden in ihm wach, wenn der Mond, der alte Zaubermeister, nachts heraufsteigt und über die vergangenen Zeiten mit ihm plaudert.

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Das Schloß in Bernburg.

 Der Bärenzwinger.

Vor allem der Dreißigjährige Krieg brachte hier gar buntbewegtes Leben zur Entfaltung, da bald Kaiserliche, bald Schweden auf der Burg hausten und die Stadt brandschatzten. Aber auch viel glückliche segensreiche Stunden hat die alte Uhr vom Turme verkündet, besonders zu den Zeiten der Reformation, wo Fürst Wolfgang, der Freund Luthers, mit bewundernswürdigem Freimut von hier aus der neuen Lehre den Weg bahnte. Er hat auch in dem westlichen Teil, den er erbaut und der nach ihm der Wolfgangsbau genannt wird, dem Reformationswerk ein bleibendes Denkmal gesetzt, indem er an der einen der Leuchten die Portraits der Reformationsfürsten und ihres Gegners, Kaiser Karls V., anbringen ließ und auf dem ersten der nach dem Burghof zu stehenden Erker die vier Tugenden der Reformation, fortitudo, fides, spes und caritas, also Tapferkeit, Treue, Hoffnung und Barmherzigkeit zur Darstellung brachte.[1]

Im ersten Stock dieses Gebäudes sind die Zimmer des Herzogs, und wenn man den Blick über die Felder und Wiesen, Wälder und Auen schweifen läßt, die sich in smaragdener Herrlichkeit tief unten ausbreiten, dann glaubt man es dem Chronisten gern, wie der Große Kurfürst, der hier öfter wohnte, sich „dermaßen hierin vergnüget befunden, daß er es vor einen der schönsten Prospecten gehalten, so er jemals angetroffen“. Nach der Stadtseite zu war die Burg einst auch mit tiefen Gräben umzogen, sie sind aber längst zugeworfen. Auf der großen freien Terrasse außerhalb vor dem „langen Gebäude“ ließ Fürst Viktor Amadeus, der durch große

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 349. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0349.jpg&oldid=- (Version vom 2.5.2021)
  1. Vergl. „Anhalts Bau- und Kunstdenkmäler“ vom Verfasser dieser Schilderung.