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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Anhalts Schlösser.

Von Professor Dr. Büttner Pfänner zu Thal.0 Mit Illustrationen von O. Günther-Naumburg.


Schloß zu Ballenstedt.

Den Garten Deutschlands hat man das wald- und wiesenreiche Anhaltland genannt, und in der That, von den Höhen des Harzes bis zu den schattigen Ufern der Elbe wechseln Feld und Wald so wohlthuend und verleihen der weiten großen Ebene einen so hohen landschaftlichen Reiz, daß wohl auf wenig Gegenden des deutschen Vaterlandes besser als auf diese die Worte des Dichters angewandt werden können:

Das Korn wächst dort in langen schönen Auen
Und wie ein Garten ist das Land zu schauen!

Ja, jede Stadt, jeder Marktflecken und fast jedes Dorf bietet so mannigfaltige Naturschönheiten, daß es sich lohnte, dort ein Schloß oder ein „fürstlich Lusthaus“ anzulegen, und nur daher kann man es sich erklären, daß die Zahl der im Herzogtum Anhalt sich erhebenden Burgen und Schlösser die Hundert weit übersteigt. Es ist nun aber auch gerade dieses Land seit altersher ein Mittelpunkt der Kultur gewesen, und schon die vielen Hünengräber bei Bernburg und Köthen sowie die zahlreichen Urnenfelder bei Dessau und Zerbst geben Zeugnis von der hohen Bedeutung desselben zur Zeit der Uranfänge deutscher Geschichte. Später, nach der Völkerwanderung, wurde es der Zankapfel zwischen Sachsen und Schwaben und der mit dem Schwerte der Karolinger eingeführte Glaube an den Erlöser faßte gerade hier festen Fuß, um unter dem Kreuzeszeichen eine weithin wirkende segensreiche Thätigkeit für Wissenschaft und Bildung zu entfalten. Schon im Jahre 806 war Bernburg und besonders das ihm an der Saale gegenüberliegende Waldau so bedeutend, daß Karl der Große dorthin eine große Fürstenversammlung – den ersten deutschen Reichstag – einberief, und ein Jahrhundert später blühten unter dem mächtigen Scepter des Markgrafen Gero und seiner Nachfolger, besonders in der Harzgegend, reiche Klöster wie Frose, Gernrode und Thankmarsfeld empor.

Mit dem Aussterben der alten Markgrafen der Ostmark im Jahre 1034 erscheint der Stammvater des Askanischen Fürstengeschlechtes, Graf Esico. Er war ein Verwandter des großen Gero und seine Herrschaft erstreckte sich vom Harz bis zur Mulde. Neben seiner Stammburg in Aschersleben, von der sein Geschlecht den Namen Ascanier führt, hielt er es für geboten, noch zwei andere feste Plätze, die Burgen Anhalt und Ballenstedt, im Harz zur Sicherung seiner Grafschaft anzulegen. Während er die letztere zu seinem Hauptsitz machte, galt ihm die tiefer im Harz auf einem steilen Bergkegel gelegene Burg Anhalt mehr als Festung, auf die er sich im Kriegsfalle zurückziehen konnte. Erst sein Neffe Otto der Reiche baute dieselbe weiter aus und verlegte seinen Wohnsitz hierher, nachdem er Ballenstedt in ein Benediktinerkloster verwandelt hatte.

Das Schloß in Dessau.

Nur wenige Zeugen sind hier noch aus jener Zeit vorhanden. In dem alten festen dreigiebeligen Turme befindet sich die Gruft des anhaltischen Fürsten Adelbert, der durch die meuchlerische Hand Eginos von Konradsburg auf der Jagd erschlagen wurde. Noch heute soll, wie die Volkssage berichtet, in des Jahres letzter Stunde der Mörder erscheinen, um am Grabe seines Opfers im Gebet Ruhe zu finden. Aber die Stunde der Erlösung ist noch nicht gekommen: alle Fenster und Thüren sind verschlossen und er muß unverrichteter Sache wieder abziehen. In demselben Turme ruht auch jener gewaltige Kriegsheld, der einst in der Mark Brandenburg den Grund legte zu jenem herrlichen Bau, den die Hohenzollern weiter geführt und mit der deutschen Kaiserkrone gekrönt haben. Es ist Albrecht der Bär, der hier mit seiner Gemahlin Sophie beigesetzt ist. Je ein großer Stein, in welchen Höhlungen für Körper und Kopf eingehauen sind, und der mit einer Steinplatte geschlossen ist, bildet den Sarg.

Außer dem großen Turm haben nur noch einige wenige Reste der Krypta sowie das alte Refektorium der Mönche dem Sturme der Zeiten getrotzt. Der Bauernkrieg bereitete wie allen Burgen und Klöstern im Harz so auch dem Ballenstedter ein jähes Ende, und die prächtige Kirche, welche, den Resten nach zu schließen, wohl der gewaltigste Bau der romanischen Zeit in dieser Gegend

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 348. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0348.jpg&oldid=- (Version vom 2.5.2021)