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Die Gartenlaube.

Beilage zu No 12. 1896.


Der Fahrraddienstmann. Der Verkehr steigt in unseren Großstädten; alles sucht er sich dienstbar zu machen; die alten Omnibuswagen werden von elektrischen und Gasbahnen überflügelt und auch der alte gute Dienstmann, der so prompt allerlei eilige und auch vertrauliche Aufträge besorgt, ist vielen nicht mehr fix genug. Doch eine Abhilfe ist leicht geschaffen. Warum soll er weiter zu Fuß als Eilbote der rastlos hastenden Menschheit dienen? Gebt ihm ein Dreirad und er wird durch das Gewühl der Straßen schnell dahinfliegen! Seit einiger Zeit ist dieser Gedanke in Berlin verwirklicht worden. Da radelt er in rotgestreiften Pumphosen, mit enganschließenden Gamaschen von Segeltuch auf dem rotlackierten Stahlroß emsig dahin – ein neuer Typus des Großstädtertums: der Fahrraddienstmann! Der neue Bote kann auch Pakete übermitteln, denn das Dreirad ist mit einer Plattform, die bis 75 kg Tragfähigkeit besitzt, versehen. Es werden zunächst gegen einhundert der Fahrraddienstmänner an den verkehrsreichsten Punkten Berlins aufgestellt, die jeden Augenblick bereit sind, einer mündlichen oder telephonischen Bestellung Folge zu leisten. Der Fahrraddienstmann hat gewiß eine Zukunft, denn an Schnelligkeit im Nachrichtendienst im Stadtbezirk übertrifft er selbst die Rohrpost und den Telegraphen.

Berliner Fahrraddienstmann.
Nach dem Leben gezeichnet von Ewald Thiel.

Das größte Kriegsschiff aller Flotten ist augenblicklich im Besitz Englands: es ist der vor nicht allzulanger Zeit vom Stapel gelassene Panzerkreuzer „Terrible“. Während Deutschland hauptsächlich durch die technischen Leistungen im Bau seiner Handelsflotte hervorragt – es besitzt zur Zeit sowohl das größte Segelschiff als den größten Passagierdampfer aller Meere – hat der Vorrang im Bau riesiger Kriegsschiffe mehrfach gewechselt. Bemerkenswert ist dabei, daß diese gigantischen Kampfmittel jetzt nicht mehr auf den reinen Panzertyp gebaut werden, sondern immer die Stärke eines Panzerschiffes mit der Schnelligkeit eines Kreuzers vereinigen sollen. Daher heute die vor fünf Jahren noch ziemlich ungebräuchliche Bezeichnung „Panzerkreuzer“ für die größten Kriegsschiffe fast aller Flotten! Seit 1892 war das größte Exemplar dieser Gattung der russische „Rjurik“, der bei der Eröffnung des Kaiser Wilhelmskanals im Kieler Hafen viel Aufsehen erregte. Die amerikanische „Columbia“, ein Panzerkreuzer von leichterer Bewaffnung, übertraf „Rjurik“ seit 1893 bedeutend an Schnelligkeit, wenn auch nicht an Größe, sie ist bis jetzt das schnellste große Schiff auf der Erde. Nunmehr hat der „Terrible“ der englischen Flotte den „Rjurik“ an Größe und Schnelligkeit gleich weit überholt, denn er ist mit seiner Länge von 164 m fast um ein Viertel länger, an Tonnengehalt um ebensoviel schwerer und überdies imstande, 22 Knoten (22 Seemeilen in der Stunde) zu laufen, während „Rjurik“ in der Stunde 18 macht. Seine ungeheuren Maschinen, die in einem Raum von 75 m Länge aufgestellt sind, entwickeln 25000 Pferdestärken, 10000 mehr etwa als diejenigen in den größten Schnelldampfern unserer Handelsmarine. Seine Kohlenräume sind so groß, daß sie ihn bei der ermäßigten Geschwindigkeit des gewöhnlichen Marschtempos wahrscheinlich zu einer Reise um die ganze Erde befähigen, ein Kunststück, welches zur Zeit nur noch zwei Panzerkreuzern der amerikanischen Flagge möglich ist. Aeußerlich zeichnet sich das Schiff, neben seiner Größe und gewaltigen Höhe, noch durch vier hintereinander liegende Schornsteine aus. Seine Bewaffnung und Bepanzerung ist stark genug, um das Treffen selbst mit den mächtigsten Schlachtschiffen anderer Flotten nicht zu scheuen, zumal es allen durch seine Manövrierfähigkeit überlegen sein dürfte.Bw.     

Musterblätter für Flachschnitzerei. Neben der allgemein beliebten Kerbschnitzerei beschäftigt auch die Ausgründungsarbeit oder Flachschnitzerei bereits viele Dilettanten. Das Muster hebt sich bei dieser Technik als flaches Relief von einem durch vertiefte Punkte einheitlich wirkenden Grund ab, es besteht entweder aus einfacheren geometrischen Figuren oder aus Ornamenten von reicherer Zeichnung. Zum Selbstunterricht in dieser hübschen, zur Verzierung aller möglichen Holzgegenstände geeigneten Kunst dient in sehr praktischer Weise das oben genannte Werk (München, Mey & Widmeyer); es führt in sehr rein und deutlich gezeichneten Blättern, vom Einfachsten ausgehend, eine große Zahl von Band- und Füllungsmustern vor bis zu sehr wirkungsvollen Stücken und erläutert in einem gut geschriebenen Text die besondere Technik klar und leicht faßlich. Zu Festgeschenken an junge Liebhaberkünstler eignet sich das hübsche und billige Werk ganz vortrefflich.

Reinigen der Vogelbadekästen. Die Badeküsten aus Glas an den Vogelbauern zeigen bald einen trüben Ueberzug innen, den weder Seife noch Soda löst, weil er meist aus dem kalkhaltigen Niederschlag des Wassers besteht. Wo Salzsäure zur Hand ist, dient sie am besten zur Reinigung; man lasse sie erst einige Zeit auf das getrübte Glas einwirken, nehme dann eine kleine Bürste und bürste das Badehaus gut aus. Es muß erst mit lauem, dann verschiedene Male mit kaltem Wasser nachgespült werden, so daß jede Spur der giftigen Salzsäure entfernt wird, da sonst die kleinen gefiederten Sänger beim Trinken noch etwas davon verspüren und danach erkranken könnten. Auch die Bürste, die man zum Reinigen benutzte, muß wiederholt mit kochendem Wasser ausgespült werden. Wenn Salzsäure nicht vorhanden ist, kann zur Not Essigsprit genommen werden, der in ähnlicher Weise den kalkhaltigen Niederschlag löst. Das Reinigen und Nachspülem bleibt dasselbe. L. H.     

Tragkörbchen. Aus an sich wertlosen Dingen zaubert eine geschickte Hand die hübschesten und praktischsten Sachen, denen man ihren einfachen ursprünglichen Zustand kaum ansieht. So gibt ein alter Spankorb, der schon lange unbenutzt auf der Bodenkammer gestanden haben mag, ein nicht nur hübsch ausschauendes, sondern auch ein sehr praktisches Tragkörbchen für fettige und feuchte Sachen, das man außen und innen durch feuchtes Auswischen leicht wieder reinigen kann. Für das Innere des Korbes nimmt man dünnes, hübsch gemustertes Wachstuch, von dem man Boden und Seitenwände des Körbchens genau schneidet, die darauf mit Tischlerleim fest angeleimt werden. Außen wird das Holz mit Lack getränkt und jedes Spanviereck sodann, wenn der Lack getrocknet ist, bemalt, indem man mit mehreren Farben auf den Feldern regelmäßig abwechselt und jedes Feld außerdem in bestimmter Richtung mit gelben, schwarzen oder braunen Strichen versieht, so daß die Außenwand des Körbchens wie ein schottischer Kleiderstoff aussieht. Auch der Henkel wird in entsprechender Weise mit Schrägvierecken bemalt. Als Abschluß des Inneren häkelt man eine schmale Banmwollspitze, bronziert sie und leimt sie dann ebenfalls fest. Das Körbchen ist apart und reizend. He.     


Hauswirtschaftliches.

Schinkenkartoffeln. Von Februar an büßen die Kartoffeln immer mehr von ihrem Wohlgeschmack ein, und die Hausfrau sinnt darauf, aus ihnen allerhand Gerichte herzustellen, die den schlechteren Geschmack verdecken, wobei Nahrhaftigkeit, Billigkeit und rasche Bereitung ausschlaggebend bei der Wahl solcher Speisen sind. Die folgenden „Schinkenkartoffeln“ vereinen alle drei Gesichtspunkte. Man kocht Kartoffeln in der Schale in reichlich Salzwasser. Bevor man sie abzieht, schneidet man 400 g rohen Schinken in ganz feine, kurze Streifen. Die abgezogenen Kartoffeln werden so heiß wie möglich in Scheiben geschnitten und gleich in Butter getan. Man brät sie gut durch, thut nun den Schinken dazu und mengt ihn unter beständigem Umrühren unter die Kartoffeln, bis der Schinken durch und durch heiß geworden ist. Drei Eier zerquirlt man mit etwas Liebigs Fleischextraktbrühe, schüttet sie über die Kartoffeln und rührt sie noch so lange, bis sich die Eier zu einem weichen Rührei gebunden haben, dann muß die einfache und doch sehr wohlschmeckende Speise sofort zu Tisch gegeben werden. L. H.     

Wer Schwarzwurzeln im Keller hat, wird entdecken, daß diese jetzt anfangen zu keimen, und sie schleunigst verbrauchen. Das ist aber nicht nötig; denn das ausgekeimte Kraut gibt ein sehr feines Gemüse, das man in Frankreich hochschätzt. Die Bereitung ist sehr einfach und verlangt nur in betreff des Kochens Aufmerksamkeit, damit die langstieligen zarten Blättchen nicht zerkochen. Man braucht sie meist nur einmal in Salzwasser aufwallen zu lassen, läßt sie dann abtropfen, hackt sie gröblich und dämpft sie in Butter mit einer Messerspitze Liebigs Fleischextrakt und einer Prise Pfeffer schnell durch. Man reicht das treffliche Gemüse mit Zungenscheibchen und gerösteten Kartoffeln. He.     

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 200a. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0200_a.jpg&oldid=- (Version vom 12.7.2023)