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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Flugblatt giebt die näheren Anhaltspunkte, sowie die Namen der Damen und Herren, welche die Gaben zur „Bismarckspende“ entgegennehmen. Möge dieselbe auch im Kreis unserer Leserinnen viele offene Hände finden! Denn nur durch thätige Frauenhilfe wird die Frauensache gefördert. R. A.     

Neujahrsmorgen vor Paris. (Zu dem Bilde auf S. 1.) Sie war recht kalt, die Sylvesternacht 1870/71 vor Paris, und wer von den Deutschen im Einschließungsheere sie nicht im Quartier, sondern auf Feldwache oder Vorposten verbrachte, dem wurden wehmütige Vergleiche zwischen sonst und jetzt recht nahe gelegt. Je mehr der Dezember zu Ende ging, desto stärker war die Kälte geworden, und bei den dafür sehr empfindlichen Franzosen versicherten die bekannten „ältesten Leute“, seit Menschengedenken keinen derartigen Frost erlebt zu haben – den hätten die „Barbaren des Nordens“ eigens mit aus ihrem Lande gebracht. „Es ist freilich auch arg genug,“ denkt der Posten, den wir im Hintergrunde unseres Bildes gewahren. Bei solch einer Hundekälte macht das Postenstehen doppelt wenig Vergnügen, zumal am Neujahrsmorgen! Es ist blutgetränkter Boden, auf dem er steht: die von der Marne umflossene Halbinsel Joinville mit den am 30. November und 2. Dezember so heiß umstrittenen Oertlichkeiten Champigny, Bry, Villiers, Coeuilly und Chennevières. An dem lodernden Fener im Vordergrunde sind drei Soldaten von jenen Truppenteilen vereinigt, die dort in treuer Waffenbrüderschaft den in gewaltiger Ueberzahl unternommenen Durchbruchsversuch Ducrots so ruhmvoll zurückwiesen. Ein sächsischer Schütz, ein Württemberger und ein Pommer vom II. Armeecorps sind dabei, sich ihren Morgenmokka zu kochen, jedoch mit Kaffee kann man das neue Jahr nicht begrüßen! Zum Glück enthalten die Feldflaschen noch einen ordentlichen Schluck; mit gutem Humor stoßen die Drei an und rufen einander zu: „Prosit Neujahr, Bruder, und auf treue Kameradschaft!“, während in der Ferne die Kanonen den „Salut“ dazu „böllern“. F. R.     

Der Einzug der Sieger. (Zu dem Bilde S. 4 und 5.) Das stimmungsvolle Bild von Franz Simm führt uns in die Napoleonische Zeit, in die Zeit der Befreiungskriege, wie uns schon die Toiletten der Damen beweisen. Wir befinden uns in einer deutschen Stadt, in welche heimkehrende siegreiche deutsche Truppen ihren Einzug halten. Jubelnd werden sie von der Bevölkerung begrüßt und alles stürzt auf die Straßen oder drängt sich an die Fenster. Da sehen wir hier die junge Mutter mit ihren Kindern, die liebreizende Schwester, die vom Nähtisch aufgesprungen ist, noch die Schere in der Hand, freudig den Einzug der deutschen Regimenter begrüßen. Der kleine Sohn kann sich nicht satt sehen an dem Glanz der Waffen und der ganzen soldatischen Herrlichkeit; er schiebt mit der Hand die Gardine zurück, die ihm einen Teil des schönen Schauspiels zu verhüllen droht. Ganz anders als dieser kleine Patriot, in dem sich bereits der künftige Soldat regt und zu welchem die neugierig schauende größere Schwester ein Pendant bildet, verhält sich das kleine Mädchen im Arm der Mutter; es hat zwar ein Schnupftuch in der Hand, das ihm wohl anvertraut worden ist zum Zwecke, den tapferen Kriegern zuzuwinken; aber sein Herz ist ganz wo anders, und soweit ist es noch nicht, daß ihm die blanken Knöpfe und Epauletten den üblichen tiefen Eindruck machen könnten; es blickt ins Zimmer zurück, als suche es bei der Schwester Anerkennung für die Geschicklichkeit, mit der es seine Siegesfahne schwingt. Diese Gruppe ist in helles Licht gerückt, im Dunkel aber weilt ein französischer Offizier, offenbar ein Verwundeter und Gefangener, wie sie damals bei der Ueberfüllung der Lazarette oft in Privatwohnungen untergebracht wurden. Er trägt den Arm in der Binde; mit Schmerz und stiller Ergebung hört er draußen den Siegesmarsch, blickt er auf den Freudenrausch der Hausgenossen – die Sonne von Austerlitz ist ja ihm und seinem Volke untergegangen. †      

„Ich gratuliere!“
Nach einem Gemälde von L. Max-Ehrler.

Angriff von Kormoranen auf Reihernester. (Zu dem Bilde S. 9.) Unter den verschiedenen Arten des Kampfes ums Dasein, der in der Vogelwelt tobt, kann als der hartnäckigste der Kampf um die Stand- und Brutquartiere gelten, der mit großer Regelmäßigkeit jahraus jahrein geführt wird. Der Naturfreund ist alljährlich der Zeuge vieler derartiger Tragödien, in denen glückliche Paare von Haus und Hof vertrieben werden! Zumeist handelt es sich dabei um Einzelkämpfe der Paare. Wo aber die Vögel in Gesellschaften nisten, wo ganze Ansiedlungen von Nestern einer und derselben Art einander nahe gerückt sind, dort werden die Kämpfe zu regelrechten Luftschlachten, in denen die eine Art die andere zu verdrängen sucht. Namentlich die Wasservögel pflegen in Gesellschaften zu nisten, und so bauen auch die Reiher, wo sie häufiger vorkommen, ihre Horste dicht aneinander, sei es in Rohrwaldungen, sei es auf Bruchweiden und anderen an Ufern der Gewässer stehenden Bäumen. An großen Flüssen haben solche Ansiedlungen oft die Ausdehnung von tausend und mehr Schritten und auf jedem Baume erblickt man eine ganze Anzahl von Horsten, die aus starkem Reisig gebaut sind. Hier an ihren Brutplätzen sind die Vögel nicht so scheu wie in ihren weiter entfernten Jagdbezirken; man kann dicht bis an die Bäume heranrudern und das Thun und Treiben in der Kolonie beobachten. Die Bilder, die wir da erblicken, sind nicht gerade schön; der Reiher ist ein an und für sich häßlicher Vogel und auch sein Charakter ist wenig anziehend – er ist schlau und heimtückisch, aber dabei feig. Das zeigt sich hier, wo er seine Brut groß zieht. Habichte, Elstern und Krähen schleichen heran und stehlen die Jungen aus den Nestern; es würde ein einziger Stoß des mächtigen Reiherschnabels genügen, um den Räubern das Handwerk zu legen; aber der Reiher benutzt diese furchtbare Waffe nur, wenn er sich in Verzweiflung oder der größten Lebensgefahr befindet, hier schreit er ein wenig, schlägt matt mit den Flügeln, nimmt eine drohende Haltung ein, läßt aber die Räuber gewähren. Es fehlt ihm an Mut, sein Nest mit Nachdruck zu verteidigen. Und so geschieht es, daß mitunter andere Vögel, die gleichfalls von der Fischbeute leben, an die Gewässer kommen und kurz entschlossen zum Sturm auf die neugebauten Reiherhorste fliegen. Das naturgetreue Bild von F. Specht zeigt uns einen derartigen Angriff der Kormorane oder Eisscharben, die öfters in großen Scharen von den Seeufern ins Binnenland kommen, um hier zu fischen und zu brüten. Der Lärm, der bei solchen Kämpfen entsteht, ist ein großer, aber Heldenthaten werden von den Reihern nicht verrichtet; ein Nest nach dem anderen wird geräumt und die Eindringlinge richten sich in den eroberten Horsten heimisch ein. *      

Vetter Emils Statue. (Zu unserer Kunstbeilage.) Eine hübsche mutwillige Cousine beim Ferienbesuch vorzufinden, ist ohne Zweifel für jeden Vetter sehr angenehm, aber gleich drei von dieser Sorte auf einem Fleck beisammen – das ist ein bißchen viel! Da muß man, um ehrenvoll aus dem Kampf hervorzugehen, ein Ausnahmsvetter sein, schön wie Paris und erfindungsreich wie Odysseus. Ob der hier hinterrücks durch ein Standbild Geehrte solchem Ideal entspricht? Wir wollen es ihm wünschen, aber sehr verdächtig macht sich immerhin das zufriedene Künstlerlächeln, womit die Hauptsünderin ihr Werk betrachtet und ihm die letzte Zierde beifügt, während die zweite sich abmüht, der tonnenförmigen Gestalt Arme anzusetzen, und die dritte jubelnd die kostbaren Attribute für dieselben aus dem Hause herbeischleppt. Armes Original! Wenn sein Gesamteindruck halbwegs getroffen ist, so wird er schwerlich die „Schneid“ haben, den drei Unholdinnen in gebührender Münze heimzuzahlen, aber sicher die Gemütsruhe, sich die Frühschoppenstimmung durch dieses schnöde am Weg zum Wirtshaus aufgerichtete Denkmal nicht verderben zu lassen. Bn.     


manicula 0Hierzu die Kunstbeilage „Vetter Emils Statue.“ Von E. Jentzsch.

Inhalt: Fata Morgana. Roman von E. Werner. S. 1. – Am Neujahrstage 1871 vor Paris. Bild. S. 1. – Der Einzug der Sieger. Bild. S. 4 und 5. – Wie bekämpft man die Abmagerung? Von Professor Dr. E. Heinrich Kisch. S. 7. – Das Opfer eines Kaisertraums. Von Felix Vogt. S. 8. Mit dem Bildnis der Kaiserin Charlotte von Mexiko auf S. 12. – Angriff von Kormoranen auf Reihernester. Bild. S. 9. – Vielliebchen. Novelle von Ernst Eckstein. S. 12. – Der längst Ersehnte. Bild. S. 13. – Havelschilf. Ein Bild märkischen Gewerbfleißes von Richard Nordhausen. S. 16. Mit Abbildungen S. 17, 18 und 19. – Blätter und Blüten: Wirtschaftliche Hochschulen für Mädchen. S. 19. – Neujahrsmorgen vor Paris. S. 20. (Zu dem Bilde S. 1.) – Der Einzug der Sieger. S. 20. (Zu dem Bilde S. 4 und 5.) – Angriff von Kormoranen auf Reihernester. S. 20. (Zu dem Bilde S. 9.) – Vetter Emils Statue. S. 20. (Zu unserer Kunstbeilage.) – „Ich gratuliere!“ Bild. S. 20.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von Julius Klinkhardt in Leipzig.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 20. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0020.jpg&oldid=- (Version vom 12.6.2023)