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verschiedene: Die Gartenlaube (1896)

Beginne wird empfohlen, nur Milch zur Ernährung zu verwenden, wobei die Vorsichtsmaßregel zu beachten ist, die Milch stets in sehr kleinen Portionen, schluckweise trinken zu lassen, weil sie nur solchermaßen sehr leicht verdaut wird. Man läßt also zunächst alle 2 bis 3 Stunden 90 bis 120 Kubikcentimeter Milch trinken und steigert diese Portionen binnen 3 bis 4 Tagen auf 2 bis 3 Liter in 24 Stunden. Nachdem diese Milchdiät durch mehrere Tage vorbereitend auf die Verdauungsorgane eingewirkt hat, kann man diesen eine höhere Leistung zumuten und läßt die gewöhnlichen Mahlzeiten, Frühstück, Mittag und Abendbrot, einhalten, dazu aber leicht verdauliche und nahrhafte Speisen in großer, allmählich steigender Menge nehmen. Es ist erstaunlich, an welch bedeutende Quantitäten sich der Magen gewöhnt und wie sehr der Organismus, besonders angeregt durch Massage, solche Fütterungskur verträgt, welche sich nach und nach nicht mehr auf die drei Mahlzeiten beschränkt, sondern jede zweite Stunde und noch öfter die Verdauungsthätigkeit in Anspruch nimmt. Den Gang einer solchen gesteigerten Nahrungszufuhr mag folgende Liste der Speisen veranschaulichen, welche dem betreffenden Individuum am elften Tage der Fütterungskur gereicht wurden. Sie lautet: Morgens um 7½ Uhr ½ Liter Milch, 2 Zwiebacke, um 8½ Uhr Kaffee mit Sahne, 80 Gramm Fleisch, Weißbrot, Butter, geröstete Kartoffeln, um 10 Uhr 1/4 Liter Milch, 3 Zwiebacke, um 12 Uhr mittags ½ Liter Milch; um 1 Uhr Suppe mit Ei, 200 Gramm Fleisch, Kartoffelbrei, Gemüse, 125 Gramm Pflaumenkompott, süße Mehlspeise, um 3½ Uhr nachmittags ½ Liter Milch, um 5½ Uhr 1/3 Liter Milch, 80 Gramm Fleisch, Weißbrot, Butter, um 9½ Uhr abends 1/3 Liter Milch, 2 Zwiebacke. Wenn sich dauernde Uebelkeit und Erbrechen einstellen, so muß die Kur auf einige Tage unterbrochen werden, während welcher Zeit dann wiederum nur Milch zur Nahrung gereicht wird. Es braucht wohl nicht erst betont zu werden, daß eine solche Mastdiät nur auf Verordnung eines Arztes und unter steter Kontrole desselben durchgeführt werden darf. Dann ist aber auch der Erfolg oft ein überraschender, nach einer Woche zeigt sich die Menge des Fettansatzes bereits durch Zunahme des Körpergewichtes um 2 bis 3 Kilo, dabei wird das Aussehen besser, die Gesichtsfarbe röter; eine Gewichtszunahme von 8 bis 10 Kilo nach einer vier- bis sechswöchigen Kur ist kein seltenes Ereignis.

Wer an Fett zunehmen will und einen guten Magen hat, wird eine leichte Mastkur in der Weise vornehmen können, daß er zu seiner reichlichen Kost vorzugsweise solche Speisen wählen wird, welche sich durch großen Gehalt an den oben erwähnten Fettbildnern auszeichnen. Unter den Fleischarten wird er den fettreichsten den ersten Rang einräumen: dem Schweinefleisch, Kalbfleisch, Hammelfleisch, dem Fleische der Ente und Gans, dem geräucherten Ochsenbraten, der geräucherten Gänsebrust, den fettreichen Würsten, fettem Schinken. Von Fischen wird er sich den Lachs, die fetthaltigen Bücklinge, Sprotten und Heringe gönnen, und auch dem Kaviar wird er einen Ehrenplatz an der Tafel zuweisen, einerseits wegen des Fettgehaltes, anderseits schon deshalb, weil dieses pikante Genußmittel den Appetit anregt und steigert. Brot, mit viel Butter oder Schmalz bestrichen, süße Mehlspeisen sind ausgezeichnete Förderer des Fettansatzes. Von Gemüsen sind Kartoffeln am reichsten an stickstofffreien fettbildenden Substanzen; anderen Gemüsen wird man, um sie „mästend“ zu gestalten, recht viel Butter, Schmalz oder Oel zusetzen. Als Dessert werden sich für solchen Kandidaten eines Fettbäuchleins süßes Obst, Trauben, Mandeln, Nüsse, Datteln empfehlen und auch der Käse, namentlich der Rahmkäse, darf nicht vergessen werden. Von Getränken sind zum Zwecke der Fettanbildung fette Bouillon, nicht abgerahmte Milch, Chokolade, Kakao zu empfehlen, desgleichen schwere süße Ungarweine, Champagner, malzreiche Biere, Liqueure. Nach der Erfahrung ist reichliches Trinken, und wenn es auch nur gewöhnliches Wasser oder Sodawasser ist, ein die Fettbildung förderndes Moment und wird darum mageren Personen anzuraten sein.

Günstige Erfolge hat man bei Abmagerung auch von dem methodischen Gebrauche des Kumys und Kefir, welche in jüngster Zeit vielfach empfohlen werden, gesehen. Das erstere Getränk, auch Weinmilch genannt, wird von asiatischen Steppenvölkern aus Stutenmilch durch alkoholische Gärung bereitet und gilt besonders bei Baschkiren und Kirgisen als beliebtes Volksmittel gegen Lungenschwindsucht und andere „zehrende“ Krankheiten. Der Gebrauch dieses Getränkes, welches in der That durch seinen bedeutenden Gehalt an Fett, Milchzucker und Alkohol eine rasche Zunahme der Fettbildung beim Menschen bewirkt, hat sich in unseren Gegenden, trotz mehrfacher Versuche, wegen des hohen Preises nicht einzubürgern vermocht. Besser ist dies bei dem Kefir der Fall, einem ursprünglich von Tataren des kaukasischen Gebirges hergestellten Getränk, welches gleichfalls wie der Kumys ein Gärungsprodukt der Milch ist. Dasselbe läßt sich sehr leicht aus Kuhmilch durch Zusatz der jetzt in vielen Apotheken erhältlichen Kefirkörner herstellen. Diese Körner bestehen aus Hefezellen und einem stäbchenförmigen Mikroorganismus (Bacillus), welche die alkoholische Gärung der Kuhmilch bewerkstelligen. Dieses sehr angenehm erfrischende, säuerlich schmeckende, wie Champagner schäumende Getränk bewährt sich, mehreremal des Tages ein Glas (1/4 Liter) voll getrunken, in der That als ein Feind der Magerkeit und begünstigt in rascher Weise eine größere Fettablagerung im Körper. Ein Gleiches läßt sich, vorausgesetzt, daß die Verdauungsorgane sich in gutem Zustand befinden, von dem Gebrauche des Leberthrans, jenes Fettes, das bekanntlich aus der Leber des Kabliaufisches gewonnen wird, rühmen, welches, durch längere Zeit genossen, die Zunahme des Körpergewichtes in wesentlichem Maßstabe vermehrt und vor allen anderen Fetten den großen Vorteil besitzt, im Darme überaus rasch aufgesaugt, ferner in größeren Einzelgaben und durch einen längeren Zeitraum (wochenlang mehrmals täglich selbst 15 bis 30 Gramm) vertragen zu werden. Der Leberthran ist neben Milch das beste Mittel, um Kindern, welche nach dem zehnten Lebensjahre bis zur Entwicklungszeit mager und schwächlich bleiben, einen fettbildenden Zusatz zu der aus Fleisch- und Mehlspeisen bestehenden Kost zu gewähren. Kinder im Säuglingsalter, welche an der Brust oder durch Ersatzmittel der Frauenmilch nicht gedeihen und nicht in normaler Weise an Gewicht zunehmen, darf man nicht ohne weiteres durch Fettbildner wie Mehlbreie, süße Grütze etc, recht dick und rund aufzupäppeln versuchen, sondern in diesen Fällen ist der Rat des Arztes einzuholen, welcher die Ernährungsweise sorgfältig den Umständen entsprechend zu regeln hat. Dasselbe gilt auch in allen Fällen bei Erwachsenen, wenn das Körpergewicht in rascher Weise unter die Norm heruntergegangen, die Abmagerung eine plötzlich entstandene oder sehr bedeutende ist; denn bis zu einem gewissen Grade gehört die Fettaufspeicherung zum Normalbestande unseres Organismus und muß Magerkeit als krankhafter Zustand betrachtet werden.




Das Opfer eines Kaisertraums.

Von Felix Vogt.
(Mit dem Bildnis der Kaiserin Charlotte von Mexiko.)

Seit langem vergeht kein Jahr, ohne daß aus der Einsamkeit des belgischen Schlosses Bouchoute irgendeine kurze Kunde in die Oeffentlichkeit dringt, die über das Befinden der unglücklichen Fürstin berichtet, welche dort in geistiger Umnachtung lebt. Vor dreißig Jahren ist die einst vielbewunderte Kaiserin Charlotte von Mexiko dem furchtbaren Verhängnis verfallen, das sie aus einer stolzen Kaiserin zu einer armen Irrsinnigen machte, und noch immer ist sie nicht von ihren Leiden erlöst. Viel ist in dieser Zeit über den Ausbruch desselben und seinen Charakter gefabelt worden, denn dunkel wie das Schicksal selbst blieben auch vielfach die Pfade, auf denen die Katastrophe herannahte. Heute breitet eine neue, an bisher unbekannten, wichtigen Einzelheiten reiche Publikation mehr Licht auf den tragischen Vorgang.

Prinzessin Charlotte von Belgien, eine Tochter jenes glücklichen Hauses von Sachsen-Koburg, das gegenwärtig seine Abkömmlinge auf den Thronen Englands, Belgiens, Portugals und Bulgariens sieht, hatte von väterlicher und mütterlicher Seite gewissermaßen revolutionäres Blut in den Adern. Ihr Vater hatte sich zum König der Belgier wählen lassen, nachdem sich dieses Volk gewaltsam von Holland losgerissen, und ihre Mutter war

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verschiedene: Die Gartenlaube (1896). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1896, Seite 8. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1896)_0008.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)