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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894)

meisten auffällt, ist die peinliche Untersuchung aller aus den Stollen tretenden Grubenarbeiter, doch ist das Vorgehen leider nicht zu vermeiden, da das Verstecken gediegenen Goldes oder goldreichen Gesteins häufig genug vorkommt. Der ganze Höhenzug des Kirnik ist von den zahllosen Stollen der Goldgräber durchlöchert und durchwühlt und gleicht mit seinen Schutthalden und den dort hantierenden Menschen einem ungeheuern Ameisenhaufen. Am anziehendsten ist der Besuch jener Partie des Kirnik, welcher „Csetaye“ („Burg“) heißt. Hier stoßen wir auf zahlreiche Spuren der Römer, die einst mit staunenerregender Ausdauer an jenem Orte das goldhaltige Gestein abbauten. Durch einen wundervollen ovalen Stollen, den sie mit ihren unvollkommenen Werkzeugen durch den harten porphyrartigen Fels getrieben haben, gelangen wir in das Innere des Berges, das dem Krater eines ausgebrannten Vulkans ähnlich ist. Staunend verfolgt das Auge die labyrinthartig die Felsmassen durchbohrenden Gänge; in einem von ihnen wurden vor einem Menschenalter allerlei Werkzeuge und etliche der unter dem Namen „Triptychen“ in der Gelehrtenwelt bekannten hölzernen, mit Wachs überzogenen Schreibtafeln gefunden, die über das Leben jener Tage so wertvolle Aufklärungen geben. Alles lag unberührt da, wie es vor anderthalbtausend Jahren bei der Flucht der Römer aus Siebenbürgen von irgend einem römischen Grubenaufseher hingelegt worden sein mochte. Sehenswert sind auch die bei dem Hause des Romulus Gritta am unteren Ende von Verespatak aufgestellten römischen Grabsteine und sonstige Fundstücke aus der Römerzeit, die uns verläßliche Kunde vom alten Alburnus major, wie die hiesige Römersiedlung hieß, vermitteln. –

Sind wir nicht ermüdet, so können wir noch den südöstlich von Verespatak gelegenen „Donnersbergen“ („Detunata“) unsern Besuch abstatten und von dort durch das Dorf Bučsum, dessen Bewohner meist Goldgräber sind, nach Abrudbánya zurückkehren. Die Donnersberge sind zwei gewaltige Basaltkuppen, von denen besonders die nördlicher gelegene auf den Beschauer einen unauslöschlichen Eindruck macht. Ihr kahler, aus gewaltigen Basaltsäulen gebildeter Gipfel steigt über den dunkeln Tannenwald empor und sieht einer ungeheuern Riesenorgel nicht unähnlich.

Von Abrudbánya aus können wir auch noch andere lohnende Ausflüge unternehmen, so in das Bergwerk von Vulkoj, das im sechzehnten Jahrhundert die Fugger von Augsburg ausbeuteten, oder, nach Faczebánya, wo das seltene Schrifterz (Tellur) gefunden wird, oder aber nach Topánfalva, um uns einen Einblick in die an Naturschönheiten aller Art reichen Thäler des Aranyos zu verschaffen.

Dort, im Hauptsitz der kernrumänischen Motzen, liegt Unter-Vidra mit seinem malerischen Wasserfall, dort die Eishöhle vom Skerischora mit ihren Wundern, und weiter unten am Aranyos Offenbánya, das ehemalige deutsche Ofenberg, dessen Gruben einst so ergiebig waren, daß ein dortiger Einlöser der Sage nach auf Goldplatten zur Kirche schritt! Und haben wir uns an all dem Schönen und Fesselnden erfreut, das Natur und Menschenleben hier auf Schritt und Tritt offenbaren, und wollen nun den Rückweg antreten, so wählen wir hierzu die Straße, die uns südwestlich über Brád nach Déva führt. Da kommen wir zunächst an dem „Vulkan“ vorüber, einem massiven Bergklotz, dessen kahlen, abgestumpften Gipfel wir auf allen unseren Wanderungen erblicken konnten. Obgleich nicht einmal 1300 Meter hoch, gewährt er doch mit seinen steilansteigenden Kalkwänden einen großartigen Anblick. Seine Besteigung, die nicht schwierig ist und von der Straße in einer Stunde vollzogen werden kann, lohnt durch eine malerisch schöne Rundschau.

Von hier blicken wir auch in das einsame Thal von Sztanizsa, aus dem unser Bild eine idyllische Mühle vorführt. Vom Vulkan senkt sich der durch Dörfer und Einzelgehöfte belebte Weg gen Brád ins Thal der weißen Körös hinab. Die diese Gegend bevölkernden Rumänen sind ein schöner Menschenschlag, deren äußere Erscheinung von der der Motzen des Aranyos wesentlich abweicht. Das ihre Tracht anschaulich darstellende Bild mit dem stattlichen Burschen, der, an die Umfriedigung seines elterlichen Gehöftes gelehnt, Gruß und Wort mit dem auf dem Fußpfad vorübereilenden Mädchen tauscht, ist dem Leben entnommen.

Auch der westliche Teil des Erzgebirges, in den wir nunmehr getreten sind, ist reich an Golderzen, die fleißig abgebaut werden, doch geschieht dies hier weniger durch den kleinen Mann als vielmehr durch geldkräftige Gesellschaften. Deutsches Kapital ist hierbei in hervorragendem Maße vertreten. Die namhaftesten Bergwerke dieser Gegend befinden sich in den Händen hervorragender deutscher Industrie-Gesellschaften, und da sie alle von Fachkräften vorzüglich geleitet werden, so ist die Steigerung ihrer Goldausbeute, die heute weit über tausend Kilogramm Rohgold jährlich beträgt, mit Sicherheit zu erwarten.

Basaltfelsen Detunata. 

Hohlraum in0
der Csetatye.

Im malerisch gelegenen Boicza, das vor Jahrhunderten deutsche Bergleute gründeten und Bärenseifen nannten, nunmehr

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1894). Leipzig: Ernst Keil, 1894, Seite 508. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1894)_508.jpg&oldid=- (Version vom 13.9.2023)