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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)


Am nächsten Morgen um sechs Uhr stand schon das erste Modell vor ihm. Man muß es sehen, wie Allers zeichnet. Gummi, irgend welche Hilfsmittel kennt er nicht – Papier, ein mittelweicher Bleistift stets derselben Sorte, das ist alles, was er braucht. Aber nein, doch noch etwas: den kleinen und den Mittelfinger der rechten Hand, mit denen er die zarten Töne auf das Papier wischt.

In höchstens fünf Minuten sind die allgemeinen Umrisse seiner Modelle, welche er niemals gekünstelt hinstellt, sondern sich selbst überläßt, mit wenigen Strichen hingeworfen; dann schreitet er zu der Ausarbeitung des Kopfes, die mit einer so großen Schnelligkeit und Sicherheit vor sich geht, daß die Aehnlichkeit dem Beschauer sozusagen entgegenwächst. Er zeichnet nie etwas aus dem Kopfe, der kleinste Gegenstand seiner Blätter ist stets von der Natur abgenommen, und darauf beruht zum großen Theil die überzeugende Wahrheit seiner Darstellungen. „Schönheitspinsler bin ich nicht,“ pflegt er zu sagen, und die Nase von Herrn Soundso wird ebenso dick auf das Papier geworfen, wie Mutter Natur sie ihm in das Gesicht gepflanzt hat, und Fräulein Rosamundens Leberfleckchen wird zu ihrem Kummer auch verewigt.

Allers unterhält sich bei der Arbeit gern, und niemals schafft er flinker und besser, als wenn es um seine Staffelei recht lustig hergeht, wenn der Becher kreist, wenn Musik erklingt oder wenn ihm jemand etwas vorliest. Zu dem letzteren versteht sich, wenn er ausnahmsweise „ohne Hofstaat“ arbeitet, besonders seine prächtige Mutter, das Musterbild einer biederen echten Holsteinerin, an der er mit rührender Zärtlichkeit hängt und welcher er, gleich wie seinem Vater, einem früheren Hamburger Kaufmann, den Lebensabend zu verschönen sucht, so viel er nur kann. Sie wohnen in Karlsruhe in seiner Villa und führen dort ein beschauliches Dasein, begleiten ihn auch oft auf seinen Reisen.

Lothar Bucher.
Copyright 1892 by Union Deutsche Verlagsgesellschaft in Stuttgart.

Ich sprach vorhin von Allers’ Staffelei, und jetzt fällt mir ein, daß er, wenn er mit Bleistift zeichnet, eine solche niemals benutzt, sondern daß ihm ein einfacher Pappendeckel, den er auf die Knie legt oder in der Linken hält, als solche dient. Er zeichnet stehend, sitzend, liegend, wie es die augenblickliche Lage eben mit sich bringt, und ist niemals seiner Stimmung unterworfen, er kann eben schaffen, wann er will – und er will immer. Daher auch die reiche Fülle seiner Werke. Wie viele Mappen hat er nicht schon geliefert? „Silberne Hochzeit“, „Mikado“, „Spreeathen“, „Hochzeitsreise“, „Hinter den Coulissen“, „Marine“ – Allers diente als strammer Einjähriger bei der Marine – „Capri“, „Bakschisch“ etc. – und jetzt dieses Prachtwerk „Fürst von Bismarck in Friedrichsruh“!

Allers hat übrigens keineswegs, wie manche annehmen, ohne ernste Lehrjahre, sozusagen spielend seine jetzige Höhe erklommen; nachdem er eine Zeit lang Lithograph und Photograph gewesen war, trieb er bei Professor Keller in Karlsruhe eifrige Studien und hat zu dessen talentvollsten Schülern gehört.

Nach echter Malerart liebt er es, die Welt zu durchstreifen, ohne daß es ihm dabei an Sinn für die Häuslichkeit fehlt; dafür spricht sein Haus in Karlsruhe, seine alte Burg „Hohenklingen“ am Rhein und seine Villa auf der Insel Capri, die er sich an der Punta Tragara, also auf einem der herrlichsten Punkte der göttlichen Insel, erbaut hat, hoch über dem tosenden Meere, mit dem Ausblick nach Süden, über die weiten tiefblauen Wasser, zwischen Weingerank, Orangen, Oliven und Feigen. Hier mag es sich gut ruhen! Ruhen? „Hier mag es sich gut arbeiten!“ so muß es heißen, denn ohne Arbeit ist für Allers kein Leben. Mögen ihm dort mit den Seinigen noch viele schöne Tage beschieden sein, und möge er uns und der Nachwelt noch manches Prachtwerk seines Meisterstiftes schenken! Ich weiß noch um verschiedene Pläne, mit denen sich der Unermüdliche trägt, bin aber zu verschwiegen, sie auszuplaudern.



Beseitigung lästiger Haare.

Die Natur hat den Haarschmuck gar ungleich unter die Menschen vertheilt. Der eine verdeckt seine Blöße mit der Perücke, der andere kauft Bartwuchspomaden, die bekanntlich nur den Beutel erleichtern, ein dritter reißt sich in voller Verzweiflung die Barthaare aus.

Es gab und giebt auf der Welt außerordentliche Bärte, ellenlange Bärte, sie brachten aber den Besitzern nicht immer Glück und Segen. Hans Steininger, Bürgermeister zu Braunau, kam ja anno 1572 durch seinen bis auf den Erdboden reichenden Bart ums Leben, da er ihn beim Besteigen des Pferdes in den Steigbügel verwickelte und dadurch zu Falle kam. Außergewöhnlich sind jedoch nicht bloß solche Riesenbärte, außergewöhnlich sind auch kurze Bärtchen, wenn sie ein Frauenantlitz – schmücken. Sorgsame Raritätenforscher haben eine ganze Reihe von Bildnissen bärtiger Frauen aus verschiedenen Zeiten gesammelt, und wenn man den Spezialärzten Glauben schenken darf, so soll der Frauenbart eigentlich kein so seltenes Vorkommniß sein. Nur wird er nicht stolz zur Schau getragen, sondern im stillen Kämmerlein in seinem Wachsthum unterdrückt, sobald er sich vorwitzig über die Hautoberfläche hinauswagt.

Dieselben Erfahrungen wie die Aerzte machen auch die Redakteure der Familien- und Frauenblätter, auf deren Tischen sich nicht selten zierlich geschriebene anonyme Briefchen einfinden, in denen höflich und dringend gebeten wird, im Briefkasten unter „Treue Abonnentin“ ein Mittel anzugeben, das den Haarwuchs gründlich und ein für alle Mal beseitigt.

Bis vor wenigen Jahren waren Aerzte und Redakteure in der schlimmen Lage, erklären zu müssen, daß sie nicht zu helfen vermöchten; man konnte das Haar nicht nach Belieben auf kahlen Stellen wachsen lassen und an behaarten es nicht gründlich vertilgen.

Da das Rasieren die Spuren nicht vollständig genug entfernt, hat man seit uralten Zeiten verschiedene „Depilatorien“, Enthaarungsmittel, ersonnen: aus ätzenden Stoffen bereitete Pasten, welche auf die zu enthaarenden Stellen gestrichen werden. Je nach der Zusammensetzung der Masse läßt man dieselbe 3 bis 8 Minuten auf der Haut liegen; in dieser Zeit werden die Haare völlig erweicht, so daß sie sammt der Paste mit lauem Wasser abgewaschen werden können. Die enthaarte Stelle erscheint rein und glatt, manchmal auch geröthet und empfindlich, die Grübchen der Haarbälge heben sich als braune und schwarze Punkte ab, ein „Fehler“, der leicht durch Puder verdeckt werden kann. Die Haare sind auf solche Weise tief in die Haut hinein zerstört, allein die Haarpapille bleibt erhalten, und so erneuert sich das Haar mit der Zeit, aber es wächst so langsam nach, daß die Vertilgung nur alle zwei bis vier Wochen vorgenommen zu werden braucht.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 785. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_785.jpg&oldid=- (Version vom 28.4.2023)