Seite:Die Gartenlaube (1892) 748.jpg

Dieser Text wurde anhand der angegebenen Quelle einmal korrekturgelesen. Die Schreibweise sollte dem Originaltext folgen. Es ist noch ein weiterer Korrekturdurchgang nötig.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)

„Ich – habe mich zunächst zu einem Kursus für Krankenpflege in Köln gemeldet.“

„Krankenpflegerin – Du? Und nicht einmal Deinen eigenen Mann hättest Du pflegen wollen?"

Das Mädchen ward blaß bis in die Lippen „Vor dem Kranken habe ich mich nicht gescheut,“ sagte sie laut. „Hätte mich seine Mutter gebeten, als Pflegerin zu ihm zu kommen, ich wäre sofort gegangen. Mir hat davor gegraut, daß ich an ihn gekettet sein sollte durch Bande, die man sonst nur schließt, wenn man sich“ – und jetzt ergoß sich eine wahre Rosengluth über ihr Gesicht – „wenn man sich sehr lieb hat. Ich wäre eher gestorben, als daß ich neben seinem Rollstuhl zum Altar gegangen wäre, ich –“

„Bravo!“ rief Herr Krautner. „Da hat sie recht, Fräulein Schwägerin, und ich kann Ihnen nur sagen, heutzutage denken nicht alle Mädchen so. Um der Geldsäcke des armen Menschen willen hätten Hunderte Ja gesagt und hätten ihre frische Jugend im Krankenzimmer vergraben, oder auch nicht einmal das – sie hätten ihn dort allein sitzen lassen und sich sonst wo amüsiert. Aber den Kampf mit dem Leben aufzunehmen, dazu gehört Muth, und zur Krankenpflege, liebes Kind, der größte Muth, haben Sie das auch überlegt? Es ist ein schwerer Posten!“

„Freilich hab’ ich’s überlegt, recht lange und recht gründlich,“ erwiderte sie. „Soll ich etwa,“ fuhr sie fort, „das Heer derer vermehren, die als ‚Stütze der Hausfrau‘ ihr Brot suchen, oder soll ich um karges Geld meine mittelmäßige Begabung für Malerei verwerthen? Oder soll ich Erzieherin zu werden versuchen, wo schon Tausende vergebens auf Stellung warten? Eben für die Krankenpflege, meine ich, können gar nicht genug kommen, die es recht ernst nehmen mit ihrem Beruf. Und je feinfühliger die Persönlichkeit ist, die an das Krankenbett tritt, um so wohlthuender wird der Eindruck auf den Leidenden sein. Ich denke es mir einmal so, und der Fritz hat mir recht gegeben, als ich – als ich ihm noch half bei seinen Kranken.“

Fräulein Riekchen sagte nichts mehr; sie hatte sich abgewendet und betrachtete angelegentlich ein paar Bilder, die an der Wand standen. Sie wußte nicht, was es war, aber irgend etwas an des Mädchens Sprache packte sie zum ersten Male, so lange sie das Kind kannte, und erinnerte sie an dessen Vater. Es war wohl die Art und Weise ihres Ausdrucks oder die Handbewegung dabei. So lange hatte auch das Mädchen noch nie geredet.

„Nun,“ sagte Herr Krautner und stand auf, „alle Hochachtung vor Ihrem Entschluß! Wenn’s aber schwerer ist, als Sie geglaubt haben, wenn Ihre zarte Gesundheit nicht ausreicht, dann, Töchterchen, dann wissen Sie, wo der alte Krautner wohnt – geben Sie mir die Hand darauf! und wenn ich einmal krank bin, kein anderes soll mich pflegen. So, da wäre ich also umsonst betteln gegangen. Adieu!“

Julia hantierte nun weiter, und Fräulein Riekchen sah zu, aber sie sprachen beide nicht mehr. Erst als Julia endlich erschöpft am Fenster saß und es bereits ganz heimlich in dem Stübchen aussah, denn das Mädchen hatte verstanden, jedes Bild möglichst an den nämlichen Platz zu hängen, den es droben gehabt, erst da klang es gepreßt zu ihr hinüber. „Und wann mußt Du dort sein in Köln?“

„Am fünfzehnten Mai, Tante.“

„Kannst nicht zur Hochzeit hier bleiben? Sie ist doch schon am zwanzigsten!“

„Nein, Tante; es thut mir leid, das geht nicht,“ antwortete Mamsell Unnütz.

Dann stand sie rasch auf und ging hinaus.

(Fortsetzung folgt.)

Gute Nachbarschaft.

(Zu dem Bilde S. 745.)

Als mir im vorigen Jahre beim Besuch des prachtvoll gedeihenden Hamburger Zoologischen Gartens zum ersten Male der sonderbare Anblick wurde, daß der dort gehegte mächtige indische Elefant und sein Nachbar und Landsmann, ein Rhinoceros, sich gegenseitig liebkosten, da fiel mir dies um so mehr auf, als ich die beiden gewaltigen Dickhäuter seit Jahren im Garten gesehen, nie aber bis dahin eine solche Scene beobachtet hatte. Auf meine befremdete Nachfrage erfuhr ich gar, daß dieses freundschaftliche Verhältniß schon lange bestehe und sich öfter bekunde. Wo blieb da das alte und vielgeglaubte Märchen von der angeborenen Feindschaft zwischen Elefant und Nashorn?

Wenn Plinius, der alte Römer, von dieser angeborenen Feindschaft spricht, so kommt es offenbar daher, daß er im römischen Cirkus den Kampf zwischen Elefant und Nashorn gesehen und dabei beobachtet hat, wie das letztere seinem Gegner mit dem Horne den Bauch aufschlitzte. Plinius war wohl auch die Quelle dieser Meinung für die späteren Jahrhunderte. Wenn man aber weiß, wie bei solchen Cirkusvorführungen die Thiere mit aller Gewalt dazu gereizt wurden, sich zu bekämpfen, so verliert der Ausspruch des Plinius jeden Werth.

Eigentliche Thierfeindschaften, d. h. in dem Sinne, daß zwei Thierarten sich gegenseitig in angeborener Feindschaft begegnen, dürfte es kaum geben, denn eine „Feindschaft“ ist es doch nicht, wenn Raubthiere, die von der Natur auf die Ernährung durch das Fleisch anderer Thiere angewiesen sind, diese anfallen, töten und fressen, und wenn die Angefallenen sich dabei nach Kräften wehren. Ebensowenig kann man es angeborene Thierfeindschaft nennen, wenn zwei Thierarten auf gemeinsamem Nahrungsplatz einmal aneinander gerathen. Die als Gegenbeweis naheliegende sogenannte Feindschaft zwischen Hund und Katze beweist auch nichts, denn einerseits sind sie Hausthiere und nicht mehr im natürlichen Zustand, vielmehr meist durch Reizung zu solcher Gegnerschaft erzogen, sodann sind sie ursprünglich Raubthiere, also von Natur jedem anderen Thiere abhold. Dem Eskimohund z. B., der weiter kein Hausthier kennt, ist jedes andere Thier eine willkommene Beute, und als bei Hagenheck einst zwei Eskimohunde aus ihrem Gehege entwischt waren, rissen sie sofort eine Ziege im Hofe nieder. Da ist aber ebensowenig von gegenseitiger Feindschaft die Rede.

Dieses und ähnliches muß dem denkenden Thierbeobachter einfallen, wenn er die in unserem Bilde dargestellte Scene sieht. In der Freiheit sowohl wie in der Gefangenschaft sind sich Nashorn und Elefant in keiner Beziehung im Wege. Denn bei dem üppigen ununterbrochenen Pflanzenwuchs ihrer Heimath wächst ihnen ja sozusagen ihre Nahrung in das Maul und diese besteht bei der großen Verschiedenheit beider Thiere sicher auch aus verschiedenen Pflanzen. Ihre Feindschaft wäre Unsinn, und Unsinn giebt es in der Natur nicht.

Demgemäß verhalten sich denn nun auch die beiden gewaltigen Thiere im Hamburger Zoologischen Garten.

Es ist ein schöner warmer Morgen im Frühling. Schon zeitig sind Elefant und Nashorn aus ihren Ställen in ihr Gehege außerhalb derselben gelassen worden. Das Nashorn, „Begum“ genannt (indischer Name für Prinzessin), springt meist mit einigen wuchtigen Sätzen mitten in sein Gehege, ist aber nun auch für lange Zeit mit dieser großartigen Leistung zufrieden, bleibt halbe Stunden lang auf einer Stelle stehen, kaum daß es dazwischen hinein einige Schritte thut oder sich einmal für einige Zeit hinlegt.

Der Elefant hingegen, auf gut Deutsch „Anton" geheißen, ein Prachtthier seiner Art, mit Stoßzähnen von seltener Länge und gegenwärtig wohl der schönste Elefant in Europa, betritt mit würdigen Schritten sein Reich, überzeugt sich zunächst durch Umblick, daß alles in der gewohnten Ordnung ist, beginnt dann aber bald seinen Umlauf rings der Umzäunung entlang mit so elastischem, wenn auch immerhin wuchtigem Schritte, daß es eine Freude ist, ihm zuzusehen.

Ist nun zur erwähnten Zeit noch kein Publikum da, d. h. kein solches, welches das Interesse Antons durch Füttern in Anspruch nimmt, so setzt er seinen Spaziergang längere Zeit unverdrossen fort. Doch – da bemerkt er auf einmal, daß sein Herr Nachbar, den er natürlich längst im Nebengehege erblickt hat, der trennenden Schranke näher gekommen ist. „Guten Morgen, da bin ich,“ scheint dieser sagen zu wollen, und der herantretende Elefant, den die Stoßzähne und die Enge des Gitters hindern, den Rüssel zwischen den Stäben weit hindurch zu stecken, hebt das gewaltige Haupt über den oberen Gitterrand und streckt den Rüssel nach dem Kopfe des Nashorns aus. Mit würdevollem Ausdruck in Haltung und Augen läßt er sein gewaltiges Riech- und Greifwerkzeug in allen möglichen Windungen um den Kopf und besonders um das Maul des Nashorns spielen, fährt ihm einmal über die Augen oder über die Stelle, wo das Horn sitzen müßte; kurz, es ist ein offenbar freundschaftliches Liebkosen, welches Begum, wenn auch mit mäßigem Eifer, durch Lecken zu erwidern sucht. Der blöde dumme Ausdruck in dessen Augen im Gegensatz zu der Würde des Elefanten steigert dabei außerordentlich das Komische dieses Anblicks, so daß ich mich in der That dabei eines herzlichen Lachens nicht enthalten konnte.

Aber noch ein anderes höchst merkwürdiges Schauspiel führt Anton auf als Beweis seiner großen Klugheit. Es sind inzwischen Besucher gekommen, welche ihm etwas spenden wollen. Da ist natürlich sein Nachbar, das Nashorn, nicht mehr für ihn da. Weit streckt er den Rüssel nach der dargereichten Gabe vor, und ruft dabei ein Kind: „Kompliment!“, so nickt er wohl etwas mit dem Kopfe, aber sehr wenig, als wollte er gleichzeitig seine Geringschätzung solcher Belästigung ausdrücken. Jetzt aber reicht ihm jemand einen Nickelzehner oder -fünfer. Der Elefant erfaßt ihn, denn er weiß, dafür kann er sich etwas kaufen. Da sein Wärter im Stalle beschäftigt ist, so ruft er diesen sofort mit einem brüllenden Tone herbei, und sowie derselbe erscheint, hält er ihm den Nickel hin. Greift aber der Wärter danach, so zieht der Elefant sofort die Münze

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 748. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_748.jpg&oldid=- (Version vom 16.8.2022)