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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892)


Ems und das Lahnthal.
Von Hans Wachenhusen.
Mit Zeichnungen von O. Günther-Naumburg.

Zwischen laubgrünen, villenbesäten Abhängen, eingeengt durch die bis an die Ufer der Lahn sich senkenden Felshöhen der Bäderlei und des Winterberges, zieht sich lang und schmal, den sanften Krümmungen des Flusses folgend, eins der reizendsten Thäler Westdeutschlands dahin. Blankes Silber bergen die Hügel, drüber aber strahlt die goldne Sonne, und sie ruft alle diejenigen herbei, die in dem unruhigen Getriebe der Geschäftswelt, im staubigen Dunstkreis der großen Städte, im Lüsterqualm des ermüdenden Gesellschaftslebens ihre Athmungswerkzeuge geschädigt haben und hilfsbedürftig nach den wunderthätigen Quellen schmachten - nicht zu sprechen von denen, die in dem schönen Lahnthal eben nur die sommerliche Erfrischung suchen.

Die Rheinbahn, die großen Dampfer schiffen die Mehrzahl der Reisenden in Oberlahnstein aus, um sie angesichts der prachtvollen Burg Stolzenfels und des Schlosses Lahneck der Lahnbahn zu übergeben. Diese führt sie durch das romantische Flußthal mit seinen Kapellen, Schlössern und Kirchen, seinen Hüttenwerken, vorüber an dem Dorfe Frücht, der Ruhestätte des Ministers von Stein, schließlich einen Blick gewährend auf die Bäderlei, den Konkordienthurm, den von einem Pavillon gekrönten Malberg, durch das Dorf Ems; und von der herrlichen Thalluft erquickt, erreicht der Reisende den Bahnhof, die mit Gästen gefüllten Promenaden, die über die Lahn führende Brücke, das Herz von Ems: die eigentliche von großen Gast- und Badehäusern bezeichnete Quellenstätte, das Kurhaus, den Kursaal mit seiner Kolonnade und seinem durch die enge Thallage zwischen Straße und Lahnufer allerdings im Vergleich zu Homburg und Wiesbaden sehr beschränkten Kurgarten.

Ems ist alt, und wie dies bei fast allen bemerkenswerthen Ortschaften des Taunus der Fall ist, erzählt seine Geschichte und nicht weniger der Pfahlgraben wie das Auffinden von alten Grundmauern und Badeleitungen, daß die Römer in ihrer Liebhaberei für warme Quellen sich auch diese schon zu Nutze gemacht haben; und wenn auch die schriftliche Ueberlieferung der Alten jede Mittheilung über eine römische Niederlassung vermissen läßt, so dürfte Tacitus in seinen „Annalen“, in welchen er berichtet, daß Curtius Rufus im Lande der Mattiaker nach Silber habe graben lassen, doch diese Gegend des Lahnkreises gemeint haben.

Eine sprungweise Erwähnung geschichtlicher Daten gestattet hier eben nur die Andeutung, daß urkundlich von den Emser Silberwerken zuerst im Jahre 1158 die Rede ist, um welche Zeit Kaiser Friedrich I. deren Ausbeutung einem Bischof von Trier übergab. Der warmen Bäder geschieht erst in einer Urkunde des Erzbischofs Wilhelm von Köln 1355 Erwähnung, danach 1383 eines „Thurms auf dem Bade“, dessen Reste man noch jetzt in den Fundamenten im Kurhof erkennen will. In welchem anspruchslosen Zustand sich die damaligen Badeeinrichtungen befunden haben, geht aus einer Urkunde der Grafen von Katzenelnbogen und Nassau vom Jahre 1438 hervor, in der es sich nur um einige Baderäumlichkeiten handelte. Im Jahre 1583 errichtete Landgraf Wilhelm von Hessen ein Bade- und Wohnhaus, das wahrscheinlich den Mittelbau des heutigen Kurhauses bildet, damals aber nur zu eigner fürstlicher Bequemlichkeit und der von hohen Gästen diente. Von da ab scheint sich um die „Heilquellen“ von Ems eine vornehmere Gesellschaft gesammelt zu haben, die bei dem Mangel an Unterkunft in Zelten wohnte und in diesen ein vergnügtes, zu mancherlei Badescherzen geneigtes Leben geführt haben mag.

Erst im 17. und 18. Jahrhundert ward den Badeanstalten größere Sorgfalt gewidmet, Häuser wurdest errichtet, das Kurhaus wurde ausgebaut, ein großer Gesellschaftssaal hergestellt; und je mehr sich der Ruf der Quellen verbreitete und festigte, desto mehr wuchs sich Ems zur Stadt aus. Die Anlage der jetzigen Bäder wurde jedoch erst im Jahre 1811 begonnen und seitdem ausgestalte; Altes und Unmodernes wurde abgebrochen, die Eisenbahn entstand und um den Bahnhof am linken Ufer, am „Spieß“, ein ganz neues Bauviertel; vier eiserne Brücken wurden hergestellt, und so ward Ems eins der modernsten und schönsten Badestädtchen. Kaiser und Könige sah es als seine alljährlichen Gäste, Kaiser Wilhelm I., den Kaiser von Rußland, viele andere Fürstlichkeiten, Touristen aller Welttheile, mit einem Wort: eine Gesellschaft, wie sie so glänzend kaum ein anderer Kurort beherbergte. Zur Geschichte der Stadt, die sonst nicht viel Merkwürdiges aufzuweisen hat, bildet bis jetzt den Schlußstein jenes schroffe Auftreten des französischen Botschafters Benedetti gegen König Wilhelm bei Gelegenheit der spanischen Kronkandidatur des Prinzen von Hohenzollern. Eine Steinplatte im Kurgarten verewigt das Andenken an jene bedeutungsvollen Ereignisse, deren zum Theil legendenhafte Züge freilich vor der

aktenmäßigen Geschichte nicht alle Stand halten konnten. Ein

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1892). Leipzig: Ernst Keil, 1892, Seite 337. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1892)_337.jpg&oldid=- (Version vom 11.5.2019)