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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

seine Auseinandersetzungen mit dem bedeutungsvollen Wink, daß man, um sich den Besitz des Gutes zu sichern, der Regierung durch möglichste Raschheit zuvorkommen müsse, denn sie hätte schon an ihn den Legationsrath Siegfried Malköhne abgesendet, der in ihrem Auftrag vor Ungeduld brenne, den Handel abzuschließen.

Diese Aeußerung benutzte Brigitta, um sich zur Gräfin zu wenden und dadurch endlich zu Edith treten zu können. Sich von ihrem Sitze erhebend und eilig in die andere Ecke schreitend, als ob sie eine interessante Nachricht brächte, sagte Brigitta:

„Sehen Sie, Frau Gräfin, jetzt wissen wir, was Sie nicht anzugeben wußten. Der Legationsrath war in derselben Angelegenheit hier, die mich so sehr beschäftigt. Aber dieser holden Erscheinung gegenüber“ – wandte sie sich zu Edith – „hat man nicht das Recht, von Geschäften zu sprechen. Lassen wir dies auf eine andere Zeit. Was für ein herrliches Bild bringen Sie mir vor Augen, mein Fräulein, durch das Spinnrad! Man muß an alle alten Geschichten romantischer Art denken. Doch nein! in jenen Geschichten sitzt immer eine greise Großmutter vor dem Spinnrad und hier ein wunderschönes Fräulein mit Elfenbeinfingern, wie ich sehe.“

Jetzt war es nöthig, daß die vier Personen zusammenrückten, und Edith sagte geradezu, daß sie darauf gelauert hätte, die Trennung in zwei Parteien aufzuheben und das Gespräch allgemein zu machen. Brigitta, eingedenk, in welcher gespannten Lage sie sich befand, und daß sie nöthigenfalls einen Schritt über das Konventionelle hinaus wagen müßte, um für diese Nacht, wenn möglich, ein bestimmtes Faktum nach Hause zu bringen, gab die gefundene Anknüpfung an Siegfried nicht mehr auf. Es war ihr schon eine mit Bitterkeit vermischte Wonne, von ihm zu sprechen, und da sie nicht so weit gehen konnte, seine Person zum Helden ihrer Mittheilungen zu machen, so kam es ihr außerordentlich zu statten, daß Glowerstone eifrig nach den Verhältnissen des Legationsrathes forschte.

Brigitta erzählte von der bevorzugten Stellung, die Siegfried Malköhne in der Gesellschaft einnahm, und namentlich von dem ungeheuren Reichthum, dessen er sich schon erfreute und der noch auf ihn übergehen würde, weil dadurch Anlaß gegeben war, das großartige Leben zu schildern und zu erklären, welches er in der Hauptstadt führte. Wohl fühlte sie dunkel, daß sie dadurch vielleicht begünstigte, was sie eigentlich verhindern wollte, daß dieser Umstand Edith für eine Werbung stimmen müßte, wenn es die Person Siegfried’s nicht gethan haben sollte. Allein Brigitta wollte mit der ganzen Gewalt der Situation den Kampf eingehen und nicht durch Winkelzüge gewinnen.

Zu dieser vollen Gewalt der Situation gehörte aber auch, daß Malköhne die etwaige Begünstigung seiner Werbung durch den Umstand, daß man von seinem Reichthum wußte, wohl merken mußte und daß dadurch noch im letzten Augenblicke eine andere Wendung herbeigeführt werden konnte. So fühlte Brigitta, daß sie unwillkürlich durch diese Enthüllung seiner Verhältnisse sich einen letzten Hoffnungsanker geschaffen hatte.

Glowerstone’s blondes Gesicht ging wie in Seligkeit schwimmend breit aus einander; seine Augen schlossen sich, um neben dem Bilde, das in seiner Seele aufstieg, nichts Anderes zu sehen. Davon ganz verschieden war der Eindruck auf Edith. Sie gedachte der Andeutungen Malköhne’s, daß er gleich ihr ein Leben der Dürftigkeit führe, und sie fühlte ihre Vorstellung von ihm getrübt. Ihre schönen Brauen zogen sich finster zusammen und sie starrte vor sich hin. Brigitta beobachtete die entgegengesetzten Wirkungen ihrer Mittheilung.

Plötzlich warf Glowerstone die Frage auf, wie es komme, daß ein Mann in so ausgezeichneter Lebensstellung noch unvermählt sei.

Die Geheimräthin erwiederte gleichmüthig:

„Er glaubt sich vielleicht noch zu jung. Auch ist er der Ehe überhaupt abgeneigt, wie man wenigstens allgemein hört.“

„Das wäre ein Makel an ihm,“ rief Glowerstone mit Eifer und großem Ernste; „ein Mann muß der Gefahr ins Auge sehen. Die Militär- und Landwehrjahre sind das Geringere, er muß auch seine Ehejahre abdienen.“

Dies führte Glowerstone weiter aus und gerieth dadurch in eine von seiner Seite sehr laut geführte Diskussion mit der Gräfin. Inzwischen flüsterte Brigitta dem schönen Mädchen eine Frage über denselben Gegenstand zu:

„Ich habe natürlich kein Urtheil,“ erwiederte Edith, ohne daß sich der düstere Ausdruck ihrer Züge verloren hätte; „aber, was mich selbst betrifft, so bin ich so glücklich, bereits eine Pflicht gegen einen Mann zu haben –“ sie deutete auf ihren Vater – „und ich wünsche mir keinen andern Mann und keine andere Pflicht, denn so jung ich bin, so sehr ich auch außerhalb der Welt lebe, ich habe bereits eine Enttäuschung erfahren.“

Beide sprachen leise zusammen weiter, und für Brigitta gewann es den Anschein, als ob Edith nicht von der Beschaffenheit wäre, daß auch der reichste Mann nur die Hand nach ihr auszustrecken brauche, um sie zu gewinnen. Sie wird ihn zurückweisen – dachte Brigitta einen Augenblick – sie selbst, die ihn mir entreißen soll, wird mir den Verlornen zurückgeben.




13.

Brigitta erhob sich, um zu scheiden, in Rücksicht auf die späte Stunde, wie sie sagte, und auf ihre Ermüdung nach der langen Reise. Sie verabredete noch mit Glowerstone die Besichtigung der Liegenschaften bei gutem Wetter und ihr tägliches Erscheinen bei ihm, um sich in die Details des Geschäftes ganz einweihen zu lassen. Mit der Gräfin wieder an der Seite schritt sie über die dunkle Dorfstraße und verabschiedete sich in der ersten Etage von der Gräfin, ohne daß von einem Wiedersehen gesprochen wurde, weil es so selbstverstäudlich war, daß Brigitta am nächsten Tage den Gegenbesuch zu leisten hatte.

„Nein, es ist nicht möglich, daß sie ihn abweist“ – dachte Brigitta, als sie die Treppe zu ihrer Wohnung hinaufstieg. „Er ist zu glänzend, er besticht zu sehr. Ich aber werde es nicht dazu kommen lassen, daß er um sie wirbt. Ich habe mir das tägliche Kommen gesichert, ich werde jedem seiner Schritte folgen, er wird mich vor Augen haben, so oft er auf Edith blickt. Und gälte es, ihn mit lauten Worten zurückzuhalten, ich scheue das Aeußerste nicht, und könnte ich nicht verhindern, daß er mit ihr zum Altar tritt, er läge todt vor mir, bevor er das Ja gesprochen hat.“

Als am nächsten Vormittag die Stunde gekommen war, um die Gräfin zu besuchen und Brigitta ihre Toilette durch Hut, Handschuhe und Mantel ergänzen wollte, wurde an die Thür ihres Zimmers gepocht. Das Pochen übte eine außerordentliche Wirkung auf Brigitta. Unter allen Menschen war es keinem gestattet, auf diese Weise bei ihr einzutreten, jeder mußte sich melden lassen – mit einziger Ausnahme Siegfried’s. Das war von jeher sein gewohntes Anmeldungszeichen. Er war es also. Sie stand hochaufgerichtet, einen Arm auf die Brust gelegt, um das heftige Wogen derselben zu verbergen. Die Thür öffnete sich, Siegfried Malköhne erschien.

Er hatte sich von Perser den ganzen Inhalt des Telegramms sagen lassen, das dieser an Brigitta abgefertigt, und Perser kam durch diese Offenheit nur seinem Auftrage nach. Malköhne vermuthete daher richtig, daß Brigitta bereits eingetroffen sein mußte, und es war ihm lieb, daß es geschehen war. Die Wahrheit ist in solchem Falle die beste Rechtfertigung, dachte er. Ich will lieber ein Henker sein, als ein schleichender Giftmörder. Was auch die Folge sei, wenn Brigitta als Gewißheit erkennt, was ihr bisher nur als Furcht vorgeschwebt haben kann – was auch die Folge sei, ich werde zu dem Weibe, das ich wähle, sagen können, daß meine ganze Vergangenheit abgethan, daß ich an kein anderes Weib mehr gebunden sei.

„Was wollen Sie hier, hier, an diesem Orte?“ fragte er in gelassenem Tone. Er war aber dabei bleicher, als sie ihn jemals gesehen hatte, und ihre Bewegung, die sie vergeblich zu unterdrücken suchte, so groß, daß sie nicht mehr aufrecht stehen konnte. Sie ließ sich auf dem Sofa nieder, und Malköhne, statt wie gewöhnlich an ihrer Seite, nahm in einem Fauteuil Platz.

„Ich bin Ihnen nachgelaufen,“ sagte sie schroff, aber mit heroischer Ruhe; „nachgelaufen, was lächerlich wäre, wenn es die Welt hörte, was Ihnen zu sagen die Pflicht der Wahrheit ist.“

Er blieb ebenfalls ganz ruhig und sah ihr ohne Scheu offen ins Gesicht; dann sprach er bloß mit bedeutungsvoller Betonung die Worte: „Der Zweck?“ Er erwartete die Antwort mit demselben festen Blicke.

„Was ist denn der Zweck Ihres Hierseins?“ ließ sie sich etwas lebhafter vernehmen; „vielleicht habe ich verrückt gehandelt, vielleicht hat es gar keinen Zweck, daß ich hier bin; Sie haben

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