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Verschiedene: Die Gartenlaube (1887)

Am fünften Kurtage war die Nahrungszufuhr bereits folgendermaßen gesteigert: Morgens siebeneinhalb Uhr einen halben Liter Milch und zwei Zwieback; achteinhalb Uhr Kaffee mit Sahne, Weißbrot, Butter; zehn Uhr einen drittel Liter Milch, zwei Zwieback; zwölf Uhr einen halben Liter Milch; ein Uhr Suppe mit Ei, 100 Gramm Fleisch, Kartoffelbrei, 75 Gramm Pflaumenkompot; dreieinhalb Uhr einen halben Liter Milch; fünfeinhalb Uhr einen drittel Liter Milch, zwei Zwieback; acht Uhr einen halben Liter Milch, 60 Gramm Fleisch, Weißbrot, Butter; neuneinhalb Uhr einen drittel Liter Milch, zwei Zwieback. Nach weiteren acht Tagen lautete die Liste der Nahrungsmittel bereits folgendermaßen: siebeneinhalb Uhr Morgens einen halben Liter Milch, zwei Zwieback; achteinhalb Uhr Kaffee mit Sahne, 80 Gramm Fleisch, Weißbrot, Butter, geröstete Kartoffeln; zehn Uhr einen viertel Liter Milch, drei Zwieback; zwölf Uhr einen halben Liter Milch; ein Uhr Suppe mit Ei, 200 Gramm Fleisch, Kartoffelbrei, Gemüse, 125 Gramm Pflaumenkompot, süße Mehlspeise; dreieinhalb Uhr einen halben Liter Milch; fünfeinhalb Uhr einen drittel Liter Milch, 80 Gramm Fleisch; neuneinhalb Uhr einen drittel Liter Milch, zwei Zwieback.

Es ist begreiflich, daß bei solchem Speisezettel das Gewicht der Patienten ganz bedeutend zunimmt und mit dieser reichlichen Bildung von Fett und Blut das Allgemeinbefinden der Kranken wesentlich gebessert wird. Wir müssen aber doch aufs Dringendste anrathen, eine solche Mästungskur nur auf Empfehlung und unter der beaufsichtigenden Beobachtung eines Arztes vorzunehmen, da sich während der gesteigerten Nahrungszufuhr zuweilen Erbrechen und andere unangenehme Zufälle einstellen. Die Kurmethode ist nach dem amerikanischen Arzte Dr. Weir Mitchel, der sie zuerst empfahl, benannt; in Europa wurde sie demnächst von Dr. Plaifair in London und von Professor Binswanger in Jena eingeführt, dann von Burkart in Bonn geübt; in jüngster Zeit wird sie von Professor Leyden in Berlin gerühmt. Ich selbst habe diese Mastdiät, mit dem Gebrauche von Eisenwässern kombinirt, bei schweren Fällen von Blutarmuth und Nervenschwäche mit sehr günstigem Erfolge angewendet. Eine meiner Klientinnen nahm während vierwöchiger derartiger Kur um acht Kilo an Körpergewicht zu. Prof. Kisch in Prag-Marienbad.     

„Es schickt sich nicht!“ So lautet die Losung einer strengen Geheimpolizei, deren unerbittliches Urtheil unser Thun und Lassen richtet. Ob von eigenem Gefühl oder von der Meinung Anderer diktirt, ob den Anforderungen des Jetzt oder alten Ueberlieferungen des Einst entstammend: es tönt uns abmahnend und verweisend entgegen, wenn wir im Begriff sind, einen Verstoß gegen die Gebote der Schicklichkeit, gegen die Begriffe von Recht und Pflicht zu begehen.

Eine unsichtbare Macht leitet uns, wir folgen einem unausgesprochenen Gesetze, wenn wir im entscheidenden Augenblicke ohne die Wahl langen Besinnens und Erwägens das Richtige treffen.

Je höheren sittlichen Werth der Mensch besitzt, um so schärfer ausgeprägt wird die Beurtheilung der Grenze sein, welche dies „bis hierher und nicht weiter“ erheischt. Aber gerade diese Beurtheilung wird für manche althergebrachte Grenze des Schicklichen andere Kreise ziehen, um den Anforderungen der Zeit und zugleich dessen, was sich schickt, gerecht zu werden.

Denn das „es schickt sich nicht“ will ja nicht bloß bei dem Unterscheiden von Recht und Unrecht seine Macht erproben; es fällt auch da einen harten Richterspruch, wo seine Unantastbarkeit nicht recht am Platze ist, wo es mit gutem Gewissen auch vom Edelstdenkenden mit dem Namen „veraltetes Vorurtheil“ bezeichnet werden kann.

So manches junge Mädchen aus den „besseren Ständen“ arbeitet am Stickrahmen bis spät in die Nacht hinein, um ein kleines Taschengeld zur Befriedigung der hochgeschraubten Wünsche der Tyrannin „Mode“ zu erringen. Aber Niemand aus der Gesellschaft, der sie angehört, darf von dieser heimlichen Arbeit etwas ahnen – „es schickt sich nicht.“

In großen Städten ist das Geheimhalten leicht zu ermöglichen; es finden sich gefällige Hände, die den Verkauf der Arbeiten übernehmen; jedoch in kleineren Orten, wo eines Jeden Thun beobachtet wird, da übt das „es schickt sich nicht“ für den sich zaghaft Beugenden eine grausame Tyrannei.

Lieber entbehren, dürftige Mahlzeiten einnehmen, in jeder Weise auf Kosten der Gesundheit und des Wohlbehagens in der Familie leben, als nach außen zeigen, wie schwer es wird, Anderen, Begüterten, ihre Gebräuche nachzuahmen.

Das „es schickt sich nicht“ läßt es nimmer zu, die Wahrheit einzugestehen; ehrliche Arbeit wird in Acht und Bann gethan – man schämt sich ihrer. Hier sind Eitelkeit und Eigendünkel die Gewalten, welche das böse „es schickt sich nicht“ diktiren.

Und wollen wir gar noch der Tausende gedenken, die in lächerlicher Nachahmungssucht vor dem goldenen Kalbe, der „Mode“, opfern!

Der überspanntesten Geschmacksverirrung muß gehuldigt werden; Trachten, die den Schönheitssinn beleidigen, jedem guten Geschmack und besserer Einsicht Hohn sprechen, müssen angenommen werden, denn gegen den Strom kann man nicht schwimmen – „es schickt sich nicht.“

Unsere Zeit schreibt „Freiheit“ auf ihre Fahnen, und hier werden ewig neu die beengendsten Fesseln geschmiedet; aber da hilft weder Wort noch Beispiel; nur Wenige treten bescheiden zur Seite und belächeln die unschönen Thorheiten – andere Wenige möchten diesen wohl gerne folgen, aber ach: „es schickt sich nicht!“

Die Insel Wight. (Mit Illustration S. 529.) Portsmouth gegenüber, eine Stunde von der Südküste Englands entfernt, liegt die Insel Wight, ein zauberisches Eiland in dem stürmischen Kanal. Wir befinden uns hier unter dem 50. bis 51.° nördlicher Breite, also in einer Zone, welche ungefähr der Lage Sachsens entspricht. Und doch ist das Klima der Insel ein viel milderes; ein sonnigerer Himmel lacht auf die herrlichen welligen Fluren von Wight hernieder. Nur selten gefriert hier das Wasser, selten fällt der Schnee und oft feiern die Bewohner „grüne Weihnachten“. Hoch im Norden genießt man auf der Insel Wight alle Wohlthaten einer milden Witterung, wie sie an den Küsten der Riviera zu finden sind. Der Golfstrom, der vom mexikanischen Meerbusen die warmen Fluthen südlicher Meere an die Gestade Englands trägt, bewirkt diesen Zauber.

Die Insel Wight ist nicht groß: ihr Umfang beträgt etwa 100 Kilometer; ihr größter Durchmesser von Ost nach West 30 Kilometer; aber eine reiche Fülle prächtigster Landschaftsbilder ist auf diesem kleinen Raum zusammengedrängt.

Kein Wunder also, daß dieses Schmuckkästchen im Kanale von La Manche, seit altersher als Sommersitz und Ausflugsort von den Engländern hoch geschätzt wird, daß alte Burgen und Schlösser, Bade-Anlagen und Villen in reichstem Maße der Insel zur Zier gereichen. Max Nordau hat schon einmal die Insel unsern Lesern geschildert und sie „Die Flitterwochen-Insel“ genannt (vgl. Jahrg. 1880, S. 596). Und mit Recht; denn die neuvermählten reichen Engländer verleben nur zu gern den Honigmond in diesem „Wintergarten Albions“. Unsere heutige Abbildung zeigt uns das Leben auf der Insel von einer andern Seite: der Künstler führt uns nach dem malerisch gelegenen Bade-Orte Ventnor, an den Strand mit den zahlreichen Badegästen, und bei dem Anblick dieses Bildes erinnern mir uns, daß die Insel Wight auch ein Asyl für Brust- und Halskranke ist. Und von diesem Gesichtspunkte aus erscheint sie uns heute doppelt interessant; ist doch, während wir diese Zeilen niederschreiben, West Cowes an der Nordküste von Wight als Kurort für den Kronprinzen des Deutschen Reichs in Aussicht genommen worden. *      

Skat-Aufgabe Nr. 11.[1]

Von K. Buhle.

Ein ängstlicher Spieler tournirt auf folgende Karte:

(tr. B.)0 (p. B.)0 (c. B.)0 (car. B.)0 (car. D.) 0(car. 9.) 0(car. 8.) 0(tr. D.) 0(p. D.) 0(c. As)

und zwar die (car. 7.) und findet noch das (p. As)

Ist sein Spiel unverlierbar?


  1. Diese gar nicht schwere Aufgabe ist im Lösungsturnier des Leipziger Skatkongresses gestellt, aber nur von wenig Bewerbern richtig gelöst worden.


Auflösung der Skat-Aufgabe Nr. 10 auf S. 484.

Vorhand gewinnt Grünsolo mit Schneider bei folgender Kartenvertheilung: Skat: sZ, sK.

Mittelhand: ew, gW, gO, eZ, rK, rO, r9, r8, r7, sO.
Hinterhand: rW, sW, gD, eK, eO, rZ, sD, s9, s8, s7,

denn es folgt z. B.

1. g7, gO, gD (− 14), 5. g9, eW, rW (− 4),
2. sD, gZ, O (+ 24), 6. eZ, eO, eD (+ 24),
3. g8, gW, sW (− 4), 7. e7, rK, eK (− 8),
4. r7, rZ, rD (+21), die übrigen Stiche gehören dem Spieler.

Dasselbe Resultat tritt ein, wenn Mittelhand im 6. Stich ein leeres r vorspielt oder bereits im 4. Stich eZ anbringt. – Dürften jedoch die Gegner eZ und rZ mit einander tauschen, so verliert Vorhand das Grünsolo mit Schneider, denn es folgt:

1. g7, gO, gD (− 14) 4. eZ, e7, sO (− 13)
2. eO! eD, gW (− 16) 5. eK! e8, rK (− 8)
3. rZ, sW, rD (− 23) 6. sD! gK, eW (− 17)

und Hinterhand macht überdies noch einen Stich auf rW.


Kleiner Briefkasten.

(Anonyme Anfragen werden nicht beantwortet.)

Touristen G. und Sch. in Hamburg. Sie wollen einen Ferienausflug in die Steierischen Alpen machen und wünschen von uns die Angabe einer handlichen und dauerhaften Karte, welche Ihnen als durchaus zuverlässiger Führer dienen kann. Als eine solche nennen wir Ihnen die „Karte der Steierischen Alpen und der Karawanken“, welche jüngst im Verlage der geographischen Anstalt von Ludwig Ravenstein in Frankfurt am Main erschienen ist. Diese Karte ist sorgfältig ausgeführt, übersichtlich und zuverlässig. – Uebrigens möchte vielen Touristen die Mittheilung willkommen sein, daß in demselben Verlage auch gleich vorzügliche Karten anderer Alpengebiete (Salzburger Alpen und Salzkammergut, Tiroler Alpen, Oesterreichische Alpen etc.) erschienen sind.

K. L. in B. Was ist für eine Innung geeigneter: eine Fahne oder ein Banner? lautet Ihre Frage. – Das Banner (vom französischen bannière) war nicht von Tuch oder Leinwand wie die Fahne (welch letzteres uralte Wort, gothisch fana, die allgemeine Bedeutung von Tuch und Gewebe hat), sondern von Pergament, Leder, Blech oder dünnen Holzplättchen, daher steif, während die Fahne meist zusammengefaltet ist, wenn sie nicht vom Winde bewegt oder die Fahnenstange horizontal gestellt wird. Josua Maaler, Bürger zu Zürich, bezeichnet in seinem 1561 erschienenen deutschen Wörterbuche das „paner“ als „das oberst Fänle“, und dementsprechend wird im Grimm’schen Wörterbuche bemerkt, daß Banner nicht nur in der Bedeutung von Heerfahne gebraucht wird, sondern daß man es nach Maaler auch als Hauptheerfahne nehmen kann. Nach dieser Deutung würde sich für eine Innung allerdings eine Fahne besser denn ein Banner eignen und letzteres vielleicht für einen Bund, eine Vereinigung von Innungen am Platze sein. Die Grenze zwischen Fahne und Banner ist jedoch nicht sehr scharf gezogen, und heut zu Tage steht es vollends Jedem frei, sich für eine Banner oder für eine Fahne zu entscheiden. Es werden dabei lediglich persönlicher Geschmack, persönliche Liebhaberei, persönliche künstlerische Anschauung, vielleicht auch praktische Nützlichkeitsgründe, da man auf einem Banner z. B. fortwährend das angebrachte Bild sehen kann, ausschlaggebend sein.

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Inhalt: Der lange Holländer. Novelle von Rudolph Lindau (Fortsetzung). S. 517. – Der Hitzschlag und Sonnenstich. Von Dr. Otto Franz. S. 522. – Moltke in den Sommerferien. S. 524. Mit Portrait S. 521 und Illustrationen S. 524 und 525. – Magdalena. Von Arnold Kasten (Fortsetzung). S. 527. – Das Feuerschiff „Adlergrund“. Von Georg Köhler. S. 530. Mit Illustration S. 517. – Blätter und Blüthen: Ein geschichtliches Gemälde von Ernst Wichert. S. 531. – Das Weir Mitchel’sche Kurverfahren. Von Prof. Kisch in Prag-Marienbad. S. 531. – „Es schickt sich nicht!“ S. 532. – Die Insel Wight. S. 532. Mit Illustration S. 529. – Skat-Aufgabe Nr. 11. Von K. Buhle. S. 532. – Auflösung der Skat-Aufgabe Nr. 10 auf Seite 484. S. 532. – Kleiner Briefkasten. S. 532.


Herausgegeben unter verantwortlicher Redaktion von Adolf Kröner. Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger in Leipzig. Druck von A. Wiede in Leipzig.

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