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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

verschwand es in einer Höhle, in welche eben die Ratte geschlüpft war. Stille herrschte im Wasser und Schilf; doch war es uns, als sei aus dem unterirdischen Gang ein feiner quiekender Klageton gedrungen. Sofort zeigte sich an der Mündung der Röhre eine anfänglich kleine, aber immer stärker werdende Bewegung der Wasseroberfläche, welcher kleine Bläschen entstiegen und welche sich jetzt von aufgewühltem Schlamme trübte und nun kleine Wellen schlug.

Edelmarder auf der Taubenhatze


Darauf wälzte sich ein belebter Klumpen hervor, der sich allmählich deutlicher erkennen ließ und sich selbst als zwei in einander verwickelte Thiere darstellte, von welchen das Wiesel als Sieger oben saß und dem überwundenen Opfer im Nacken die scharfen, spitzen Zähne eingehauen hatte. In gehobener Haltung drängte es die sterbende Ratte dem Ufer zu, schleifte sie auf das feste Land und zog sie weiter längs dem Ufer hin unter eine überwölbte Stelle. Hier stillte es seinen Blutdurst und verzehrte mit vernehmlichem Krachen zermalmter Knochen die Lieblingsbissen von Kopf und Rücken.

Sehr fesselnd und charakteristisch ist das Gebalge des großen Wiesels mit dem seine Leibesgröße überragenden, plumpen, aber höchst wehrhaften und bissigen Hamster. Bei diesen Kämpfen entwickelt es einen erstaunlichen Grad von Bravour, in der es seinen hellen, spechttonartigen Kampfschrei erhebt und mit weitgeöffnetem Rachen den Unhold Hamster kreuz und quer überspringt, verschiedentlich attackirt, endlich unvermuthet überfällt und mit einer vollendeten Meisterschaft von Gewandtheit, Wucht und Ausdauer meist besiegt. Das zwar todesmuthige Heermännchen wagt wohl ebenfalls dieses Duell mit dem unflätigen Gegner, allein es unterliegt auch nicht selten den Folgen dieser übergebührlichen Anstrengungen gegen den Riesen.

In seinem Schlangenrachen, dessen Kinnladen sich über einen rechten Winkel zu öffnen vermögen, trägt das gewandte Hermelin auch die Tauben- und Hühnereier in seine Verstecke, deren Schalen noch die feinen Eingriffe der spitzen Eckzähne unter dem Vergrößerungsglase entdecken lassen. Scenisch belebt ist sein Raubmord an dem Hasen. Diesen beschleicht es entweder im Lager, oder es lauert dem Anrückenden auf dessen gewohntem Pfädchen hinter einem Verstecke auf, um dem Opfer mit einem Satze ins Genick zu springen und ihm die Halsader zu durchbeißen. Wie besessen lautklagend rennt „Lampe“ mit dem kleinen Reiter zuerst meist in weiten und dann immer enger gezogenen Bögen davon, um zu letzt mit verhallenden Lauten zusammenzustürzen. Mehrmals haben wir im Sommer solche Räubereien des Hermelins, durch das Angstgeschrei des befallenen Hasen aufmerksam geworden, entdeckt und die Richtung des Raubrittes durch die stark bewegten Halmen im Getreide verfolgt. In zwei Fällen kamen wir zu der Stelle, woselbst der Hase unter den tödlichen Bissen des Wiesels zusammengebrochen war.

In dem einen Falle entsprang der Mörder bei unserer Annäherung; im zweiten Falle entdeckten wir das Wiesel auf dem Hasen am Boden, wie es mit derben Zügen das Blut aus der Halsader seines Opfers sog und im Rausche seiner Mordgier unser Nahen gar nicht bemerkte, so daß wir es mit leichter Mühe tödten konnten. Das Hermelin hat mit den Mardern die Eigenthümlichkeit gemein, daß es sich durch das Blutsaugen aus den Adern seines Raubes vollständig berauscht. Ein Taumel, mit Schlaf endend, überfällt die Räuber nicht selten schon auf dem Schauplatz oder in der Nähe desselben, so daß man ihrer mühelos habhaft werden kann.

Wenden wir uns der Betrachtung unserer beiden Marder zu, so ist vor Allem das grenzenlose Morden des Stein- oder Hausmarders hervorzuheben, dem dieser sich beim Einbruch in die Stätten des Hausgeflügels ergiebt. Der Blutrausch ist auch

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verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 600. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_600.jpg&oldid=- (Version vom 16.7.2021)