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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

Blätter und Blüthen.

Die deutsche Sprache in Oesterreich und Amerika. Der Kampf des Deutschthums gegen Unterdrückung ist zugleich ein Kampf für die deutsche Sprache. Daß dieselbe in Oesterreich, wo sie noch immer die Sprache des Heeres ist, nicht unter dem Sprachwirrwarr der zahlreichen andern Nationalitäten verschüttet werden darf: das scheinen doch jetzt auch die Männer des Kabinets Taaffe einzusehen. Der Unterrichtsminister Dr. von Gautsch hat auf seiner Rundreise in Böhmen bei Besichtigung der tschechischen Schulen stets das Mahnwort ausgesprochen: „Lernt deutsch!“, da er sich davon überzeugen mußte, daß die deutsch-böhmischen Abgeordneten Recht hatten, wenn sie im Parlamente diesen Mangel an Kenntniß der deutschen Sprache bei der tschechischen Jugend stets gerügt. Natürlich wehren sich die Tschechen aufs Aeußerste gegen diese Zumuthung; denn gerade die Kenntniß der deutschen Sprache muß der tschechischen Jugend die Ueberzeugung beibringen, daß sie einer überlegenen Kultur gegenüberstehen. Jeder Anwalt des Deutschthums hat gerade dadurch eine scharfe Waffe in der Hand, daß er die Kultur und Litteratur einer geistig hoch stehenden Nation gegen die untergeordneten Leistungen der in das österreichische Kaiserreich eingesprengten Völkerstämme ins Feld zu führen vermag. Und auch von jenseit des Oceans tönt jetzt eine Stimme herüber, welche diese Bedeutung des Deutschthums aufs Entschiedenste betont. Kein Geringerer als der hervorragende Staatsmann Nordamerikas, der dort stets dem Deutschthum ein mächtiger Hort gewesen, Karl Schurz, sprach sich bei der Versammlung des deutsch-amerikanischen Schulvereins, welche in New-York am 27. Juni stattfand, in diesem Sinne aus und zugleich im Sinne einer von jeder Einseitigkeit freien Duldsamkeit. „Wir haben das Gefühl,“ sagte er, „daß die Errungenschaften eines großen Kulturvolkes, seine Litteratur, seine Sprache, seine Kunst und sein Gemüthsleben nicht dem Volke allein gehören, sondern der ganzen Menschheit. Ich bin nicht dafür, daß die deutsche Sprache in Amerika aussterben soll, im Gegentheil, jeder, der deutsch spricht, versteht oder es zu lernen Gelegenheit hat, soll dies thun; denn er hat damit einen Schatz, der ihm in allen Lebensstellungen von ungeheurem Vortheil ist. Ich bin dafür, daß jeder Deutsche in Amerika ordentlich Englisch lerne, und wenn ich das könnte, würde ich jedem Amerikaner rathen, auch ordentlich Deutsch zu lernen, damit er sein Englisch um so besser versteht; das ist der Gesichtspunkt, von dem ich diese Frage ansehe. Wir wollen uns nicht in die politischen Kämpfe der Nationalitäten in Oesterreich mischen; wir wollen aber Eins thun, so weit wir dies können: wir wollen helfen, daß das große Kulturelement, welches in der deutschen Litteratur und Sprache, im Leben und Streben des deutschen Herzens und Geistes besteht, dem österreichischen Volke erhalten bleibe. Ich bin kein Feind der Tschechen, Ungarn oder Kroaten. Ich will die deutsche Sprache nicht nur deßhalb erhalten wissen, weil sie deutsch ist, sondern auch der Tschechen, Ungarn und Kroaten wegen. Die Ungarn haben eine Litteratur; aber selbst der stolzeste Ungar wird nicht sagen, daß sie sich mit der deutschen messen kann. Die böhmische Litteratur ist noch schwächer, und von einer kroatischen habe ich noch nichts gehört. Die deutschen Schulen in Ungarn, Böhmen und Kroatien werden also nicht allein dem Deutschthum dienen, sondern auch die herrschenden Volksstämme von einer brutalen Verfolgung des Deutschthums abhalten.“ Die Gefahren, welche demselben drohen, hebt auch Karl Schurz hervor. Hat doch neuerdings das Tschechenorgan „Politik“ ausdrücklich erklärt, mit dem Nationalitätenhader gehe es so nicht weiter; er dringe bis in das Heiligthum der Familie und lasse kein Gebiet mehr verschont; alle Fragen der Wissenschaft arteten zuletzt in böswilligen Streit aus, in welchem nationale Mißgunst, Neid und Verleumdungssucht die Hauptrolle spielten. Berufsstände eines und desselben Landes mit gemeinsamen Interessen würden gewaltsam aus einander gerissen. Schurz wies in seiner Rede auf den deutschen Schulverein hin: man richte so oft die Blicke auf die Deutschen in Amerika und wie diese immer, wenn große Wasserfluthen kämen, bereit seien, zu helfen. „Was wir jetzt sehen, ist auch eine Wasserfluth, und zwar eine der schlimmsten Sorte. Als das Hochwasser am Rhein wüthete, wurden Häuser weggeschwemmt; sie konnten wieder aufgebaut werden. Die jetzige Wasserfluth soll deutsches Wesen, deutschen Geist, deutsche Litteratur, deutsches Streben wegschwemmen. Haben wir den Leuten am Rhein wieder zu Häusern und Aeckern geholfen, so sollten wir den Deutschen in Oesterreich auch wieder zu ihrer Kultur helfen.“ Ernste, schöne Worte, die über den weiten Ocean zu uns herüber tönen und uns daran mahnen, daß gleicher Sinn und gleiches Streben herrscht, so weit die deutsche Zunge klingt.

Ein Bundesgenosse Deutschlands. Der Bundesgenosse des deutschen Reichs, von dem wir hier sprechen wollen, kommt zwar bei einem europäischen Kriege nicht in Frage, wohl aber bei den deutschen Kolonisationsbestrebungen in Ostafrika, wo sie allem Anscheine nach einen sehr günstigen Boden finden. Es ist Mandare, der König von Moschi, auf dessen Reich der Doppelgipfel des afrikanischen Mont-Blanc, des Kilima-Ndscharo, des höchsten Berges im schwarzen Kontinent, herabsieht. Diesen Berg hat der Engländer Johnston bestiegen und in einem interessanten Reisewerk („Der Kilima-Ndscharo“, Leipzig, F. A. Brockhaus) beschrieben, sowie auch Land und Leute der nächsten Umgebung mit glänzendem Kolorit geschildert. Es sind zum Theil paradiesische Landschaften von großem malerischen Reiz, wie geschaffen für europäische Ansiedelung. Der König Mandare begrüßte den englischen Reisenden, indem er, von einer Kriegerschar umgeben, sich dem Zelte desselben näherte. Die Krieger waren in einem Halbkreis geordnet; jeder mußte seine glänzende Speerklinge gerade vor sich herhalten, daß der König wie von einem Halbkreis von Stahl umgeben war. Der Fürst machte anfangs auf Johnston den Eindruck, als ob er ein großes altes Weib sei. „Das gerundete bartlose Gesicht, der etwas zierliche säulenartige Hals, ein voller Busen und über all dem der Haarputz – ein rothes Taschentuch, wie es die Weiber in Sansibar tragen – und die wehenden Falten eines langen verblichenen, um den Leib geschlagenen Tuches machten mich eher glauben, ich sähe ein stolzes Mannweib vor mir, als einen afrikanischen Fürsten in der Blüthe seiner Jahre. Von ansehnlicher Größe, wahrscheinlich 177 bis 180 Centimeter hoch, war er vortrefflich gewachsen, wenn auch die runden Formen seines Umfangs eine Neigung zum Fettwerden bekundeten. Sein Gesicht war eigenartig breit, über die Backenknochen gemessen, die Augenbrauen schön gewölbt, die Nase leicht gekrümmt, der Mund weit mit dünnen Lippen, und das Kinn fest, rund und Entschlossenheit verrathend. Ein Auge war blind und sah irr und glasig aus, das andere aber glänzte wie das eines Adlers und sah funkelnd unter den Brauen hervor. Der allgemeine Eindruck seines Gesichts, besonders die gekrümmte Nase und die starken Backenknochen, erinnerte an die rothen Indianerhäuptlinge von Nordamerika.“ Alles, was Seiner Majestät von Johnston’s Garderobe in seinem Gepäck gefiel, wollte er haben; er begann schon sein erstes Gespräch mit den vielsagenden Worten: „Was Du für hübsche Stiefel hast!“ Johnston meinte, der König sei bereit, sich unter Sansibars Schutz zu begeben und so in den Machtkreis der Engländer zu gerathen; denn der General des Sultans, Mathews, ist ein Britte von Geburt. Statt dessen schloß Mandare ein Bündniß mit den Deutschen ab, von denen er schon früher den „Baroni“, Baron Klaus von der Decken, kennen gelernt. Wir zweifeln nicht, daß auf diesem Gebiete die deutsche Kultur mit der Zeit glänzende Erfolge davontragen wird auch im Verkehr mit den Eingeborenen: denn unser Deutschthum vertritt überall die Humanität, während der Engländer ausschließlich seinen praktischen Zwecken huldigt. So wird gewiß nach hundert Jahren die deutsche Jugend der Umwohner mit dem Alpenstock auf den ostafrikanischen Mont-Blanc wandern, den „Kälteteufelsberg“, wie die Uebersetzung seines Namens lautet, hinauf zu dem ewigen Schnee desselben, an den auch Naturforscher längere Zeit nicht glauben wollten, da der Riesenberg mitten in der heißesten Zone liegt, nur drei Grad vom Aequator entfernt.

Der erste deutsche Verlagsbuchhändler. In der Geschichte des deutschen Buchhandels, welche die Historische Kommission des Börsenvereins der deutschen Buchhändler herausgiebt, werden in der eingehenden und gefälligen Weise, in der das ganze Werk abgefaßt ist, auch die Erfindung der Buchdruckerkunst und die ersten Schicksale derselben geschildert. Interessant ist es zu erfahren, daß der Ruhm Gutenberg’s, des ersten Erfinders derselben, der hier vollständig aufrecht erhalten wird, fast ein ganzes Jahrhundert hindurch verdunkelt war und daß man Fust und Peter Schöffer als die Erfinder dieser Kunst feierte. Namentlich der Letztere ließ durch seine Lohnschreiber das Verdienst Gutenberg’s überall verkleinern. Er war ein spekulativer Kopf und verstand sich überhaupt auf Reklame: er und Fust waren nachweisbar die ersten Händler mit den von ihnen gedruckten Büchern, die ersten Buchhändler; Schöffer aber organisirte dies Geschäft zum ersten Male im größeren Stil; er verschaffte sich einen Vertreter in Paris und verkaufte dort nicht bloß seinen eigenen Verlag, sondern auch die Werke anderer Verleger; er wurde Bürger der Stadt Frankfurt am Main, da diese nahegelegene Reichsstadt mit ihren Messen ihm die beste Gelegenheit zum Absatz seiner Verlagsartikel und zur Anknüpfung neuer Verbindungen bot.

Während der Erfinder Gutenberg verarmte, wurde Peter Schöffer wohlhabend. „In seiner geschäftlichen Thätigkeit,“ heißt es in der „Geschichte des Buchhandels“, „zeigen sich bereits die Grundlinien, auf denen der deutsche Verlags- und Sortimentshandel sich in der Folge weiter entwickelte: Auswahl der zu veröffentlichenden Werke unter bestimmter Rücksichtnahme auf das Bedürfniß und die Bildung der Käufer; Besorgung von Druckaufträgen auf Kosten Dritter; Ausdehnung des Geschäfts durch Errichtung von Filialen nicht bloß in Deutschland, sondern auch im Auslande; Verbindung des Sortimentsbuchhandels mit dem Verlag; Besuch der Frankfurter Messe; öffentliche Ankündigung der Verlagsartikel.“

Schmückung der Kriegergräber bei Metz. Wie bereits im vorigen Jahre an dieser Stelle mitgetheilt wurde (vergl. S. 484), hat der Metzer Turnverein alsbald nach seiner im Jahre 1872 erfolgten Gründung es als eine seiner Aufgaben erkannt, die Kriegergräber bei Metz mit frischen Kränzen zu schmücken, um so das Andenken au die tapferen Kämpfer, welche die großen Siege bei Metz mit ihrem Herzblut erkauften, wachzuerhalten.

Seit einer Reihe von Jahren nehmen auch die Kriegervereine von Metz und Umgebung, welche die gleichen Zwecke verfolgen, einen hervorragenden Antheil an der Gräberschmückung. Außerdem leistet der Turnverein den ferne weilenden Angehörigen, welche sich seiner Vermittelung bedienen wollen, kostenlos jeden auf die Schmückung der Gräber bezüglichen Dienst, indem er aus der Heimat gesandte Kränze auf den Gräbern niederlegt, über deren Zustand berichtet u. A. m. In diesem Jahre findet die allgemeine Schmückung Sonntag den 15. August statt, und der Metzer Turnverein bittet, ihm unter seiner Adresse „Postlagernd Metz“ alle bezüglichen Aufträge rechtzeitig übermitteln zu wollen. Für den pietätvollen Zweck sind im Herbst vorigen Jahres sechs Sammelbüchsen an verschiedenen Orten aufgestellt worden. Als am besten geeignet zur Aufstellung der Sammelbüchsen wurden die Schlachten-Panoramen erkannt. Mit dankenswerther Bereitwilligkeit haben die Direktionen des National-Panoramas in Berlin, des Sedan-Panoramas ebendaselbst, des Panoramas St. Privat in Dresden, desselben Panoramas in Köln, des Panoramas in Leipzig und des Panoramas in Frankfurt am Main die Aufstellung der Sammelbüchsen gestattet. Der Erfolg war ein die Erwartungen weit übersteigender.

G. F.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 555. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_555.jpg&oldid=- (Version vom 21.2.2023)