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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

es z. B. zur raffinirten Gewohnheit des Königs geworden, sich im Wohngemach weit von dem Freunde zu entfernen und ihn häufig mit einem hingeworfenen „Wie?“ „Was?“ zur lauten Wiederholung seiner Sätze zu veranlassen.

  Vierter Brief:

„Lieber Herr Kainz! Es drängt mich, Ihnen für Ihren lieben Brief sowie für die mich ungemein erfreuende Zusendung Ihres Portraites, und die Biographie meinen allerinnigsten Dank von ganzem Herzen auszusprechen. Der Ton in welchem der Artikel gehalten ist, berührte mich wohlthuend.

Das heilige Feuer der hehren Liebe zur Kunst, welches in Ihnen flammt und diejenigen unwiderstehlich mit sich fortreißt, welche wirklich Sie zu hören und zu sehen verdienen, wird, wie könnte man daran zweifeln! triumphirend sich Bahn brechen, und an dieser heiligen Gewalt müssen die Ränke Ihrer Feinde zu schanden werden.

Das Feuer Ihres Geistes möge sie zu Asche brennen Ihre Neider und Widersacher, die ich hasse, als wären es die meinigen.

Darf ich die Zeitschrift behalten? – Seien Sie zum Schlusse, mein Bruder, herzlichst gegrüßt von Ihrem treuen Anhänger und freundschaftlich gesinnten Ludwig. 
Berg, den 17. Juni 1881 (Morgens).“

  Fünfter Brief:

„Lieber Herr Kainz! Volle 8 Tage sind heute dahingeschwunden, seit Sie und ich den Linderhof verlassen haben. Ungemein würde ich mich freuen, zu erfahren wie es Ihnen geht, ob Sie heiter und zufrieden sind und ob Ihre Collegen fortfahren, in dieser ausgesuchten Liebenswürdigkeit Ihnen gegenüber. Ist das bei Gelegenheit des Regimentsjubiläums zur Aufführung gelangende Stück schön und interessant? Welche Rolle haben Sie in demselben? Diesen Abend besuchte ich die Kaiserin[1] in Possenhofen, welche außerordentlich liebenswürdig war, fast 11/2 Stunde ging ich mit ihr im Parke spazieren, auch die kleine Erzherzogin Valerie bekam ich zu sehen und erhielt Jasmin-Blüthen von ihr überreicht.

Vielleicht wird die Reise nach Spanien im Oktober eher aus zu führen sein! Heute will ich die letzten 2 Ackte des neuesten Stückes von Heigel noch lesen und ,Der Traum ein Leben‘ wieder durchnehmen und bei den herrlichen Versen des Rustan, mehr denn je Ihrer gedenken und im Geiste den Zauber Ihrer Stimme mir zurückrufen. Nun Gott befohlen, theurer Bruder, vergessen Sie Ihren Saverny nicht, dessen Gedanken so oft bei seinem Freunde Didier weilen. Herzliche Grüße entsendet

Ihr freundschaftlich gesinnter 
Ludwig. 

Berg, den 18. Juni 1881.

P. S. Sehr gespannt bin ich auf die Nachrichten über die Aufführung des ,Clavigo‘.“

  Sechster Brief:

„Lieber Herr Kainz! Das Vorhaben, welches ich Ihnen zu schildern im Begriffe stehe, hat für mich nur dann Werth und Sinn, wird nur dann mich freuen, im Fall es Ihnen Freude gewährt. – Ich möchte nämlich in ein paar Tagen, wahrscheinlich Montag, den 27. d. M. eine kleine Reise in die klassischen, wunderschönen Urkantone der Schweiz, an die Ufer des herrlichen Vierwaldstädtersees unternehmen; aber nur dann, wenn Sie Lust hätten mitzureisen. – Wäre dieß der Fall, so würden Sie Ihre Reise nach Klosterneuburg etwa um 14 Tage später antreten ohne aber den Aufenthalt dortselbst abzukürzen.

Dieser kleine Aufschub wäre der einzige Unterschied. Diese Reise, von der ich glaube, daß Sie dieselbe in Zukunft kaum bereuen würden, wäre ein kleines Praeambulum zu Unserer Reise nach Spanien, welche aufzugeben ich mich noch nicht entschließen konnte. Falls Sie morgen (den 23.) wegen der Vorstellung (was sehr begreiflich ist,) keine Muße zum Schreiben haben, sind Sie vielleicht so gut, am 24. mir die Antwort zukommen zu lassen und morgen mir mündlich durch Hesselschwerdt Ihren Willen erkennen zu geben. Heute hatte die Kaiserin die

große Güte, mich hier zu besuchen, was mich hoch erfreute. Nun zum Schlusse, theurer Bruder, herzlichen Gruß von

Ihr freundschaftlich gesinnter 
Ludwig. 

Berg, den 22. Juni, Nachts. 1881.“

Im nachfolgenden siebenten Briefe spricht der König von einer Jubiläumsfeier. Es war dies das am 23. Juni 1881 zu feiernde zweihundertjährige Jubiläum des ersten Bayerischen Infanterie-Regiments „König“.

  Siebenter Brief:

„Lieber Herr Kainz! Hier sende ich Ihnen das für Sie bestellte Werk über ,Spanien‘, sowie eines über die ,Schweiz‘ und würde sehr glücklich sein, wenn dieselben Ihnen Vergnügen bereiten. – Nun über jene Jubiläums-Vorstellung vom 23. d. M. Würde ich derselben anwohnen, so wäre dieß für mich eine kalte, steife das Gegentheil von Genuß bietende Repräsentations-Angelegenheit; wenn Ihr Spiel, woran ich nicht zweifle, noch so ausgezeichnet, das Stück noch so interessant sein wird. Der mächtige Eindruck, den das Drama ,Marion Delorme‘ und vor Allem Ihre hinreißende Darstellung als ,Didier‘ auf mich ausgeübt haben, würde natürlich nicht ausgelöscht werden, wohl aber Würde ein dichter, störender Schleier sich für mich darüber lagern; und nicht darf jener gewaltige, poesiedurchwehte Zauber (der mir wenn unentweiht wie bisher, den ganzen Sommer und Herbst verklären wird), zerstört und entheiligt werden. Nachdem ich Ihnen, theurer Didier dieß, wie ich es mußte, geschildert habe, glaube ich, werden Sie Selbst wohl schwerlich mehr den Wunsch hegen, daß ich mich gewissermaßen als Ovationsopfer an jenem Abende preisgebe; der herrliche, poetische Eindruck von damals würde zu sehr dadurch zerrissen werden. Wie freue ich mich um Ihretwillen, daß die Theaterferien bald beginnen werden. Ruhe wird Ihnen wohlthun. Ich fürchte immer, daß Sie Sich bei den Meiningern vor Allem, aber auch wohl vor sowie nach dieser Zeit all zu sehr angestrengt haben und dieses Zuviel würde, wenn Sie nicht rechtzeitig sich schonen, unfehlbar Ihre Nerven überreizen; Sie würden Sich für die Dauer dadurch schaden. Dieß würde mich, da Sie mir so theuer sind und Ihr Wohl und Wehe mir so sehr am Herzen liegt, furchtbar schmerzen. Herzlich freute es mich, aus Ihrem letzten lieben Briefe zu ersehen, daß Sie wohlauf sind und Sie über Ihre Collegen nicht zu klagen haben.

Die Lektüre von Grillparzer’s ,Der Traum ein Leben’ war mir ein hoher Genuß. Dieses tiefpoetische, duftige Stück wünschte ich in die Zahl der nächsten Separatauführuugen eingereiht zu sehen. Ueber Lewinsky’s Auftreten in München Näheres zu hören, würde mich sehr interessiren. Ich kann mir nicht denken, daß N. den ‚Ferdinand‘ befriedigend spielen wird. Tausend herzliche Grüße sendet Ihnen, theurer Bruder

Ihr freundschaftlich gesinnter 
Ludwig. 

Berg, den 22. Juni, Morgens. 1881.“

Josef Kainz war von allen Seiten bestürmt worden, seinen Einfluß beim König geltend zu machen, ihn zu überreden, bei der Festvorstellung erscheinen zu wollen, was der König jedoch ablehnte, um, wie er schreibt, nicht „Ovationsopfer“ zu sein. Den Namen Lewinsky’s nennt der König zum Schluß. Das Gastspiel Lewinsky’s fand zur Zeit in München statt, und der König interessirte sich um so mehr, davon zu hören, als ihm Kainz in begeisterten Ausdrücken von Lewinsky, Krastel und dem Burgtheater im Ganzen vorgeschwärmt hatte.

Der hier folgende Brief enthält Verschiedenes über die Inkognito-Reise des Königs in die Schweiz, die er Ende Juni, von Kainz begleitet, unternahm.

  Achter Brief:

„Lieber Herr Kainz! Recht große Freude bereitete mir Ihr letzter lieber Brief, aus welchem ich ersah, wie sehr Sie Sich auf Unsere Schweizerreise freuen. Dieß erhöht noch um ein Bedeutendes meine eigene Freude auf die in jenem herrlichen Lande mit Ihnen zu genießenden Tage. Je näher der Reisetermin rückt, um so mehr Aengsten scheint der gute Bürkel bekommen zu haben. Mit den sonderbarsten Meldungen und Vorschlägen wurde ich heute von ihm bombardirt. Durchaus wollte er mir heute die Mitnahme noch eines adeligen Cavaliers aufschwatzen. Ginge

Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 477. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_477.jpg&oldid=- (Version vom 15.7.2022)
  1. Hiermit ist die Kaiserin von Oesterreich gemeint, für die der König eine schwärmerische Verehrung hatte. Auch die „kleine Valerie“ war ihm besonders werth und ihr anmuthiger Verkehr ihm erfrischend und wohlthuend.