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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

Deinem Namen verdanken wirst und in der Du ein Jahrzehnt bleiben kannst, ohne vorwärts zu kommen – auf Befehl Deiner Frau.“

Albrecht biß sich auf die Lippen bei diesem mit vollster Rücksichtslosigkeit ausgesprochenen Vorwurf.

„Papa, in diesem Punkte bist Du von jeher ungerecht gewesen, Du hast meine Heirath nie mit günstigen Augen angesehen. Ich glaubte bei meiner Wahl Deines vollen Beifalls sicher zu sein, und Du hast mir beinahe einen Vorwurf daraus gemacht, daß ich Dir eine schöne, geistvolle Tochter aus dem edelsten Hause zuführte –“

„Die uns bis auf diese Stunde fremd geblieben ist!“ ergänzte Steinrück. „Sie hat es noch immer nicht eingesehen, daß sie zu uns gehört, nicht Du zu ihr. Ich wollte, Du hättest mir die Tochter des einfachsten deutschen Landedelmannes in das Haus geführt, statt dieser Hortense de Montigny. Es thut nicht gut, dies heiße französische Blut in unserem alten germanischen Stamm, und Raoul hat nur zu viel davon. Es wird ihm heilsam sein, wenn er in die strenge militärische Zucht kommt.“

„Ja – Du bestehst ja darauf, daß er in die Armee eintritt,“ sagte Albrecht zögernd. „Hortense fürchtet nur – und ich fürchte es auch – daß unser Kind den Anstrengungen nicht gewachsen ist. Es ist ein zarter Knabe, er wird diese eiserne Disciplin nicht aushalten.“

„So muß er es lernen! Dich hat Deine Kränklichkeit allerdings vom Waffendienste ausgeschlossen, Raoul ist gesund, aber es ist die höchste Zeit, ihn Eurer Verweichlichung und Verzärtelung zu entziehen, und die Armee ist gerade die rechte Schule für ihn. Ich will nicht, daß mein Enkel dereinst ein Schwächling wird. Er soll unserem Namen Ehre machen – dafür werde ich sorgen!“

Albrecht schwieg, er kannte den unbeugsamen Willen seines Vaters, der ihm, obwohl er selbst längst Gatte und Vater war, noch unbedingt Gesetze vorschrieb, und Graf Michael Steinrück war der Mann danach, diesem Willen Geltung zu verschaffen.




„Ja, ich kann mir nicht helfen, Hochwürden, ich bleib’ dabei, es ist ein Elend mit dem Menschen. Nichts kann er, nichts versteht er, vom Morgen bis zum Abend läuft er in den Bergen herum, und dabei wird er immer dümmer von Tag zu Tag. Aus dem wird weder ein richtiger Weidmann noch sonst etwas, das ist verlorene Müh’.“

Die Worte kamen aus dem Munde eines Mannes, dessen Aeußeres schon verrieth, daß er sich mit dem Weidwerk abgab. Er war mit Flinte und Jagdtasche ausgerüstet, eine untersetzte, kraftvolle Gestalt, mit breiten Schultern und derben Zügen. Haar und Bart gänzlich verwildert, der Anzug, eine Mischung von Jäger- und Bauerntracht, gleichfalls im höchsten Grade verwahrlost, dazu eine Sprache so derb und rauh, wie sein ganzes Wesen – so stand er vor dem Geistlichen. Die Beiden befanden sich in der Pfarrwohnung von Sankt Michael, dem kleinen, hochgelegenen Wallfahrtsorte des Gebirges, und der Pfarrer, der vor seinem Schreibtisch saß, schüttelte mißbilligend das graue Haupt.

„Ich habe es Euch schon so oft gesagt, Wolfram, Ihr versteht Michael nicht zu behandeln. Mit Schelten und Drohen richtet Ihr bei ihm gar nichts aus, er wird nur noch scheuer dadurch, und ich dächte, er wäre schon scheu genug, wenn er wirklich einmal mit den Menschen in Berührung kommt.“

„Das macht seine Dummheit,“ erklärte der Förster. „Der Bube weiß ja nichts vom helllichten Tage, den muß man derb anfassen, wenn er aufwachen soll, und ich habe es Ihnen ja in die Hand geloben müssen, Hochwürden, ihn nicht mehr zu schlagen.“

„Und ich hoffe, Ihr habt Wort gehalten. Es ist viel an dem Kinde gesündigt worden, Ihr und Eure Frau habt es ja fast täglich gemißhandelt, ehe ich hierher kam.“

„Das war ihm gesund! Alle Buben brauchen Schläge, und der Michel hat von jeher die doppelte Portion gebraucht. Nun, er hat sie auch reichlich bekommen; wenn ich aufhörte, da fing meine Frau an, aber geholfen hat es nie etwas, und klüger ist er auch nicht dadurch geworden.“

„Nein, aber er wäre zu Grunde gegangen an dieser rohen Behandlung, wenn ich nicht eingeschritten wäre.“

Wolfram lachte laut auf.

„Zu Grunde gehen? der Michel? Der hätte das Zehnfache ausgehalten, er hat ja eine wahre Bärennatur. Es ist wirklich eine Schande mit dem Burschen, er ist so stark, daß er Bäume ausreißen könnte, und läßt sich hänseln von den Dorfbuben, ohne einen Finger zu rühren. Ich weiß schon, warum er heute wieder nicht mitging, sondern absolut nachkommen wollte. Er will nicht mit mir durch das Dorf, lieber macht er den Umweg durch den Wald, wie immer, wenn er zu Ihnen geht – der feige Bub’ der!“

„Feig ist Michael nicht,“ sagte der Pfarrer ernst. „Das solltet Ihr doch am besten wissen, Wolfram, Ihr habt mir ja selbst erzählt, daß er gar nicht zu bändigen ist, wenn er mit seinem Jähzorn losbricht.“

„Ja, dann ist er eben verrückt, und dann muß man ihn laufen lassen. Wenn ich nicht wüßte, daß hier oben bei ihm nicht Alles richtig ist, dann würde ich noch ganz anders mit ihm umgehen, aber ein Kreuz ist’s doch! Es ist nur merkwürdig, daß er so gut schießt und trifft, wenn er nämlich das Wild sieht, aber das kommt nicht oft vor. Er guckt sich die Bäume und den Himmel an, und derweil läuft ihm der Zwölfender vor der Nase vorbei. Ich bin nicht neugierig, aber das möchte ich doch wissen, wo dies Mondkalb eigentlich herstammt!“

Um die Lippen Valentin’s zuckte es schmerzlich bei den letzten Worten, aber er erwiderte ruhig:

„Das kann Euch ja gleichgültig sein. Bringt nur Michael nicht auf solche Ideen, er fängt sonst an darüber nachzugrübeln und stellt Euch Fragen, die Ihr ihm nicht beantworten könnt.“

„Dazu ist er viel zu dumm!“ behauptete der Förster, für den diese Eigenschaft seines Pflegesohnes ein Dogma zu sein schien, das unerschütterlich feststand. „Ich glaube, er weiß nicht einmal, daß er überhaupt geboren ist. Aber da schlägt mein Tyras an, er wird den Michel gesehen haben.“

In der That vernahm man draußen das freudige Gebell eines Hundes und nahende Schritte, und gleich darauf trat Michael ein.

(Fortsetzung folgt.)




Der Phönix.[1]
Von Franz Herzfeld.

Hamburgs Flotte liegt in der Bucht von Cadix.
Sie umdrängt den Phönix, die Kriegsfregatte,
Die ihr Schutz gewährt vor der Türken-Yachten
0 Enger Belag’rung.

5
Rings auf hohem Meere der Feinde Flotte

Möchte gern das reiche Geschwader plündern,
Doch es sperrt die Bucht der gewalt’ge Phönix
0 Mächtig gewaffnet.

Auf dem Deck des Schiffs, zu den Masten blickend,

10
Steht der Admiral mit den Officieren:

„Was doch will das Kreischen des blut’gen Vogels
0 Hoch aus den Raaen?“

Sieh! Was huscht dort leis von dem Borde seewärts?
„Ha! Ein Brander! Ließ ihn die Wache nahen?

15
Eine Salve drauf! Zu den Innenräumen

0 Folgt mir ein Fähnlein!“

Da mit Keuchen schreit der Kajütenwächter:
„Feuerjo! Es brennt in des Schiffes Bauche!“
Alles stürzt von dannen – am Holze knuspern

20
0 Grinsende Flammen –


Alles schwingt die Eimer – Kommandorufe –
Hilfebrüllen glühender Schiffskartaunen –
Ruf nach Booten – – da mit gezücktem Degen
0 Unter das Schiffsvolk

25
Tritt der Admiral: „Wer vom Platz sich rühret,

Ist des Tods! Wo bleibt Euer Eid, Ihr Schurken?“
Neubelebet regen sich hundert Hände –
0 Aber vergeblich!

Bohlen krachen, Böller und Anker schmelzen!

30
Feuersäulen steigen zum Firmamente!

Todte Möven taumeln aus Purpurwolken
0 Nieder in Blutgischt.

Jetzt des Führers eiserne Knie’ umklammern,
Wild gepackt vom Grausen, die Officiere:

35
„Weh! Schon naht das Feuer der Pulverkammer –

0 Rette die Mannschaft!“

  1. Nach einem Bericht in Gustav Freytag’s: „Aus dem Jahrhundert des großen Kriegs“.
Empfohlene Zitierweise:
verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 412. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_412.jpg&oldid=- (Version vom 20.8.2021)