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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

überrascht der Markgraf mit seinen Reisigen die ihres Amtes waltende Fehme und befreit eine Frau, die trotz ihrer Unschuld dem blutigen Urtheil schon verfallen war. Wirkungslos verhallt der Protest des Freigrafen, der das Kreuz drohend erhebt; denn die Macht der entarteten Richter ist bereits gebrochen und die Zeiten sind dahin, da vor dem Freigerichte selbst Fürsten erzitterten. Bei dieser Darstellung machte Hugo Knorr allerdings von der Freiheit des Künstlers Gebrauch, der poetischen Ueberlieferung der Sage treuer zu folgen als der nüchternen Forschung der Geschichtsschreiber. Er hat aber dabei dennoch wahr und volksthümlich eine der großen geschichtlichen Wendungen in dem Leben unseres Volkes dargestellt: den Sieg der lichten Gerechtigkeit über die finsteren Mächte eines zur Willkür und zu Unrecht entarteten Gerichts.


Blätter und Blüthen.

Auerbach’s Hof in Leipzig. (Mit Illustration S. 345.) Es war im Jahre 1420, als Leipzig durch eine Feuersbrunst heimgesucht wurde, die gegen 400 Bürgerhäuser zerstörte, damals hölzerne, großentheils mit Stroh gedeckte Gebäude. Dieser Brand brachte der Stadt neben vielem Jammer auch bedeutende Vortheile, insofern an Stelle der leichten Häuser steinerne Gebäude mit feuerfesten Gewölben und Niederlagen aufgeführt wurden, wie sie sich in vielen Unterbauen der inneren Stadt bis zum heutigen Tage erhalten haben.

Das berühmteste jener nach dem Brande von 1420 entstandenen Kaufmannshäuser wurde „Auerbach’s Hof“. Von der Patricierfamilie Hommelshain, in dessen Besitze sich das Gebäude zuerst befand, erwarb dasselbe im Jahre 1519 der Rektor und Dekan der medicinischen Fakultät Doktor Heinrich Stromer aus Auerbach bei Straubing in Bayern, der bekannte Freund und Verehrer Luther’s, welchen man, nach der Sitte jener Zeit, nach seinem Geburtsorte „Doktor Auerbach“ nannte. Als er 1520 Rathsherr geworden war, kaufte er mehrere Nachbarhäuser, namentlich auch die an den Neumarkt grenzenden, dazu und verband sie (1530 bis 1538) zu einem Grundstücke, das seit dieser Zeit den Namen „Auerbach’s Hof“ führt. Besonders für den Handelsverkehr mit den Reichsstädten Augsburg, Nürnberg, Frankfurt am Main, sowie für die italienischen, französischen und niederländischen Kaufleute war Auerbach’s Hof ein wichtiger Sammelplatz. Hier befanden sich hundert Gewölbe, viele offene Buden, zwei Bilderhäuser nebst schönen Stuben und Logiamentern, und selbst ein Reisigenstall für die Rosse der fremden Kaufleute fehlte nicht. Alle Chronisten Leipzigs rühmen den Reichthum und die Pracht der kostbaren Waaren, welche hier aufgespeichert wurden.

Der seit 1592 in Wittenberg lebende, durch seine trefflichen Witzreden noch jetzt unvergessene Professor Friedrich Taubmann schrieb begeisterte Verse über „Auerbach’s Hof“, und zahllose lateinische und deutsche Reimschmiede ahmten ihm nach. Während der Messen belebte seine Räume der glänzende Dresdener Hof, der Landesadel und überhaupt die vornehmste und reichste Gesellschaft. Die letzten Meßbesuche des sächsischen Fürstenhauses in „Auerbach’s Hofe“ geschahen zu Ende des vorigen Jahrhunderts. Um diese Zeit schwand auch der alte Ruf dieses „Klein-Leipzigs“, von welchem Taubmann einst geschrieben, „daß, wer sich nicht in ‚Auerbach’s Hofe‘ umgeschaut, nicht sagen könne, daß er Leipzig gesehen habe.“ Jetzt haben die Gewölbe, wo einst die Reichthümer aller Zonen auslagen, größtentheils Leipziger Gewerbetreibende inne. Von dem berühmten Weltbazar der letzten drei Jahrhunderte zeigt sich keine Spur mehr.

Vielleicht würde „Auerbach’s Hof“ kaum noch genannt werden, wenn an ihm nicht die Faust-Sage haftete, welche Goethe zu seiner herrlichen Dichtung benutzte, deren Plan er in „Auerbach’s Keller“ entworfen haben soll. Die Erinnerung an den Schwarzkünstler, welcher auf einem Weinfasse aus diesem Keller geritten sein soll, erhalten noch zwei in demselben befindliche, in die Füllungswände einer Wölbung befestigte Bilder mit der Jahreszahl 1525, also des Jahres, in welchem Faust notorisch in Leipzig war. Goethe’s Trauerspiel hat dieser Lokalität Unsterblichkeit verliehen, aber modernen Umgestaltungen ist auch sie nicht entgangen. Hätte Goethe nicht seinen „Faust“ geschrieben, so würde „Auerbach’s Keller“, gleichwie der berühmte Weltbazar in den Hofräumen, wahrscheinlich längst in Vergessenheit versunken sein. Sachverständige Kritik hat ergeben, daß die Jahreszahl 1525 auf den Bildern sich zuverlässig nur auf das Faktum des Kellerrittes, keineswegs aber auf die Ausführung der Malerei bezieht. Nahe liegt die Wahrscheinlichkeit, daß Heinrich Stromer, welcher 1542 gestorben ist, die Bilder als Warnung gegen die Völlerei stiftete. Der obere Keller, wo die Bilder angebracht sind, war im Jahre 1525 noch gar nicht vorhanden, da dieser Theil des Hauses, wie auch eine vorhandene Jahreszahl bezeugt, erst 1530 erbaut worden ist.

Die Baulichkeiten, welche unsere Abbildung zeigt, gehören verschiedenen Zeiten an. Sie sind an der Stelle aufgenommen, wo der eigentliche alte „Auerbach’s Hof“ mit seinen Kaufläden und seinem lebendigen Meßverkehr begann, während die andere Seite nach dem Neumarkt hin Herbergen für die fremden Handelsleute und den Reisigenstall enthielt. In dem großen Gebäude zur Rechten befanden sich die Bildersäle; das kleine Haus mit dem Spitzgiebel wurde das „Juwelierhaus“ genannt, wahrscheinlich weil hier die fremden Goldschmiede ihre Schätze feilboten. Der hinter demselben sichtbare Ausgang führt nach der Grimmaischen Straße, gegenüber dem Rathhause. Rechtsseitlich an dem Vordergebäude, durch welches dieser Ausgang führt, befindet sich eine Treppenpforte, durch welche man nach dem unteren Keller, dem eigentlichen Faust-Keller gelangt. Dieser Keller rührt noch von dem alten Bau aus dem Jahre 1420 her. Durch diese Kellerpforte erfolgte „Faust’s unsterblicher Faßritt“, also nicht nach der Grimmaischen Straße, sondern nach dem Hofe heraus, wie dies auch auf einem der obengenannten Bilder, welches diese Heldenthat des Schwarzkünstlers darstellt, ersichtlich ist.

Hat „Auerbach’s Hof“, jetzt Eigenthum der gräflichen Familie von Veltheim, noch einige Baulichkeiten aus seiner Glanzperiode aufzuweisen, so dürfte hier die Neuzeit ebenfalls bald ihre Forderungen zur Geltung bringen. Es steht eine Renovation des Gebäudekomplexes bevor, durch welche wahrscheinlich auch manche noch damit verbundene Erinnerung weit in das Dunkel der Vergangenheit zurückgedrängt werden wird. Otto Moser.     

Bekämpfung der Frühjahrsfröste. Seit jeher bilden die in der ersten Hälfte des Monats Mai eintretenden Frühjahrsfröste eine von den Landwirthen mit Recht gefürchtete Witterungserscheinung, deren Ursachen die Wissenschaft trotz der sorgfältigsten Beobachtungen bis jetzt mit voller Gewißheit nicht erforschen konnte. Glücklicher Weise treten diese Rückfälle der Kälte nicht in jedem Jahre ein; oft genug ist aber durch dieselben die gesammte Wein- und Obsternte ganzer Landstriche vernichtet worden.

In neuerer Zeit hat man hier und dort das Eintreten der Frühjahrsfröste durch Erzeugung „künstlicher Wolken“ zu verhindern gesucht, indem man rings um die Weinberge und Obstgärten mit Theer getränkte Blätter- und Strohhaufen anzündete. Dieses Verfahren wurde durch den Inspektor der Telegraphen zu Mont de Marsan, Lestelle, in sinnreicher Weise vervollkommnet.

In der Mitte der Anlage wird nach der Anordnung Lestelle’s ein Thermometer aufgestellt, welches mit einer elektrischen Batterie in Verbindung gebracht und derartig konstruirt ist, daß der Strom sofort geschlossen wird, wenn die Temperatur einen so niedrigen Grad erreicht, daß das Eintreten des Frostes mit Sicherheit anzunehmen ist. Von dem Thermometer und der galvanischen Batterie laufen Leitungsdrähte nach verschiedenen Punkten des Weinberges und münden hier in Zünder, die mit Schießbaumwolle und Pulver gefüllt sind. Rings um diese Zünder sind leicht brennbare, in Theer getränkte Stoffe aufgehäuft.

Wird nun am Abend der Himmel klar und steht ein Nachtfrost zu erwarten, so kann der Landwirth unbesorgt sich zur Ruhe niederlegen, der Apparat wird von selbst im richtigen Augenblicke eingreifen; denn sobald die Temperatur auf zwei Grad über Null sinkt, wird durch das Thermometer der galvanische Strom geschlossen, er läuft durch die Leitungsdrähte zu den Zündern und läßt mit einem Schlage alle Feuerherde rings um den Garten aufflammen.


Skataufgabe Nr. 2.
Von K. Buhle.

Die Mittelhand sagt auf folgende Karte:

Eichel (tr.)-Solo an und verliert das Spiel, denn sie bekommt nicht mehr als höchstens 9 Augen.

Wie sitzen und fallen die Karten?


Auflösung der Skataufgabe Nr. 1 auf Seite 308.[1]

Die Vorhand, welche von Hinterhand bis Eichelsolo getrieben war, spielt Grand, und eD. und sD. liegen im Skat. Die Karten waren so vertheilt:

0Vorhand: rW, sW, gD, gZ, gK, gO, g7, rD, sZ, s9,
Mittelhand: eZ, g9, g8, gO, r9, r8, sK, sO, s8, s7,
Hinterhand: eW, gW, eK, eO, e9, e8, e7, rZ, rK, r7.

Nach den in der Aufgabe gegebenen 4 Stichen muß der Spieler alle übrigen Stiche bekommen.



  1. Abkürzungen: e., g., r., s. = Eicheln (tr.); Grün (p.); Roth (c.); Schellen (car.), W., D., Z., K., O.,, 9, 8, 7 = Wenzel (B.), Daus (As), Zehn, König, Ober (Dame) etc.



Inhalt: Die Lora-Nixe. Novelle von Stefanie Keyser (Fortsetzung). S. 345. – Vorabend. Gedicht von Uhland. Mit Illustration S. 349. – Allerlei Nahrung. Gastronomisch-naturwissenschaftliche Plaudereien. Von Carl Vogt. S. 350. – Ein Deutscher vom rothen Kreuz. Erinnerung an den serbisch-bulgarischen Krieg, December 1885. Von Karl Braun-Wiesbaden. S. 352. – Mit Illustrationen S.352 und 353. Was will das werden? Roman von Friedrich Spielhagen (Fortsetzung). S. 354 – Die deutschen Fehmgerichte in Wahrheit und Dichtung. Von Fr. Helbig. S. 358. Mit Illustration S. 357. – Blätter und Blüthen: Auerbach’s Hof in Leipzig. Von Otto Moser. S. 358. Mit Illustration S. 345. – Skataufgabe Nr. 2. Von K. Buhle. – Auflösung der Skataufgabe Nr. 1 auf Seite 308. S. 360.


Verantwortlicher Herausgeber Adolf Kröner in Stuttgart. Redakteur Dr. Fr. Hofmann, Verlag von Ernst Keil’s Nachfolger, Druck von A. Wiede, sämmtlich in Leipzig.
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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Leipzig: Ernst Keil, 1886, Seite 360. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_360.jpg&oldid=- (Version vom 6.3.2023)