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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

Gestade des Meeres, das er in herrlichen Linien einrandet. Ein grünes Vorland zwischen der See und jenen Waldbergen ist von den alten Danzigern mit Landhäusern und Strandkolonien besiedelt worden. Der Geschmack mag da gewechselt haben. Das beweisen zahlreiche Patricierschlößchen an den Abhängen jener Waldhöhen, an den Mündungen der zahlreichen Thalschluchten, welche diese Hügelzüge durchbrechen, das beweist der spätere Aufschwung der Seebadeorte, denen jetzt der Geschmack sich zuwendet. Strom, Meer, Waldberge und als großartige Staffage die alterthümliche thürmereiche Stadt, das vereint giebt den Landschaften der Umgebung von Danzig einen wunderbaren Reiz.

Das Landeshaus in Danzig. Nach einer Photographie.

An der „Langen Brücke“ liegen stets kleine Lokaldampfer zur Abfahrt bereit. Aus der schmalen Wasserstraße des stromlosen Niederungsflusses, aus Häusergiebeln und hohen Thorpforten kommen wir bald hinaus in den breiten Strom. Dort liegen die Gebäudemassen der kaiserlichen Werft, da sehen wir einige der mächtigen Kolosse unserer Marine auf Stapel, da umklammert das eiserne Dock einen Schiffspatienten, der von seinen Rissen, Wunden oder Altersschwächen geheilt werden soll. Abends, wenn elektrisches Bogenlicht die kaiserliche Werft taghell erleuchtet, ist der Anblick noch großartiger. Je weiter wir hinauskommen, desto umfassender wird die Aussicht. Auf halbem Wege nach dem Hafen hält unser Dampfer in Legan, wo auch die Handelsschiffe Rast zu machen pflegen. Dort beginnt eine weite Rundsicht sich zu entfalten. Vorwärts gewendet, umfaßt der Blick den waldigen Höhenzug, der zum Strande hinausläuft, in weiter Bogenlinie das Meer umsäumt und in der steil zur Fluth hinausspringenden Klippe von Adlershorst endet. Zurück gewendet sehen wir die Stadt mit den Thürmen der großen Pfarrkirche und den hohen Glockenspielen St. Katharinens, mit den unzähligen Fialen, Giebeln und alten Thurmklötzen über den Vorgrund des breiten Stromspiegels aufsteigen von hieraus imposanter und wirksamer als von höheren Aussichtspunkten.

Wollen wir am jenseitigen Ufer die kurze Dampferfahrt unterbrechen, so werden wir zugleich eines der interessantesten Werke neuester Zeit auf kurzem Spaziergange besuchen. Alle Spül- und Sinkstoffe, welche früher den Grund und Boden der Stadt verpestet, die Gesundheit ihrer Bürger schwer gefährdet haben, sind durch das vor wenigen Jahrzehnten ausgeführte Kanalisationswerk in ein Netz von Schwemmkanälen geleitet, dann in ein großes Sammelbecken geführt worden, aus dem sie ein Pumpwerk emporhebt, so daß diese Schmutzwasser nun in natürlichem Gefalle innerhalb eines weiten Leitungsrohrs dem kahlen Strandlande zufließen. Dort ziehen sich öde Dünenstreifen hin, todter Sand, der bisher allen Bemühungen, ihm einen Ertrag abzugewinnen, Widerstand geleistet hatte. Nun wird von dieser starren Wüste ein Stück nach dem anderen umgeebnet, von Rinnen durchzogen und dann mit den städtischen Spülwassern überrieselt. Da bildet schnell sich eine Ackerkrume, der durchlassende Dünensand dient als beste natürliche Drainage, das Gefilde ist zur Aufnahme jeder Aussaat bereit. Nun sehen wir auf dem ehemals todten Boden üppige Erdbeerfelder mit Früchten groß wie Taubeneier, die anspruchsvolle Tabakspflanze gedeiht hier kräftig, Kohlköpfe nehmen ganz unglaublichen Umfang an, Halmfrüchte, Gemüse, Gräser liefern erstaunliche Ernten. So überblicken wir jetzt ein weites, prangendes Fruchtgefilde rings umgeben von bleicher, kahler Düne. Von Danzig aus hat sich die Anlage von Rieselfeldern weithin verbreitet.

Bald sind wir am Ziele unserer Dampferfahrt. Der Hafen Neufahrwasser, kaum eine Meile von der Stadt entfernt, liegt vor uns. Dort ankern die ungeheuren Schiffskörper, den mächtigen Leib vollgestaut mit Gütern aus allen Welttheilen, mit dem goldigen Weizen, der aus Polen und dem preußischen Hinterlande hier gestapelt und verladen wird. Dort schlendern wir hinaus zu einem Strandschlößchen mit vollem Ausblick auf das Meer und seine malerischen Uferberge, um uns zu erfrischen. Wir besteigen den Leuchtthurm, gehen auf die Molen, die kräftigen Steinwälle, die man in die See hinaus gebaut hat, um den anlangenden Schiffen eine sichere Einfahrt zu gewähren, wir nehmen ein Bad, und überall finden wir die Aussicht auf Meer und hohes Land, auf die gelben Dünenstreifen zur Rechten, die als natürliche Wälle die Ostsee von dem Süßwasserspiegel des Frischen Haff scheiden, gleich entzückend.

Ein anderer, vielleicht noch schönerer Weg führt uns im hohen Lande hin zu jenen Punkten, die der Danziger mit Stolz als die Perlen seiner Landschaft rühmt. Eine Eisenbahn führt dort auf dem grünen Vorlande zwischen dem Fuß der Hügelzüge und der See hin. zuerst halten wir da an einem Vororte, der in der Oeffnung eines grünen Waldthals liegt, von aussichtsreichen Höhen umschlossen. Hier und längs am Fuße der Waldberge

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Leipzig: Ernst Keil, 1886, Seite 313. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_313.jpg&oldid=- (Version vom 31.7.2018)