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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886)

Blüthen. Die Rathsstuben der städtischen Regenten wurden mit Holzskulpturen an Decken, Thürbrüstungen, Fenstersturz, mit Malereien, Wandbekleidungen ausgestattet, die offenbar die Prachträume im venetianischen Dogenpalaste zum Abbild genommen hatten, und zu allen diesen Verschönerungen des Alten kam mancher stolze Neubau. Da waren die Motive fast ausschließlich den Rathspalästen, Gildenhäusern, Monumentalbauten der Holländer in Leyden, Harlem, Delft entlehnt. Das Zeughaus, einige Thore sind wundervolle Schöpfungen aus der Zeit der üppigsten Hochrenaissance.

Die Privathäuser haben aber nicht zurückbleiben wollen, vielleicht ist durch sie sogar die Umwandelung begonnen worden. Da sehen wir nun ein interessantes, völlig eigenartiges, ungemein reizvolles Bild entstehen. Der mittelalterliche Hauscharakter der Stadt bleibt unverändert, keinem der Bürger ist es eingefallen, sein Haus ähnlich dem venetianischen oder holländischen umzubauen. Ueber die spitzen Giebel, die schmalen Pfeiler, die enge Façade des dreifensterigen Hauses wird aber ein Gewand des kostbarsten Schmuckes gebracht. Blüthen schwellen in den Regentraufen hervor; Statuen, Reiter zu Pferde, Thiergestalten, Obelisken beleben den Giebel; die Fenster und Thüren werden mit Reliefs von Stein, mit Medaillons und Schnörkeln, Alles reich mit Gold durchblickt, umschlungen: unter Trophäen, Waffenbündeln, schmiedeeisernen Blumenranken kam die gothische Hausarchitektur kaum mehr zur Geltung. Einzelne der reichen Patricier ließen damals in Italien ein vollständiges Kleid aus gemeißeltem Stein mit antiken Heldengestalten, Rittern und allerlei Schnörkel, wie der Zeitgeschmack sie liebte, für ihr Haus nach Maß anfertigen, und dieses ist dann dem mittelalterlichen Bau vorgelegt worden. Damals wurden auch die „Beischläge“ mit in diese Umgestaltung hineingezogen. Von den etwas hoch gelegenen Hausthüren hatten in frühester Zeit offenbar Stege durch den Straßenkoth hinab auf den Fahrdamm geführt. Diese mögen später erweitert, befestigt, endlich eine altanartige Basis des Hauses geworden sein, auf der die Familie Blumen zog, Kaffee trank, frische Luft schöpfte, Ersatz fand für den gänzlichen Mangel an Hof oder Gärtchen hinter dem Hause. Eine Treppe führte dann von der Plattform hinab auf die Straße. In der geschilderten Zeit nun sind diese Beischläge ebenfalls reich geschmückt worden. Mächtige Kugeln von Stein, Gitter von Schmiede-Eisen, Steinschranken ganz mit Reliefs bedeckt, Balustraden, Alles hübsch durch Vergoldung gehoben, ließ diese Beischläge als harmonischen Abschluß, eigentlich als breit ausladende Basis der Häuser erscheinen. Die malerischen Straßenperspektiven, welche so viele der alten Gassen Danzigs uns bieten, würden zerstört werden, wenn man diese Beischläge entfernen wollte. In einigen der Hauptstraßen hat dies leider aus Rücksicht auf den stark angewachsenen Verkehr geschehen müssen.

Danzig behält bei allen diesen Wandlungen immer den Charakter einer Seestadt, durchzogen von breiten Wasserstraßen, welche die Schiffe bis mitten ins Herz derselben tragen. Zwar berührt der Weichselstrom dieselbe nicht, er rollt sein gelbes Wasser eine Stunde ostwärts an ihr vorüber, aber ein stilles, fast stromloses Wasser, das alle Abflüsse des weiten Niederungslandes in sein Bett aufnimmt und sie weiter abwärts in den Hauptstrom trägt, dient als sichere und bequeme Kanalstraße. An seinen Ufern münden die Hauptstraßen der Rechtstadt aus, da erheben sich alterthümliche hochbethürmte Thore, da sehen wir noch runde Cylinderthürme, wohl Reste früherer Befestigungen. Da wachsen die Giebel steiler an, da drängt aber auch das Leben sich dichter zusammen. Auf dem Bollwerk, das dieser Wasserstraße entlang läuft und die „Lange Brücke“ heißt, finden die Schiffer und Seefahrer nicht nur Kneipen, in denen sie sich den fetten Aal, die geräucherte Flunder, den marinirten Hering munden lassen, Rum oder Wachholderschnaps trinken, da machen sie auch ihre Einkäufe an wollenen Hemden, blauen Jacken, rothen Leibbinden und Südwestern. Hier strömen ebenfalls die Lustfahrer zusammen, die im Dampfboot zum Ausfluge den nahen Badestrand aufsuchen, hier an der langen Brücke weilt auch der fremde Besucher gern, denn eine malerischere Straßenperspektive findet er kaum als den Blick auf das von Segeln, Dampfern, Booten und Kähnen belebte Wasser, umrahmt von alterthümlichen Häuserfronten. Das ist etwas, das nur allein Danzig zu bieten vermag.

(Schluß folgt.)

Gewitter und Blitzgefahr.

Es ist eine nicht mehr zu bestreitende Thatsache, daß in Deutschland eine stetige Zunahme der Blitzschäden stattfindet und zwar eine Zunahme, die sehr erheblich, ja bedenklich groß ist. Aus den Untersuchungen von Bezold’s ergiebt sich für Bayern, daß, während im Laufe der dreißiger und Anfangs der vierziger Jahre von einer Million Gebäude im Durchschnitt jährlich 32 vom Blitze beschädigt wurden, zu Anfang der achtziger Jahre unter einer Million durchschnittlich 97 diesem Schicksale anheim fielen. Die Gefährdung der Gebäude durch den Blitz hat sich also innerhalb des angegebenen Zeitraums geradezu verdreifacht! Für das Königreich Sachsen ist die Zunahme der Blitzschläge ebenfalls konstatirt. In dem dreißigjährigen Zeiträume von 1841 bis 1870 fielen nach Freyberg in Sachsen 2140 Blitzschläge auf Hochbauwerke aller Art, so daß durchschnittlich 72 Blitzschläge in einem Jahre vorkamen. Für den zwölfjährigen Zeitraum von 1871 bis 1882 findet sich eine Gesammtzahl von 1826 Blitzschlägen, im Durchschnitt jährlich also 152, mithin auch hier eine enorme Zunahme. Ueberhaupt gehört Sachsen zu den am meisten durch den Blitz gefährdeten Theilen Deutschlands, wird jedoch noch von einigen westdeutschen Distrikten, z. B. Theilen der Provinz Westfalen, übertroffen. Wie für Bayern und Sachsen, so zeigt sich nach den Zusammenstellungen von Holtz überhaupt in West-, Nord- und Ostdeutschland eine Zunahme der Blitzgefahr für Gebäude, die wenigstens bis zum Jahre 1854 hinaufreicht. Diese Zunahme ist jedoch keineswegs für Stadt und Land gleich groß, vielmehr ergiebt sich, daß ländliche Gebäude zunehmend mehr vom Blitze bedroht werden, als städtische.

Merkwürdig ist, daß die Zunahme der Blitzgefahr sich auch bezüglich der Forstbäume zeigt. Herr Forstmeister Feye in Detmold hat in den fürstlich Lippe’schen Oberförstereien seit 1874 in umfassender Weise Beobachtungen an Waldbäumen anstellen lassen. Hiernach fanden in den drei Jahren 1874 bis 1876 im Ganzen 91 Blitzschläge gegen 110 Bäume statt, in den drei Jahren 1878 bis 1880 dagegen 106 Blitzschläge gegen 129 Bäume, außerdem traf ein Blitz das Hermannsdenkmal. Am meisten den Blitzschlägen ausgesetzt erwies sich die Eiche, etwa ein Drittel so häufig wurden sonstige Laubhölzer, noch seltener Nadelhölzer getroffen, am seltensten Buchen. „Der trockene Kalkboden,“ sagt Dr. Häpke, dem ich diese Thatsachen entnehme, „den die Buche am meisten bevorzugt, hat von den Bodenarten die geringste Anziehungsfähigkeit für den Blitz, weßhalb dieser Baum am seltensten getroffen wird. Thatsächlich liegt also doch der von Alters her bekannten Sage, die Buche sei vor dem Blitze gefeit, etwas Wahres zu Grunde. Die geringe Blitzgefahr für Gebäude etc. in Göttingen, Halle etc. läßt sich somit genügend aus dem in diesen Gegenden vorherrschenden Kalkboden erklären. Alle Bodenarten übertrifft an Anziehungsfähigkeit für den Blitz der Lehm, der besonders mit sandiger Beimengung der Eiche zusagt. Diese ist daher unter allen Bäumen am meisten dem Blitzstrahl ausgesetzt. Vielleicht liegt hierin auch der Grund, warum schon die alten Germanen die Eiche als Sitz des Donnergottes verehrten.“

Was die Ursache der zunehmenden Häufigkeit der Blitzschläge anbetrifft, so ist sie wesentlich in den durch die fortschreitende Kultur und Industrie geschaffenen Veränderungen zu suchen, weit weniger oder gar nicht in einer Zunahme der Häufigkeit und Heftigkeit der Gewitter an und für sich. Dr. Holtz, dem die Wissenschaft eine sehr eingehende Untersuchung über den in Rede stehenden Gegenstand verdankt, weist sehr richtig darauf hin, daß sich der Zug des Gewitters wesentlich nach dem Laufe von Flüssen und dem Bestande von Waldungen richtet. Nun liegen die bei weitem meisten Gebäude mehr in der Nähe von Flüssen als von Wäldern, und hieraus folgt, daß die Blitzgefahr für Gebäude sowohl von der Reichhaltigkeit der Flüsse, als von der Reichhaltigkeit der Wälder abhängig ist, und daß sie wachsen muß, wenn unter sonst gleichen Verhältnissen die Reichhaltigkeit der Wälder eine Abnahme erfährt. „Neben der Entwaldung,“ so betont

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Leipzig: Ernst Keil, 1886, Seite 299. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_299.jpg&oldid=- (Version vom 29.2.2024)