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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886)


Heimkehr vom Markt. Seit den Tagen, in welchen Karl von Piloty noch als Professor an der Münchener Kunstakademie thatsächlich die Führung dieser Anstalt übernahm, hat kein anderer Lehrer an derselben solchen Einfluß auf die Schüler zu gewinnen vermocht als Wilhelm Diez, dem wir das Original unseres Holzschnittes „Heimkehr vom Markt“ verdanken.

Wilhelm Diez ward am 17. Januar 1839 in Baireuth geboren, besuchte die Gewerbeschule seiner Vaterstadt und erhielt an derselben auch den ersten Zeichenunterricht, worauf er 1853 an die Münchener Akademie übertrat und sich an ihr etwa dritthalb Jahre fortbildete. Im Hinblick auf die allgemein anerkannte Tüchtigkeit seiner Leistungen wurde ihm 1871 die Leitung einer Malklasse und im folgenden Jahre eine Professur an derselben Akademie, deren Zögling er gewesen, übertragen. Diez behandelt mit Vorliebe und eingehender Kenntniß Stoffe aus dem Kriegs- und socialen Leben des sechzehnten und siebzehnten Jahrhunderts, wobei er das kulturgeschichtliche Element mit schlagendem Erfolge betont und sich an die hervorragenden Meister jener Periode anlehnt, ohne sie sklavisch zu kopiren. Auch sein Vortrag mit dünner Farbe und spitzem Pinsel erinnert an sie, hat aber hier und da etwas Runzeliges, während sein Kolorit durch einen feinen Silberton das Auge wohlthuend berührt. Bei der schlagenden Charakteristik seiner alten Bauerfrau kann sich unser Kommentar zum Bilde auf einige wenige Worte beschränken. In der nahen Stadt war Jahrmarkt und damit den benachbarten Dörflern Gelegenheit gegeben, ihre Waare an den Mann zu bringen. Es mögen wohl junge Hühner, fette Gänse und quiekende Ferklein gewesen sein, die unsere Bäuerin an den Sattelknopf hing, eh’ sie sich selber auf den Rücken ihres Rößleins – nicht schwang, denn dazu erscheint sie nicht mehr elastisch genug, sondern – heben ließ. Bis zum 14. Jahrhundert hatten Klöster und Adel ihre leibeigenen Bauern im Ganzen gut gehalten, gegen das Ende des 15. aber drückte Alles auf dieselben und das 16. ging mit ihnen nicht besser um. Die uns vom Künstler vorgeführte, den Gewinn ihrer Marktgeschäfte überzählende Bauerfrau gehört immerhin noch zu den wohlhabenderen, die über schlechte Zeiten nicht zu klagen braucht. Karl Albert Regnet.     

Heimkehr vom Markt.0 Nach dem Oelgemälde von Wilhelm Diez.

Hasen in Wassersnoth. (Mit Illustration S. 269.) Der Winter ist plötzlich gewichen, überall schmilzt der Schnee, dazu hat der Himmel seine Schleusen geöffnet und es in Strömen regnen lassen auf Gerechte und Ungerechte. Zu Ersteren dürfen wir wohl den Freund aller Jäger, den guten Lampe, zählen. Thut er doch Niemand etwas zu Leide, wogegen die Welt ihm mit schnödem Undanke lohnt. Von Mensch und Thier wird er verfolgt, nun kommt auch noch das nasse Element und erklärt dem Wehrlosen den Krieg. Weithin sind Wiesen und Aecker überschwemmt, gleich Inseln ragen die Dächer der Häuser aus der weiten Wasserfläche empor, und nur der schmale Damm, welcher den Fluß umsäumt und das tiefer liegende Land gegen die Fluthen schützen soll, ist zum Theil noch trocken, während er hier und da bereits dem Drucke der Wogen hat weichen müssen, die jetzt auch die wenigen, noch stehen gebliebenen Theile seiner Krone zu stürzen trachten. Auf jene trockenen Stellen haben sich zwei Mitglieder der Sippe Lampe gerettet. Verschiedene ihrer Gefährten sahen sie bereits im Kampfe mit dem nassen Elemente untergehen, sie allein sind dem furchtbaren Geschick entgangen. Schon beginnen sie zu hoffen, daß es ihnen noch einmal vergönnt sein werde, einer winterlichen Treibjagd beizuwohnen – läßt doch die sichere Gefahr der Gegenwart die nur mögliche, wenn auch furchtbare der Zukunft selbst einem Hasenherzen gering erscheinen – da werden sie plötzlich zu ihrem Entsetzen gewahr, daß das Wasser von Neuem zu steigen beginnt. Und nun hoppeln sie verzweifelt auf dem Damme hin und her, bis sie endllch, da der Boden bereits unter ihren Läufen zu wanken beginnt, an einer schräg über den Fluß hängenden Weide Halt machen. Erst versucht der Eine, an der rauhen Fläche emporzuklettern. Die ungewohnte Arbeit gelingt ihm, geborgen hockt er, zitternd vor Frost und Nässe, hoch oben, wo die Aeste der Krone beginnen; vorsichtig folgt ihm nun der Andere.

Auch er hat bereits den sichern Standpunkt erreicht, er hält sich für gerettet, als er plötzlich ein Plätschern am Fuße des Baumes vernimmt. Er wendet sich, eng schmiegt er sich an den Leidensgefährten, indem er, von Entsetzen gepackt, der neuen Gefahr entgegenblickt. Doch auch diese geht gnädig vorüber: es ist nur ein dritter Leidensgefährte, der den Weg zum rettenden Baumstamm gefunden. Wünschen wir dem schwer geängstigten Kleeblatt, daß es das Fallen des Wassers erlebe und in den frisch aufgrünenden Kohlgärten die rauhen Tage der Ueberschwemmung vergesse. F.     

Die Wiederherstellung der Marienburg. Es war im Jahre 1881, als der nunmehr verstorbene Dr. Marschall in der „Gartenlaube“ einen Artikel veröffentlichte, welcher in beredten Worten die Wiederherstellung des Hochschlosses der Marienburg, des von dem Deutschen Orden errichteten Monumental-Baues, als eine Ehrenschuld der deutschen Nation hinstellte. Und dieser Ruf ist nicht ungehört verklungen. Man ist sich der Ehrenschuld bewußt geworden, die alte ehrwürdige Burg gilt nicht mehr als „formloser Steinhaufen“, sondern aus den Trümmern und Schuttmassen, aus den verwitterten Mauern mit ihren Magazinluken ersteht nun langsam ein Phönix mittelalterlicher Baukunst, der in seiner Pracht und Schönheit einzig dasteht. – Der Verein zur Ausschmückung und Herstellung der Marienburg, welcher seit seiner Gründung im Jahre 1879 eifrig und thatkräftig bestrebt war, das große Werk zu fördern, hat bekanntlich die staatliche Genehmigung zu einer großen Lotterie erwirkt, deren Ertrag die Erfüllung der Ehrenpflicht in nahe Aussicht stellt. Wahrlich zu den schönsten Hoffnungen berechtigen uns die Restaurirungspläne, welche der mit dieser Arbeit betraute Regierungsbaumeister Steinbrecht in einer kürzlich veröffentlichten Broschüre bekannt machte. Nach seiner Aussage existirt kein zweiter Bau aus jener Zeit, der einerseits diesem an Schönheit, Größe und Gediegenheit gleichkommt und andererseits so getreu historisch wieder hergestellt werden kann. Die Forschungsresultate haben derartig feste und unwiderlegbare Anhaltspunkte über die frühere architektonische Beschaffenheit des Bauwerks gegeben, daß das stolze „hohe Haus“ ganz in seiner alten Würde neu erstehen wird. T. S.     

Heim für deutsche Erzieherinnen in Paris. Das unter dem Protektorat der deutschen Kronprinzessin stehende Heim für deutsche Erzieherinnen und Bonnen in Paris (vergl. „Gartenlaube“ Nr. 9) ist nunmehr eröffnet worden. Dasselbe befindet sich in dem zu diesem Zwecke angekauften Hause 21 Rue Brochant. * *     

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Leipzig: Ernst Keil, 1886, Seite 275. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_275.jpg&oldid=- (Version vom 6.12.2022)