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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886)


Blätter und Blüthen.

Pablo de Sarasate. (Mit Portrait S. 113) Unter den berühmten Geigenvirtuosen der Gegenwart besitzt Sarasate entschieden die stärkste Anziehungskraft für das große Koncertpublikum. Und auch der strengere Kunstkenner, der solche Anziehungskraft nicht als entscheidenden Maßstab für sein Urtheil betrachtet, muß dennoch deren volle Berechtigung anerkennen. Denn sie ist bei Sarasate eine Art von elektrischer Wirkung, sie entfließt seiner Individualität, seiner eigenthümlichen und musikalischen Persönlichkeit. Man kann der musikalischen Richtung eines andern Geigers mehr Sympathie entgegen bringen; man kann mehr für Joachim schwärmen, dem die Geige eigentlich nur als Kunstmittel dient. Aber Niemand kann behaupten, daß heute irgend Einer vollendet schöner Geige spielt, als Sarasate, und Niemand kann sich der augenblicklichen Wirkung entziehen. Die sinnliche Klangwirkung seines Tones, die Glockenreinheit in den höchsten Lagen ist bezaubernd; die Sicherheit und Eleganz seiner Technik ist unvergleichlich, dem Hörer wird recht behaglich zu Muthe, wenn Sarasate leicht spielend die größten Schwierigkeiten sozusagen hinwirft, die Andere nur mit Anwendung großer Aufmerksamkeit überwinden. Sein Vortrag ist immer feurig und geschmackvoll, man wird nie eine unnoble Färbung, einen zu scharfen Accent von ihm vernehmen. und was als Zeichen echt künstlerischen Strebens hervorzuheben ist: er ist noch im steten Fortschreiten begriffen, bei jeder Wiederkehr giebt er neue Beweise ernsten Studiums.

Pablo de Sarasate ist im März 1844 in Pamplona geboren. Sein Vater war Militärkapellmeister und ein tüchtig gebildeter Musiker.

Der Knabe zeigte schon im vierten Jahre entschiedenes Talent zur Musik. im siebenten spielte er bereits im Theater in Corunna, wohin der Vater versetzt worden war. Im achten kam er nach Madrid und wurde der Liebling der Königin Isabella. In der spanischen Hauptstadt genoß er auch zum ersten Male gründlichen Unterricht. Sein Lehrer, Manuel Rodriguez, der noch heute als alter Herr in Cartagena lebt war kein glänzender Virtuose, aber ein gediegener Musiker. Als Pablo zwölf Jahre alt war, brachte ihn seine Mutter nach Paris und verschaffte ihm da Eintritt ins Konservatorium. Bald überflügelte er alle seine Mitschüler, errang immer die ersten Preise und gewann auch die Liebe der Direktoren dermaßen, daß ihn einer derselben, Monsieur de la Sabathie, als Pflegesohn annahm. Dreiundzwanzig Jahre alt, begann Sarasate seine Reisen. Zuerst mit Strakosch für drei Jahre nach Amerika, dann mit Ullman in Frankreich, Belgien, Holland etc. Im Jahre 1876 kam er nach Deutschland und trat zuerst im Leipziger Gewandhause auf, mit ganz ungemeinem Erfolge. Seither ist er in England, Rußland, Frankreich und in seinem Vaterlande aufs Glänzendste gefeiert worden, kommt aber jeden Winter nach Deutschland.H. Ehrlich.     


Wieviel trank ein alter Römer auf einmal? Wir finden in der Naturgeschichte des älteren Plinius im 14. Buch eine sehr interessante Abhandlung über den Weinstock, den Weinbau und den Weinverbrauch in der Zeit der römischen Kaiser. Wir erfahren unter anderem daraus, daß die Sitte, den weißen Wein mit Pinienharz zu versetzen, das ist zu pichen oder zu refiniren, wie wir solche bei den heutigen Griechen finden, damals schon in weiter Ausdehnung herrschte. Zum Schlusse erzählt uns denn auch noch Plinius von den größten Weinschwelgern seiner Zeit. Das damals übliche Weingefäß war der Congius. Er enthielt etwas mehr als ein Liter. Die größten Pokale aber hielten drei Congius oder 972/100 Liter, oder rund 10 Liter jetzigen Maßes. Einen solchen Pokal von 10 Liter schweren Weines konnte damals Novellius Torquatus auf einen Zug und ohne abzusetzen austrinken. Der Kaiser Tiberius, der selber in seinen jüngeren Jahren ein großer Weinschwelger gewesen, wohnte einer solchen Trinkprobe in höchsteigener Person bei, und Plinius unterläßt nicht zu notiren, daß gedachter Trinkkünstler, welcher den Ehrennamen Tricongius (oder Zwölfflaschen-Mann) führte, sich einer hohen Achtung erfreute (!) und alle Ehrenstellen, vom Prätor bis zum Prokonsul hinauf, bekleidet hatte; sowie ferner, daß „er beim Trinken weder Athem holte noch ausspuckte, und niemals in dem Becher so viel zurückließ, daß diese Tropfen, wenn man sie auf die Tafel ausspritzte, ein Geräusch machten.“ (Auf diese Art machte man damals die „Nagelprobe“.) Neben dem Novellius Torquatus war als Trinker berühmt der Sohn des Redners und Staatsmannes Marcus Tullius Cicero. Dieser junge Marcus studirte in Athen und vertilgte dort Unmassen von Falerner- und Chierwein, während er seinem Vater nach Rom schrieb, wie er ohne Unterlaß die gelehrtesten Rhetoren frequentire und sich sehne, demnächst mit dem Herrn Papa sich über Philosophie und sonstige Wissenschaften zu unterhalten. So weit wie Torquatus aber vermochte es der junge Cicero doch nicht zu bringen. Er war kein Tricongius, sondern nur ein Bicongius das heißt er konnte nicht zwölf, sondern nur acht Flaschen auf einmal austrinken. Nicht minderen Ruhmes erfreute sich Marcus Antonius, der Feind und Mörder des großen Cicero. Indessen schämte sich Antonius durchaus nicht seines Trinkens, sondern schrieb eine dasselbe verherrlichende Schrift, welche er kurz vor der Schlacht bei Aktium herausgab. Man sieht daraus, wie sehr diese Römer die heutigen Engländer übertreffen, welche ihren Fox, um auszudrücken, wie außergewöhnlich viel er trank, als den „Sechs-Flaschen-Mann“ bezeichnen. Was will Fox sagen gegen den Tricongius Torquatus, von welchem Plinius versichert, daß er die zwölf Flaschen in einem Zuge schlürfte, dabei aber „noch ebenso viel in kleineren Zügen nachtrank und doch seine Morgenwache gewissenhaft versah“! Die Schrift des Marcus Antonius ist uns leider verloren gegangen. K. B.     


Die Einführung der Taschentücher stieß auf manche Hindernisse; es gab Zeiten, wo selbst die feinsten Französinnen diesen Gegenstand nicht zu kennen sich den Anschein gaben, der in anständiger Gesellschaft durchaus nicht benutzt werden durfte, den selbst in den thränenvollsten Scenen kein Schauspieler, keine Schauspielerin anzuwenden wagte. Mademoiselle Duchenois war die Erste, welche den Muth hatte, auf der französischen Bühne ein Taschentuch in der Hand zu tragen, aber wenn das Stück die Erwähnung dieses verpönten Stückchens Battist verlangte, sprach sie von ihm als dem „zarten Gewebe“. Entrüstungsrufe wurden laut, als einige Jahre später De Vigne den „Othello“ auf die Bühne brachte und das Wort „Schnupftuch“ ohne Scheu ausgesprochen wurde. Die Kaiserin Josephine machte dieser Prüderie ein Ende. Sie hatte schlechte Zähne und versteckte diese hinter einem mit kostbaren Spitzen besetzten Taschentuche, das sie fast beständig vor den Mund hielt. Die Hofdamen folgten diesem hohen Beispiele, und das Taschentuch nahm seine hervorragende Stelle unter den Gegenständen weiblicher Toilette ein. R.     


Lord und Witzbold. Lord Chesterfield, berühmt durch die Briefe an seinen Sohn, welche ein sehr geistreiches Compendium des „High life“ enthalten, hatte sich seinen berühmten Zeitgenossen, den Doktor Johnson, durch eine unüberlegte Aeußerung zum Feinde gemacht; und da Johnson ein sehr angesehener und gestrenger Kritikus war, so wurde Seiner Lordschaft dies Mißverhältniß unbequem. Auf seine Veranlassung machte einer seiner Freunde den Versuch, den Doktor Johnson zu versöhnen und ihn zu veranlassen, die Gesellschaften des Lords wieder zu besuchen.

„Ach was,“ sagte Johnson, „ich will nichts mehr mit ihm zu schaffen haben.“

„Aber,“ meinte der Andere, „das können Sie doch nicht bestreiten, er ist Einer der Ersten unter den Lords und dabei ein Mann von Geist und ein ausgezeichneter Witzbold.“

„Meinetwegen,“ replicirte Johnson, „unter den Lords mag er ein verhältnißmäßig großer Geist sein, aber unter den großen Geistern ist er doch weiter nichts, als eine Lordschaft." B.-W.


Ausbrüche von Deutschenhaß in der französischen Presse, wie solche unter „Blätter und Blüthen“ in Nr. 9 und Nr. 31, Jahrg. 1884 der „Gartenlaube“ erwähnt sind, sind keineswegs neu. Sie kamen schon lange vor dem deutsch-französischem Kriege vor. So trat Edgar Quinet im Jahre 1843 in der Pariser „Revue des deux Mondes“ gegen die früher von ihm so gefeierten Deutschen mit einem Schmähartikel voller Unrichtigkeiten und Ungerechtigkeiten auf, in dem er versicherte, er habe in Deutschland an den Ufern des Neckars mit eigenen Augen gesehen, wie man bei abscheulichen Festmahlen Franzosenfleisch verzehre. Er versicherte ferner, daß in Deutschland schon Knaben, die eher ihren Vater verleugnen, als ein französisches Wort sprechen dürften, unterwiesen würden, „aus einer Art Glas in Form eines römischen Schädels zu trinken, das deshalb ‚Römer‘ genannt werde.“ Und solchen Blödsinn nahmen die Franzosen ohne erkennbaren Widerspruch entgegen. E. K.     


Das Britische Museum, jenes großartige Nationalinstitut in London, welches seine Gründung wie seine Reichthümer hauptsächlich dem Gemeinsinn edler Bürger verdankt, ist durch Schenkung auch neuerdings wieder um eine Sammlung bereichert worden, die einzig in ihrer Art sein dürfte: um die Vogelsammlung Allan Hume’s, wohl die größte, welche je angelegt worden ist. Dieselbe umfaßt nicht weniger als 62 000 Vogelbälge und außerdem eine Eiersammlung von kaum geringerer Bedeutung. * *     


Ein Trost für Baumeister. Architekten, welchen die Kritik ihrer Werke Aerger verursacht, sollen nach Wernigerode am Harz wandern, wo sie am Rathhaus folgende Inschrift finden:

Der Eine erdacht’s.
Der Andere macht’s.
Der Dritte acht’t’s.
Der Vierte verlacht’s.
0 – Was macht’s?


Elektrische Küstenbeleuchtung. Die Wichtigkeit einer möglichst vollkommenen Küstenbeleuchtung hat in England Veranlassung zu interessanten Versuchen mit verschiedenen Beleuchtungsarten gegeben. Vor etwa einem Jahre wurden bei Süd-Foreland (unweit Dover) neben einander drei je 100 Meter hohe hölzerne Leuchtthürme probeweise eingerichtet und mit Oel-, Gas- und elektrischer Beleuchtung versehen. Die letztere erwies sich bei allen Witterungsarten und namentlich auch bei herrschendem Nebel als die kräftigste und zweckmäßigste, so daß die englischen Behörden sich nunmehr entschlossen haben, an besonders wichtigen Landmarken dem elektrischen Lichte vor Oel- und Gasbeleuchtung trotz erheblich höherer Kosten den Vorzug zu geben. * *     


Ein Mißbrauch des Hopfens. Vor einiger Zeit brachte man in Nord-Amerika und England ein neues narkotisches, schlafbringendes Mittel auf den Markt, welches angeblich aus dem Safte des wilden amerikanischen Hopfens dargestellt werden sollte und darum den Namen Hopeïn erhielt. Der französische Gelehrte Dujardin-Beaumetz beschloß, eingehende Versuche mit diesem weiß-krystallinischen Pulver anzustellen, wurde jedoch von einem seiner Freunde darauf aufmerksam gemacht, daß diese Substanz Morphium enthalten solle. Die chemische Untersuchung des Pulvers ergab in der That, daß dasselbe mit dem Morphium durchaus identisch ist und nur im Preise ein Unterschied zwischen den beiden Droguen besteht; denn während ein Gramm Morphium 50 Centimes kostet, muß man für dieselbe Menge Hopeïn 3 bis 4 Franken bezahlen! Ob denn der wilde amerikanische Hopfen wirklich Morphium enthält? Man zweifelt daran und ist geneigt an eine Mystifikation zu glauben. *     

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Leipzig: Ernst Keil, 1886, Seite 131. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_131.jpg&oldid=- (Version vom 31.1.2024)