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verschiedene: Die Gartenlaube (1886)


Entdeckungsfahrten des deutschen Dampfers „Samoa“.

I. Astrolabe-Bai bis Festungs-Kap.
(Schluß.)
Für die „Gartenlaube“ mitgetheilt von Dr. O. Finsch (Bremen).
Archipel der zufriedenen Menschen. – Insel Grager. – Friedrich Wilhelms-Hafen. – Bewohner. – Dampier-Insel. – Bismarck-Gebirge. – Küstenfahrt ostwärts. – Terrassenland. – Festungskap.

Nördlich von Bilibili erstreckt sich fast 15 Seemeilen lang der „Archipel der zufriedenen Menschen“, ein Labyrinth von Inseln und Wasserstraßen, von dessen Charakter man erst bei näherer Untersuchung Kunde erhält. Gleich hinter der ersten etwas vorspringenden Ecke, die ich später Kap Kusserow nannte, öffnet sich eine solche Wasserstraße, die uns sehr der Untersuchung werth schien. Das Whaleboot wurde daher rasch klar gemacht, und wir ruderten, vorsichtig das Loth werfend, hinein. Bald zeigte es sich, daß das rechte Ufer nicht Festland, sondern eine Insel war, Grager genannt, deren Bewohner in nicht geringe Aufregung geriethen. Die großen, Barun genannten Holztrommeln ließen bald ihren dumpfen Klang ertönen, dazwischen schmetterte die Muscheltrompete, die Krieger zum Kampfe herbeirufend, und bald nahten sich bewaffnete Canus. Obwohl hier bereits eine ganz andere Sprache gesprochen wird, als bei Port Constantin, machte ich den Leuten unsere friedlichen Zwecke bald klar, und mittelst einiger Geschenke hatte ich mir auch hier schnell neue Freunde erworben. Wir fanden an der Westseite von Grager (später von den deutschen Kriegsschiffen Fischel-Insel benannt) eine hübsche Bucht, weit besser und geschützter als Port Constantin, in welcher wir zunächst mit der „Samoa“ ankerten, um von hier dieses Inselreich weiter zu erforschen.

Orientirungsskizze der Astrolabe-Bai.

Unsere Bemühungen wurden auf das Glänzendste durch Entdeckung eines vortrefflichen Hafens belohnt, den wir Friedrich Wilhelms-Hafen benannten. Er liegt unter 5° 14 südlicher Breite, ist ganz von Land umschlossen, hat allenthalben gute Tiefe und Ankergrund, eine gute Einfahrt, die Dallmann-Passage, und ist ohne Zweifel der beste Hafen an der ganzen Nordostküste von Neu-Guinea. Durch eine schmale Bootspassage der Insel Bilia schließt sich ein zweites Hafenbassin an, welches später von den deutschen Kriegsschiffen näher aufgenommen und Prinz Heinrich-Hafen genannt wurde. Beide Häfen sind von dichtem Urwald umgeben, in welchem verschiedenartige Vogelstimmen, namentlich das Kreischen weißer Kakadus widerhallte. Sonst herrschte erhabene Ruhe in diesem majestätischen Waldhafen, dessen Ufer unbewohnt sind. Die Eingeborenen siedeln nämlich auf den Inseln, die ziemlich bewohnt zu sein scheinen, denn es wurden mir die Namen von nahezu 40 Dörfern genannt, die aber meist nur aus wenigen Häusern bestehen.

Weiter im Nordosten erhebt sich hinter dem dichten Urwaldsgürtel eine an 1500 Fuß hohe hübsche Bergreihe, deren höchste Spitze Hansemannberg genannt wurde und die eine gute Landmarke zur Einsegelung des Hafens bietet. Diese Bergkette scheint nach den vielen und ausgedehnten Kulturflecken, die wir später hier bemerkten, ebenfalls ziemlich bewohnt, wie die Umgebung des Hafens selbst schönen fruchtbaren Boden aufweist. Hier liegen auch die Plantagen der Inselbewohner, mit denen wir bald im besten Einvernehmen lebten. Ihre Canus umlagerten uns von früh bis Abends, um Tauschhandel zu treiben, und wir besuchten sie auf unseren verschiedenen Boot-Fahrten auf ihren Inseln und in ihren Dörfern. Die letzteren ähnelten bis auf geringe Abweichungen ganz denen auf Bilibili, wir sahen aber keine so großen Bauten als dort. Schnitzereien als Verzierung gewisser Häuser und Plätze waren nicht selten, meist Darstellungen von Fischen in kennbarer Naturwahrheit. Solche aus Holz geschnitzte Kolossalfische, bunt bemalt und an langen Bambu befestigt, entdeckten wir auf einem freien Platze der Insel Tiar, welchen man uns nur ungern betreten ließ. Jedenfalls stehen solche Plätze unter einem gewissen mit Fischerei verbundenen Tabu, wie diese Insulaner überhaupt geschickte Fischer sind. In Leibesgestalt, Ausputz, Waffen und Lebensweise unterschieden sich die hiesigen Eingeborenen nicht von ihren Nachbarn, z. B. den Bilibiliten, mit denen sie aber zum Theil in Unfrieden leben, denn wir wurden sehr vor diesen gewarnt. Aber das gegenseitige Anschwärzen kommt bei diesen Naturvölkern überall vor: hatten uns doch kurz vorher die Bilibiliten vor den „zufriedenen Menschen“ gewarnt.

Zum großen Leidwesen der Eingeborenen verließen wir Friedrich Wilhelms-Hafen, wohl eine unserer wichtigsten Entdeckungen, in welchem gerade einen Monat später die deutschen Kriegsschiffe (S. M. Schiff „Elisabeth“, Kommandant Kapitän z. S. Schering, und S. M. Kanonenboot „Hyäne“) die Flagge hißten und für Deutschland Besitz ergriffen.

Wir dampften zuerst nach Norden und umschifften die Dampier-Insel, bei den Eingeborenen Kar-kar genannt. Sie besteht im Wesentlichen aus einem an 5000 Fuß hohen stumpfkegeligen Berge, einem erloschenen Vulkan, der mit so dichtem Baumwuchs bedeckt ist, daß man anscheinend nur über die Wipfel auf den Gipfel gelangen kann.

Da wir keinen Ankerplatz fanden, steuerten wir wieder in südlichem Kurs nach Astrolabe-Bai hinunter, um von hier aus die Küste nach Osten abzulaufen. Noch einmal sahen wir Bilibili und die malerischen Ufer von Astrolabe-Bai, die sich diesmal viel großartiger als früher zeigte, denn die frühe Morgenstunde brachte uns die Kammlinie der Gebirge wolkenfrei. So klar ist es hier selten, und so bemerkten wir denn weit, weit im Südwesten eine gewaltige Gebirgskette, die wir vorher nicht gesehen hatten und die wahrscheinlich nur sehr Wenige gesehen haben. Sie liegt jedenfalls ziemlich tief im Innern und ist nach oberflächlicher Schätzung an 16 000 Fuß hoch, jedenfalls das höchste Gebirge an der ganzen Nordostküste, welches ich deßhalb Bismarck-Gebirge benannte. Leider lassen sich Landschaften nicht gut beschreiben, um ein einigermaßen klares Bild zu geben. So verzichte ich daher auf die imposanten Ansichten des Finisterre-Gebirges und der

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verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 111. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_111.jpg&oldid=- (Version vom 19.1.2024)