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Krieger von Bilibili.

dunkelgrünen Ufervegetation markiren, sind, wie wir später inne wurden, ein ziemlich sicheres Zeichen von dem gleichzeitigen Vorhandensein menschlicher Ansiedelungen und werden offenbar von den Eingeborenen kultivirt. Dasselbe gilt für diesen Theil Neu-Guineas, ja für die ganze Nordostküste, bezüglich der Kokospalme, die in Astrolabe übrigens sehr spärlich vorkommt.

Wir waren in der südöstlichsten Ecke der Bai, dem sogenannten Constantin-Hafen, zu Anker gegangen, aber noch immer ließen sich keine Eingeborenen sehen; nur einige Vogelstimmen machten sich bemerkbar. Und diese noch spärlich genug, denn die heiße Nachmittagssonne brannte mächtig herab, und dann schweigt die Vogelwelt meist; nur das Schäkern des nimmermüden Lederkopfes (Tropidorhynchus), die tiefe Baßstimme des Raben (Corvus orru) und kreischende Papageien und Kakadus lassen sich vernehmen. Plötzlich wird die Ruhe durch den Ruf „Kanaka! Kanaka!“ unterbrochen! Das scharfe Auge unserer Mioko-Schwarzen hat Eingeborene in dem Uferdickicht entdeckt. Und wirklich! Da hockt eine lange Reihe dunkler Gestalten, regungslos und bewegungslos wie Bildsäulen; Pfeil und Bogen oder den Wurfspeer sorglich im Arm haltend. Ich ließ sogleich das Boot klar machen und mich ans Ufer rudern. Aber unsere Schwarzen hatten keine Eile, denn sie fürchteten sich, wie stets bei solchen Gelegenheiten, und unseren weißen Matrosen ging es nicht besser. „Es ist doch nicht egal, ob man in die Brust oder in den Rücken gespeert wird!“ meinte Peter und drehte seine Vorderseite den gefürchteten „Wilden“ zu, als wir ihnen längst in Pfeilschußweite nahe waren. Und den „Wilden“ ging es ebenso, das heißt, sie fürchteten sich nicht minder! Kaum stieß das Boot auf Grund, so sprang ich ins Wasser, ging unter unsere neuen Freunde, vertheilte allerlei Kleinigkeiten, schüttelte Dem die Hand, umarmte Jenen und hatte in kurzer Zeit ihr Vertrauen so gewonnen, daß ich gleich eine ganze Bootsladung Eingeborener mit an Bord brachte.

Was die Letzteren anbetrifft, so unterscheiden sie sich in keiner Weise von Bewohnern der Südostküste Neu-Guineas oder Papuas überhaupt, zu denen alle Melanesier gehören. Wie diese sind es mehr oder minder dunkelbraune, zuweilen fast schwarze Menschen, mit kräuslichem, wolligem Haare, machen also ganz einen negerhaften, aber keineswegs abstoßenden Eindruck. Obwohl sie im Ganzen schwächlicher sind als ihre dunklen Brüder in Neu-Britannien, ist ihre Erscheinung schon deßhalb ansprechender, weil sie Alle wenigstens eine gewisse Bedeckung tragen, während jene völlig nackend einhergehen, wie wir dies zuletzt auf den French-Jnseln sahen. Die Männer schlagen ein breites Stück Tapa, das heißt Zeug aus dem Baste des Papiermaulbeerbaumes, sorgfältig um die Hüften; die Weiber, ja selbst ganz kleine Mädchen, sind mit einem langen bis über die Kniee herabfallenden Röckchen aus gespaltener Palmfaser bekleidet. Im Uebrigen kommen noch verschiedene Zierrathen, meist aus Muscheln, Hundezähnen, Fruchtkernen u. dergl. in Betracht, und außerdem bei festlichen Gelegenheiten Bemalen mit rother, schwarzer und weißer Farbe, den Urfarben des Menschengeschlechts. Ausputz von Blumen und buntgefärbten Blättern, neben Federschmuck, spielen eine Hauptrolle, und zwar wiederum vorzugsweise für das starke Geschlecht; denn die Weiber werden bei allen diesen Völkern sehr bescheiden bedacht. Sie entbehren in Astrolabe-Bai sowie fast an der ganzen Nordostküste sogar der Tätowirung, die sonst für das schöne Geschlecht eine besondere Körperverzierung bildet. Ich könnte noch gar Mancherlei über diese Eingeborenen berichten, muß mich aber leider auf Weniges beschränken. Vor Allem ist hervorzuheben, daß sie keine Menschenfresser sind, wie meist irrthümlich von allen Bewohnern Neu-Guineas geglaubt wird. Im Gegentheil, je mehr wir mit ihnen bekannt wurden, um so mehr lernten wir sie als Menschen schätzen, auf welche die landläufige Bezeichnung „Wilde“ in keiner Weise paßt, da sie bereits auf einer gewissen Kulturstufe, derjenigen der Steinzeit, stehen. Dafür sprechen nicht nur ihre socialen Einrichtungen, sondern auch ihre sorgsam gepflegten Pflanzungen und die Geschicklichkeit in Anfertigung verschiedenartiger Geräthe und Zierrathen, die zuweilen von wirklicher Kunstfertigkeit zeugen. So z. B. die geschmackvollen Muster, welche auf Bambusbehältern oder breiten Armbändern aus Schildpatt nur mit Hilfe von Muschel- und Steinwerkzeugen eingravirt werden. Auch in Holzschnitzereien sahen wir sehr beachtenswerthe Leistungen, nicht bloß in Schüsseln und anderen praktischen Geräthschaften, sondern in Erzeugnissen, die ihre Herstellung jedenfalls idealen Eingebungen verdanken. So fand ich im Dorfe Bongu eine an acht Fuß hohe menschliche Figur, einen Papua darstellend, welche sich dreist mit den bewunderten Figuren der Maoris in Neu-Seeland messen durfte. Wie bei diesen scheinen solche hier „Tselum“ genannte Holzbildhauereien Ahnenfiguren darzustellen und haben mit „Götzenbildern“, für welche sie das Laienauge so gern hält, offenbar nichts zu thun.

Wie alle Melanesier sind die Eingeborenen von Astrolabe-Bai hauptsächlich Vegetarianer, die je nach der Saison verschiedene Feldfrüchte in sorgfältig bearbeiteten und eingezäunten Plantagen ziehen. In erster Linie kommen Yams, Taro, Bananen und Zuckerrohr als Kulturgewächse in Betracht; außerdem liefern Sago- und Kokospalme reichlich Nahrungsstoff. Neben Tabak, der in Neu-Guinea ohne Zweifel einheimisch ist und in Gestalt von Cigarretten geraucht wird, ist die Betelnuß ein beliebtes Reizmittel; bei festlichen Gelegenheiten wird Kawa, hier Keu genannt, getrunken. Es finden sich also als seltene Ausnahme alle drei Anregungsmittel der Südseevölker hier vereint vertreten. Salz ist, wie fast allenthalben in der Südsee, unbekannt.

Als Hausthiere züchtet man das Schwein, und zwar Abkömmlinge des wilden, von dem Neu-Guinea zwei Species besitzt, sowie den Hund, eine kleine unansehnliche, dingoähnliche Rasse, die, wie der Papuahund allenthalben, nicht bellt, sondern nur heult. Hunde und Schweine werden übrigens nur bei Festen aufgetischt, welche die Papua sehr lieben und mit großer Beharrlichkeit, oft mehrere Tage lang, feiern. Da wird gar manchem Borstenthiere der Garaus gemacht, und die Festtheilnehmer bringen oft von weither ihren Antheil zu dem Picknick herbeigeschleppt. Wie die Abbildung (S. 85) zeigt, wird dabei mit den Schweinen nicht gerade glimpflich verfahren. Die Kannibalen Neu-Irlands transportiren ihre Kriegsgefangenen, die zum Schlachten bestimmt, in derselben empörenden Weise.

Hühner werden nicht des Fleisches und der Eier, sondern mehr der Federn wegen gehalten, da auch hier lange, namentlich weiße Hahnenfedern für Kopfputze sehr beliebt sind. Von wilden Thieren ist dem Papua wohl Alles recht, was seine Beute wird, und er ist darin wenig heikel. Außer Kängurus, Kuskus und anderen Beutelthieren, fast den einzigen Repräsentanten der Vierfüßler in Neu-Guinea, jagt man allerlei Vögel, besonderes den Kasuar, dessen hartes, zähes Fleisch beliebt ist, verschmäht aber auch Saurier, namentlich Krokodile und die großen Eidechsen (Monitor) nicht, ebenso wie große Insekten (Käfer und deren Larven), allerlei Weichthiere etc. Und daß der Fischfang eine nicht ganz untergeordnete Rolle spielt, dafür sprechen die sorgfältig gestrickten Netze und allerlei Angel- und Fanggeräthe. Alle diese

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verschiedene: Die Gartenlaube (1886). Ernst Keil's Nachfolger, Leipzig 1886, Seite 84. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1886)_084.jpg&oldid=- (Version vom 18.1.2024)