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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

Rock an. Die Farben der vier Fakultäten der heutigen Hochschulen sind noch ein schwacher Rest unserer vormals so mannigfaltigen Farbenschattirung. Schwarz trugen damals nur die Rathsherren, die Priester, die Scholarchen, die Trauernden und die Schornsteinfeger.

Die Welt war eben damals noch bunter, und selbst auf dem Gebiete der militärischen Tracht herrschte noch viel mehr Freiheit. Die eigentliche „Uniform“ datirt von Friedrich dem Großen, der nicht nur den Zopf, sondern auch den Frack generalisirte, letzteren auch für den Fußgänger, das heißt die Infanterie, einführte und so die Armee uniformirte; und da er ein guter Finanzmann und überall, wo es unbeschadet der Sache ging, auf das Sparen bedacht war, so fand er es schließlich besser, statt den Rockzipfel umzuschlagen und aufzuknöpfen, ihn kurzweg abzuschneiden. Das war einfach und billig. Also hat schon an der Wiege des Frackes die Sparsamkeit gestanden. Die doppelten Farben aber behielt man bei, nicht nur für die Schöße, sondern auch für die Brustklappen und für die Kragen, nur suchte man deren Flächen zu beschränken, denn das rothe Tuch war sehr theuer, und man wollte und mußte ja sparen.

Der Frack, der Uniformsfrack, stieg in der Achtung mit den Männern, welche ihn trugen. Seit dem Siebenjährigen Krieg galt die preußische Armee für die beste. Ein Jeder wollte auch in der Kleidung ihr möglichst ähnlich werden. Auch die Leute vom Civil schnitten ihren Rock zu nach dem Muster der Herren Officiere. So ist der bürgerliche Frack entstanden. Allein auch an seiner Wiege hat als Gevatterin die Sparsamkeit gestanden. Sie hat den mehrfarbigen Frack in den einfarbigen und schließlich in den schwarzen verwandelt. Daß dabei die Goldstickereien, die Schnüren, Borten, Litzen und sonstigen Verzierungen, wegfielen, versteht sich von selber. Schon kurz nach dem Siebenjährigen Krieg kam etwas Aehnliches wie der schwarze Frack auf. Ich finde dafür einen Anhaltspunkt in dem interessanten Werke des Herrn von Rohr. Es ist 1765 erschienen und „Anleitung zur Klugheit“ betitelt. Ein Kapitel handelt Kapitel handelt „von der Klugheit, welche man beim Reisen zu beobachten hat.“

Darin finden wir unter Anderem folgende Regel:

„Trage auf Reisen zwar reinliche und propere, aber nicht verchamerirte Kleider (das ist buntfarbige, goldgefaßte oder bordirte Röcke, das sogenannte habit habillé). Denn in einem bordirten Rock wirst Du hin und wider für einen Abenteurer gehalten werden; auch mußt Du überall mehr bezahlen, und die Leute stellen Dir überall nach, weil man Dich für reich hält. Am Besten thust Du, an fremden Orten in einem einfachen schwarzen Kleide zu gehen, namentlich wenn Du Ursache hast zu ökonomisiren. Du kannst ja einen Trauerfall als Ausrede gebrauchen. Auf diese Art kannst Du in einem und demselben Anzuge in alle Gesellschaften gehen, während Du sonst mit Anzügen wechseln müßtest.“ (Damals war es also auch mit den Herren so, wie jetzt mit den Damen, welche während einer jeden Saison drei oder vier verschiedene neue Kleider produciren müssen, wenn es nicht heißen soll „Gott, die kommt immer in demselben,“ das ist: Anzug). „In einem schwarzen Anzuge kannst Du Dich ausgeben für was Du willst. Allerdings mußt Du doch vielleicht neben dem schwarzen Anzug noch einen verchamerirten haben, damit Du, wenn Groß-Galla ist, bei Hofe erscheinen kannst. Denn da kann Dir auch die Ausrede der Trauer nichts helfen.“

Der neue Frack.
Nach dem Oelgemälde von Carl Schlösser.

Wir sehen hier wieder einen Fortschritt. Vor hundert Jahren war der schwarze Frack bei Hof noch verboten. Heute ist er schon längst hoffähig geworden. Damals erschienen gerade die frechsten und verlogensten Abenteurer, wie z. B. der berüchtigte Casanova de Seingalt, in den glänzendsten Anzügen, welche man „Phantasie-Uniformen“ nannte. Durch traurige Erfahrungen belehrt, ist man heutzutage bei Hof nicht nur vorsichtiger, sondern auch toleranter geworden. Die „Phantasie-Uniformen“ sind nicht mehr statthaft. Jeder soll das Kleid tragen, das ihm zukommt, und wer eine Uniform zu tragen weder berechtigt noch verpflichtet ist, der kommt im einfachen, schwarzen, bürgerlichen Frackrock, selbst bei Einladungen der Kaiserin und des Kaisers. Ja, ich habe sogar schon zuweilen bei dem Hof in Berlin den Frack in der Mehrheit gesehen. Es war namentlich so zur Zeit des konstituirenden Reichstages im Jahre 1867.

In der Armee ist der Frack dem Waffenrock, der Dreimaster und der Tschako dem Helme gewichen. Die Fürsten aller Länder haben den kostbaren und umständlichen Kostümen von ehedem die knappe und kleidsame militärische Uniform vorgezogen. Dies ist indeß erst seit dem Zeitalter Friedrich’s des Großen. Früher trug man die spanische Tracht. Der eitele Ludwig XIV. zeigte sich niemals anders. Auch auf den Bildern, welche seine Schlachten und Eroberungen verherrlichen, steckt er stets in jenen umständlichen und verzwickten Kleidern, welche es ihm nicht erlaubten, zu Pferde zu steigen oder seine Soldaten selbst in das Feuer zu führen. Dafür hielt er sich seine Leute. Er fuhr in der großmächtigen Kutsche.

In der bürgerlichen Gesellschaft dagegen hat der schwarze Frack sich immer breitere, tiefere und ausgedehntere Schichten erobert. Ich sage mit Nachdruck: Der schwarze Frack! Denn die farbigen Fräcke sind längst schon verschwunden. Der junge Goethe hatte in Weimar, seinem „jungen Werther“ zu Lieb und zu Ehren, den blauen Frack mit gelben Knöpfen eingeführt. Allein Weimar war doch die Welt nicht. Ich selbst habe noch den alten August Wilhelm von Schlegel in einer jugendlichen Perücke und einem hellbraunen Leibrock zu Bonn auf dem Katheder gesehen, worüber sich die akademische Jugend höchlichst ergötzte. Aber der braune Frack, wie der blaue, sind schon lange verschwunden. Der schwarze allein ist geblieben. In ihm darf man vor dem deutschen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 508. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_508.jpg&oldid=- (Version vom 27.3.2024)