Seite:Die Gartenlaube (1885) 374.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

in einer Sache, die so individuell, so ganz in seinen eigensten Empfindungen steht.“

„Aber mein Gott, so ereifere Dich doch nicht!“ beruhigte Frau Jenny; „wir finden eben, er ist keine passende Partie, schon deßhalb, weil er gänzlich ohne Vermögen ist.“

Ueber Trudchens blasses Gesicht flog ein tiefer Schatten. „Ach, laß das Geld aus dem Spiele,“ bat sie angstvoll, „störe mir nicht den schönsten Traum meines Lebens – sprich nicht davon, Jenny!“

Aber Jenny fuhr fort: „Nein, davon schweige ich nicht, denn Du lebst in Idealen und man muß Dir ein wenig die Wirklichkeit vor Augen halten, damit Du später nicht allzusehr aus Deinen Himmeln fällst. Bildest Du Dir vielleicht ein, daß Herr Franz Linden sich so überstürzt hätte, wenn Du nicht gerade Trudchen Baumhagen warst? Sicher nicht! Ich halte es für meine Pflicht Dir zu sagen, daß sowohl Mama, wie Arthur und ich der Meinung sind, er habe in erster Reihe an das gedacht, was unser seliger Vater in guten Kapitalien für uns –“

Sie verstummte, Trudchen stand vor ihr, hochaufgerichtet und drohend. „Sei davon ruhig, Jenny,“ stieß sie hervor, „ich glaube an ihn und spreche kein Wort der Vertheidigung aus! Du und die Andern, Ihr mögt so denken, ich kann es Euch nicht wehren, kann es Euch nicht einmal übelnehmen, Ihr –“ sie stockte, das bittere Urtheil sollte nicht über die Lippen. „Habe die Güte und stelle Mama vor,“ sagte sie dann ruhiger, „daß ich ihm mein Wort nicht breche. Ich werde Dir so dankbar sein, Jenny – wenn Jemand etwas über sie vermag, so bist Du es, ihr Liebling.“

(Fortsetzung folgt.)

Eine Verschwörung.

Von0 Johannes Scherr.
(Schluß.)


7. 0Wie der Bonaparte den korsischen Banditen herauskehrte.

Wer gerecht urtheilen will, wird anerkennen müssen, daß bis dahin der Erste Konsul in dieser Sache durchaus ordnungsgemäß und regelrichtig gehandelt hatte. Er war im Besitze der Macht und folglich – wie die Welt nun einmal ist, wie sie allzeit gewesen und immer sein wird – im Recht. Dieses seines Rechtes, d. h. seiner Macht wollte man ihn berauben und ihn zugleich mörderisch anfallen und umbringen. Dagegen durfte, nein, mußte er sich bis auf’s Aeußerste wehren. Dies heischte seine Stellung, seine Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft und es lag auch in den Zuständen Frankreichs. Wie, nachdem er das Land aus dem Chaos der Anarchie herausgerissen, sollte er es der bourbonischen Unfähigkeit überliefern lassen? Welche Zumuthung! Welche Absurdität!

Ein gerechter Urtheiler muß aber dem Manne noch mehr zubilligen. Nämlich dieses, daß es sehr begreiflich und verzeihlich, wenn er in seiner korsisch-leidenschaftlichen Art, in seiner bekannten Feuerteufelsmanier gegen die Bourbons ausfiel. Hatten diese nicht an dem gegen ihn gesponnenen Mordkomplott sich betheiligt? Wenigstens von zwei derselben, Artois und Berry, war es erwiesen, durch die Eingeständnisse ihrer Mitverschworenen erwiesen. Ja, es war begreiflich und verzeihlich, wenn der Erste Konsul rachelustig ausrief. „Ein Bourbon gilt mir nicht mehr als ein Moreau und Pichegru, im Gegentheil weniger; fällt mir einer in die Hände, lass’ ich ihn erschießen!“ und man muß sagen, daß, wenn er in den Fall gekommen, diese Drohung etwa an dem Herrn Grafen von Artois, welcher an der Aussendung von Attenthätern mitarbeitete, aber wohl sich hütete, die Gefahren der mordlustigen Sendlinge zu theilen, in Erfüllung zu bringen, dies für Frankreich kein Schaden, sondern vielmehr ein Glück gewesen wäre, ein großes Glück.

Allein nicht an dem schuldigen Artois, sondern an einem schuldlosen, d. h. an dem Komplott gar nicht betheiligten Bourbon ließ Bonaparte seine Wuth aus. Das gab der Sache eine ganz andere Wendung. Dazu kam dann noch die zugleich tückische und grausame Art und Weise, allwomit der glückliche Verschwörer vom 18. Brumaire seine Rachedurststillung einleitete und durchführte. Schleichende Bosheit und erbarmungslose Brutalität vereinigten sich hier zu einer Schandthat, welche erschreckend und entsetzend darthat, wie tief dem Napoleone Buonaparte der korsische Bandit im Blute steckte.

Sein Zorn wurde noch heißer, als sich ihm zuvörderst keine Gelegenheit bieten wollte, denselben an einem Sprössling des Hauses Bourbon zu kühlen. Der Oberst Savary nämlich, welcher, selber verkleidet, mit seinen 50 in allerlei Verkleidungen steckenden Gendarmen nun schon seit drei Wochen am Felshang von Biville auf der Lauer lag, wußte von dort nur zu berichten, daß kein Prinz kommen wollte, um sich von ihm abfangen zu lassen. Zwar – so meldete er – zwar wäre draußen vor der Bucht eine englische Brigg, höchst wahrscheinlich die vom Captain Wright geführte, deutlich sichtbar. Auch näherte sich dieselbe allabendlich der Küste, aber statt zu landen lavirte sie nur eine Weile hin und her, um dann wieder in See zu stechen. Wie zu vermuthen, hätten die Emigranten, die sich am Bord des Schiffes befinden möchten, von Paris aus einen Abwink bekommen oder aber erwarteten sie von der Klippe her ein Signal, dessen Ausbleiben ihnen die Landung verböte.

Allein Bonaparte wollte und mußte einen bourbonischen Prinzen haben zum Todtschießen lassen, und da ihm keiner von England her ins Fanggarn laufen wollte, so suchte er anderwärts nach einem. Fouché und Talleyrand – dieser hat später die Spuren seiner Thätigkeit in solcher traurigen Sache fuchsschwänzig zu verwedeln gesucht – halfen ihm bereitwillig bei dieser Späherei. Die Liste der Bourbons wurde durchgenommen. Provence und Angoulème waren in Warschau, Artois und Berry, sowie der Prinz von Condé und der Herzog von Bourbon in London. An diese sechs Prinzen war also nicht zu kommen. Aber Condé’s Enkel, der Herzog von Enghien, der befand sich ja in erreichbarer Nähe, zu Ettenheim im (damaligen) Kurfürstenthum Baden. Der gesuchte Bourbon war gefunden. Freilich hatten alle die Verhöre der dingfestgemachten Verschwörer nicht die leiseste Andeutung von einer Betheiligung Enghiens an dem Cadoudal’schen Komplott ergeben. Aber was hatte das zu sagen? Er war ein bourbonischer Prinz, war erreichbar und folglich sollte er todtgeschossen werden – Punktum.

Die gute Frau von Staël hatte doch nicht so ganz Unrecht, wenn sie den Bonaparte einen „Robespierre zu Pferde“ nannte. Es war im ganzen Verfahren des Ersten Konsuls gegen den jüngsten und letzten Sprossen der Condé’s etwas jakobinisch-terroristisch Wildes, was an die schlimmsten Tage und Nächte der Sansculotterie erinnerte. Ganz in der Ordnung daher, daß, wie im Januar von 1793 unter den Ohnehosen das Wort umgegangen: „Man muß dem monarchischen Europa einen Königskopf als Fehdehandschuh hinwerfen!“ so jetzt in der betressten Sklavenschar, welche sich am Hofe des neuen Cäsars drängte, das Geraune umging: „Einen Bourbon todtschießen lassen? Recht so! Das heißt zwei Fliegen mit einem Schlage treffen, das heißt den Royalisten Schrecken einjagen und den Republikanern ein Pfand geben …“

Louis Antoine Henri de Bourbon, betitelt Duc d’Enghien, war am 2 August 1772 zu Chantilly geboren, folglich jetzt (März 1804) nahezu 32 Jahre alt, von männlich schöner Gestalt und gewinnendem Benehmen. Er hatte unter den Befehlen seines Großvaters und seines Vaters die Waffen gegen die französische Republik getragen und als Vorhutführer des Condé’schen Korps mehrfach im Felde sich hervorgethan. Eine solche Befehdung des Vaterlandes war und ist, vom menschlichen wie vom patriotischen Standpunkt aus angesehen, unbedingt verwerflich. Allein man muß, wenn man billig sein will, beachten, daß ein in legitimistisch-dynastischen Anschauungen gezeugter, geborener und erzogener bourbonischer Prinz es nicht nur für sein selbstverständliches Recht, sondern auch für seine gebieterische Pflicht ansah und ansehen mußte, die französische Republik zu bekämpfen. Denn er war ja des guten Glaubens, dieser Kampf gälte nicht Frankreich, sondern nur einer Frankreich tyrannisirenden, räuberischen und mörderischen Faktion. Wenn die drei Condé’s, Großvater, Vater und Enkel, in Verbindung mit den gegen die französische Republik verbündeten Mächten am Rhein im Felde gestanden, so waren sie

Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 374. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_374.jpg&oldid=- (Version vom 17.3.2024)