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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885)

ihn nicht lieben könntest, daß er Dir widerwärtig sei und daß ein Anderer ...“

„Still, Concha, ich bitte Dich, um Gotteswillen mache meinen Entschluß nicht noch schwerer.“

„Aber,“ rief Concha plötzlich, als ob ein glücklicher Gedanke sie erleuchte, „wenn Lopez Dich nun auch nicht gern hätte – denn es ist ja nur sein Vater, der geschrieben – dann gäbe der schreckliche Mensch Dich doch vielleicht frei!“

„Willst Du mir einen Gefallen thun?“

„Alles, was Du willst.“

„So sage nichts Schlimmes von Lopez, bis er wirklich kommt. Vielleicht ist es ihm eben so hart zu gehorchen, wie mir.“

Das war ein schweres Versprechen für das lebhafte Mädchen, aber sie ließ es sich endlich doch entreißen.

Die arme Lu - als der Vater jetzt mit einem zweiten Briefe zu ihr trat, den er ihr zu beantworten übergab – schien es ihr fast, als ob sie den Scheiterhaufen, auf dem sie geopfert werden solle, auch anzuzünden habe. Der Brief war von Lopez selbst und an Lu gerichtet. Er meldete seine Ankunft für den nächsten Tag, falls er dem „ehrenwerthen Pathen“ und seiner „schon aus der Entfernung geliebten Guadalupe gelegen komme“.

Gelegen! Als ob die Hinrichtung dem Verurtheilten je gelegen kommen könnte.

„Meine kleine fügsame Lu wird den Brief beantworten,“ sagte der Krieger, welcher renommirte, daß er nur mit Blut zu schreiben verstehe, eine Tinte, welche hier nicht besonders zu empfehlen war. „Das hilflose Kind, für das ich Nächte durchwacht, wird dem alten Vater nicht mit Undank lohnen – sie wird ihm die Schmach ersparen, einen falschen Eid geleistet zu haben!“

„Was muß ich schreiben?“

„Du sollst ihn willkommen heißen. Wenig Worte, aber gastfreundliche Worte. Er soll von diesem seinem Hause und von diesem seinem Herzen Besitz nehmen.“

„Ich kann nicht lügen.“

„Gastfreundschaft – nichts weiter.“

„Mein Vater trägt mir auf, Ihnen zu schreiben, daß er sich freuen wird, Sie morgen zu empfangen,“ schrieb Lu – hier stockte die Feder.

„Weiter,“ rief ihr Peiniger, „willst Du, daß er auf halbem Wege umkehrt?“

„Er ist bereit,“ fuhr das arme Mädchen fort, „sein Versprechen in allen Stücken, auch soweit es mich anlangt, zu erfüllen.

 Ihre Guadalupe.“

Nein, es war ihr nicht möglich, mehr zu sagen, sie wollte gehorsam sein, aber nicht lügen, nur das nicht.

Der verhaltene Schmerz, ein stolzer Zug, der sich früher nicht gezeigt, gab ihrem Gesicht einen ungewohnten, fast verklärten Ausdruck. Der Alte war befriedigt, sie mußte Lopez so gefallen. Er nahm den Brief, in dem er es Schwarz auf Weiß hatte, daß sie einwilligte. Und er kannte sie; was sie zusagte, war gewiß. Nun durfte er es auch wagen, sie zu verlassen und den Brief selbst nach der Post zu tragen. Der „galante Baumeister“ war jetzt nicht mehr zu fürchten.

Felipe hatte Lu den ganzen Tag vergeblich auf dem gewohnten Platze im Hofe erwartet. Er mußte mit ihr reden. Kam der Alte ihm nicht in die Quere, so hätte er es gestern schon gethan. Kaum sah er Mateos mit dem Briefe aus dem Thore treten, so war er an Lu’s Zimmer.

Die Thür war nur angelehnt. Sie hatte sein leises Klopfen überhört, als er eintrat, denn in tiefen Gedanken, wie versunken, saß sie in der Fensternische. Erst als er ihr nah getreten, erhob sie den Kopf ein wenig.

„Sie sind es, Señor Currito!“ sagte sie mit geängsteter Stimme.

„Ja,“ rief er eifrig, „ich bin es! Ich bin Ihnen hierher gefolgt, weil – weil ich Sie sehen mußte, ehe wir jetzt scheiden – weil ich Ihnen sagen will ...“

Er stand mit entschlossener Haltung vor ihr, die Arme verschränkt, freudige Zuversicht im Blick.

„Nein – nein!“ rief sie fast flehend ihn unterbrechend. „Sagen Sie mir nichts, denn ich darf es nicht hören.“

Als sie zu ihm aufsah, bemerkte er Spuren von Thränen in ihren Augen.

„Aber Sie sollen mich hören!“ und er hielt plötzlich ihre widerstrebenden Hände in den seinen, „Guadalupe, ich habe Sie lieb – es ist nur eine kurze Zeit, daß wir uns kennen, aber mein Herz gehört Ihnen – wollen Sie mein Weib werden?“

„Ich kann – ach – ich darf nicht!“ Ihre Stimme klang halb gebrochen, eine große Thräne fiel auf die Hand, welche die ihre fest umschlossen hielt.

„Sie weinen, Guadalupe,“ rief er, ohne ihre Worte zu beachten. „Sie sind unglücklich – ich will wissen warum ... das Unglück ist erst seit gestern eingetroffen, denn vorher sah ich Sie nur heiter ... was bedrückt Sie? – ich liebe Sie und habe ein Recht zu wissen, was Sie quält.“

Keine Antwort.

„Geliebte –“

Sie fuhr bei dem Worte zusammen. „Nennen Sie mich nicht so,“ bat sie.

„Warum nicht? Denn ich verlange den Grund zu wissen. Das Verbot ist keine Antwort auf meine Frage - noch einmal, Guadalupe, ich liebe Sie und werde Sie immer lieben müssen – wollen Sie mir angehören?“

„Nein, es ist unmöglich!“ rief sie fast tonlos. Die Thränen waren versiegt; sie war aufgestanden und versuchte ihre Hände aus den seinen zu befreien.

„Nein?“ stieß er fast heftig hervor. „Wollen Sie mich unglücklich machen?“

Aber er sah trotzdem nicht verzweifelt, sondern nur mit einem Blicke leidenschaftlicher Erwartung auf sie nieder.

Sie stand zitternd vor ihm; die Hände fest in einander geschlossen, die Augen zu Boden geschlagen – es war gar so schwer, eine Pflicht zu erfüllen, dem eignen Herzen entgegen.

„So lieben Sie mich nicht?“ frug er leise und doch eindringlich, ohne den Blick von ihr zu erheben.

Sie bewegte die Lippen, als wollte sie etwas sagen, brachte aber keinen Ton hervor.

„Guadalupe - lieben Sie mich denn nicht?“ wiederholte er noch einmal und legte eine Innigkeit in die Stimme, die ihr bis ins Mark drang - dann hielt er inne, als wolle er ihr Zeit geben zu widerrufen. Als ihm nur ein schwacher Seufzer antwortete, machte er einen Schritt nach der Thür, wandte sich aber noch einmal um, ehe er diese erreichte. „Sie weisen mich also zurück!“ rief er, „gut, leben Sie wohl, Señorita Guadalupe!“

Bis jetzt hatte sie wie unbeweglich gestanden, bei den letzten Worten schlug sie die Augen zu ihm auf, und die sprachen beredt genug von schmerzlicher Entsagung.

Augenblicklich war er wieder neben ihr.

„Ich wußte es ja, daß wir zu einander gehören,“ flüsterte er und wollte den Arm um sie legen.

Sie aber machte eine abwehrende Bewegung, als wollte sie es ihm unmöglich machen, ihr zu nahen.

„Ich bin einem Andern verlobt,“ brachte sie jetzt mit einer gewaltsamen Anstrengung hervor, „und nun werden Sie begreifen, daß ich Sie nicht anhören darf.“

„Und lieben Sie diesen Andern?“

„Ich kenne ihn nicht - mein Vater hat sein Wort gegeben ...“

„Aber der Vater wird sein Wort zurücknehmen, wenn er das erfährt, und mit dem Andern - da will ich’s schon aufnehmen!“

Es blitzte etwas wie Spott um seine Lippen, als er so sprach; er war ihr wieder ganz nahe gekommen.

Sie drängte ihn zurück.

„Es ist unmöglich - ich kann meinen Vater nicht wortbrüchig machen - kann nicht Schande über ihn bringen.“

„Sagen Sie mir nur das Eine, Guadalupe, wenn dieser – dieser Andere nicht wäre – würde ich Sie dann gewonnen haben?“

„O Gott!“ rief das geängstete Mädchen, ihm ausweichend, „ich will meine Pflicht ja thun - es ist nur so schwer, so unsäglich schwer!“

Felipe trat zurück; sein Auge hing fast mit Andacht an ihr, als sie in ihrem Schmerze vor ihm stand, rührend in ihrem kindlichen Opfermuthe.

„Sie sollen Ihre Pflicht thun, Guadalupe,“ sagte er, ohne seine Bewegung zu unterdrücken ich verlasse Sie, aber wo ich

auch sein werde - das Andenken an Sie wird mich überall

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1885). Leipzig: Ernst Keil, 1885, Seite 66. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1885)_066.jpg&oldid=- (Version vom 25.2.2023)