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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

und fuhren mit ihm nach seiner Fabrik, die, am westlichen Ende der Stadt gelegen, aus einem freundlichen Waldpark hervorblickt. Wir wollen unsere Leser mit der Beschreibung der verhältnißmäßig sehr umfangreichen Haupt- und Nebengebäude derselben verschonen. Erst der Einblick in das innere Getriebe derselben – es werden von hier alljährlich viele Millionen Flaschen in alle Weltgegenden versandt – läßt uns ihre wahre Bedeutung erkennen, und nur von diesem wollen wir daher hier reden.

Sehen wir uns zunächst die Rohstoffe, aus denen hier die schwarze Flüssigkeit gebraut wird, etwas genauer an!

Der erste Rohstoff, der uns vorgeführt wird, bietet dem Laien wenig Interesse; denn er ist reines Wasser. Für den Tintenfabrikanten aber muß er wohl von besonderer Wichtigkeit sein; denn in die mächtigen Wasserreservoirs der Beyer’schen Fabrik wird dieses gewöhnliche Naß durch Pumpen theils aus den sehr ergiebigen, eigens zu diesem Zwecke gefaßten Quellen des nahe gelegenen Buchenwaldes, theils aus einem in den Felsen gebohrten tiefen Brunnen befördert, je nachdem hartes oder weiches Wasser gebraucht wird.

Verladen des Blauholzes in den Wäldern von Centralamerika.
Originalzeichnung von A. Göring.

Auch der zweite Rohstoff ist uns von der Schulbank her zur Genüge bekannt, und unwillkürlich denken wir bei seiner Betrachtung: „Was in aller Welt sollen wir über das bekannte Ding berichten? Ein solcher Gallapfel an einem Eichenblätt wird höchstens als Initialranke für unsern ,Gartenlauben‘-Artikel geeignet sein.“ Geringschätzend möchten wir an diesem Erzeugnisse der Gallwespe vorübergehen, aber wir zögern doch; denn unser Begleiter erzählt uns von ihm höchst interessante Geschichten. Die Haufen, die da vor uns liegen, entstammen keineswegs unseren heimischen Wäldern; sie sind vielmehr von weither nach Deutschland gebracht worden, da sie an Gerbsäuregehalt unsere heimischen Galläpfel bedeutend übertreffen. Neben den für die geringeren Sorten von Tinten bestimmten, aus dem Süden Amerikas und Centralafrika importirten Galläpfelsurrogaten zeigt uns unser Begleiter die vorzüglichen asiatischen Sorten, die mosulischen, welche aus der Handelsstadt Mosul am Tigris stammen, und die bekannteren aus Aleppo, die man in langen schmalen Ballen versendet; er berichtet uns auch von Galläpfeln, die man auf den Märkten von Smyrna und Tripoli feilbietet, und von den Marmoringalläpfeln, welche apulischen Gallwespen ihren Ursprung verdanken. Mit größerem Interesse blicken wir nun auf den letzten, einen ungarischen, Galläpfelhaufen, und über Länder und Meere schweifen unsere Gedanken, von dem rastlosen Strome des Welthandels ergriffen, dessen Wogen auch an die Schwelle dieser Fabrik schlagen.

Wir setzen unsere Wanderung fort, um alsbald vor Scheiten röthlich gefärbten Holzes Halt zu machen. Das ist der dritte für die Tintenfabrikation sehr wichtige Rohstoff, das Blauholz, welches in Centralamerika heimisch ist. Man nennt es auch westindisches Blutholz, und der Baum, aus dessen Stamme es gewonnen wurde, führt in der Wissenschaft den Namen Haematoxylon campechianum. (Ein Zweig desselben schmückt das Initial dieses Artikels.) Die Zellen dieses Holzes enthalten einen Farbstoff, das Haematoxylin, welches die wunderbarsten Eigenschaften besitzt: Mit Kali und Ammoniak bildet es Lösungen, die sich an der Luft sehr schnell purpurroth, blau oder prachtvoll violett, bei längerem Stehen aber fast schwarz färben und die mit Metalloxyden (besonders mit Thonerde, Bleioxyd, Kupferoxyd, Eisenoxyd etc.) theils prachtvoll gefärbte Flüssigkeiten, theils farbige Niederschläge gäben. Dieses Farbstoffs wegen ist das Blauholz nicht nur für den Tintenchemiker von besonderem Werthe, sondern wird auch in den größten Quantitäten zum Färben der durch verschiedene Beizen getränkten Woll-, Seiden- und Baumwollstoffe

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 732. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_732.jpg&oldid=- (Version vom 10.9.2022)