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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

nautisch untüchtigen Gegner, um diese in Hekatomben zum Hades zu senden. Ihnen hilft keine Tapferkeit; ihre Pfeile prallen von den Rüstungen der Hopliten, der griechischen Fußtruppen, ab, aber deren Waffen treffen die ungeschützten Leiber der Perser stets blutig.

Als die Nacht ihre dunklen Schatten herniedersenkt, da bedecken nur Schiffstrümmer und Leichen das wogende Schlachtfeld, der siegesjubelnde Päan (Schlachtgesang) der Griechen erfüllt die Luft, und sein Echo hallt an den Bergen wieder.

Sie haben die Schlacht gewonnen, und Xerres verhüllt zorn- und schmerzerregt das Antlitz. Die Seinen fliehen; der Ruhm seiner Waffen ist dahin – doch Europa ist vor den Barbaren gerettet. 200 persische Schiffe sind zerstört, 40,000 Mann ihrer Besatzungen von den Fluthen verschlungen, während die Sieger noch nicht den fünften Theil eingebüßt haben.

Was Themistokles bei Salamis begonnen, das vollendeten Xanthippus und Cimon in den nächsten dreißig Jahren bei Mykale, am Eurymedon und bei Cypern. Die griechische Kriegsflotte schwang sich in diesem Zeitraume zur alleinigen Beherrscherin des Mittelmeeres auf, um unter Perikles ihren Höhepunkt zu erreichen. Ihr Typus ist das Dreireihenschiff, die Triere, über welche die Geschichte so genaue Data hinterlassen hat, daß wir uns ein ziemlich erschöpfendes Bild von ihr machen können.

Der Bau der ersten Trieren wird den Korinthern zugeschrieben. Ihre Techniker leisteten damit Vorzügliches, und schon die äußere Erscheinung dieser Fahrzeuge verräth den hohen Standpunkt der damaligen Schiffsbaukunst. (Bild 1.)

Sie waren von schlanker eleganter Form, welche ihnen Schnelligkeit sicherte, während der feine Schnitt ihres Rumpfes gleichzeitig die Manövrirfähigkeit begünstigte. In diesen beiden Eigenschaften gipfelte der kriegerische Werth der Trieren, deren Taktik hauptsächlich nicht in dem Kampfe von Mann gegen Mann, sondern von Schiff gegen Schiff bestand, indem sie mit einem vorn in der Wasserlinie angebrachten Sporn die Seite des Gegners zu durchbohren und denselben zu vernichten suchten.

Die zu diesem Zwecke erforderliche Beweglichkeit wäre durch Benutzung des Windes als Motor zu sehr beschränkt worden; deshalb bediente man sich in der Schlacht nur der Ruder, auf deren möglichst geschickter Handhabung der Sieg beruhte.

Die Mannschaft solcher Trieren bestand aus 200 Köpfen. Davon waren 170 Ruderer, 12 bis 15 Soldaten, und den Rest machten die Officiere, Handwerker und Diener aus. Die Ruderer arbeiteten in drei Reihen über einander, und das Arrangement war ein sehr sinnreiches, sodaß sich der Rumpf des Schiffes verhältnißmäßig nicht hoch über das Wasser erhob und die Ruder der oberen Reihen nicht zu lang und schwerfällig wurden.

Die Herrschaft der Trieren behauptete sich fast ein Jahrhundert lang. In der letzten Hälfte des fünften Jahrhunderts v. Chr. besaß Athen allein nicht weniger als 400 Trieren, von denen Perikles 300 stets seebereit und 60 zur Wache und Uebung ununterbrochen im Aegäischen Meere hielt. Es war der Glanzpunkt der griechischen Seemacht; bald sollte sie jedoch im unseligen peloponnesischen Kriege sich gegenseitig vernichten.

Mit dem Beginn des vierten Jahrhunderts wurde die Triere durch ein größeres Modell verdrängt. Nachdem die Karthager bereits mit Vierreihenschiffen vorgegangen waren, baute Dionysius der Erste von Syrakus die ersten Fünfreihenschiffe, die Penteren, welche fortan die entscheidenden Factoren in den Seeschlachten wurden. Sie waren bedeutend größer als die Trieren; ihre Länge betrug etwa 52 Meter bei 8 Meter Breite, 4½ Meter Tiefgang und 500 Tonnen (1000 Centner) Gehalt. Die Besatzung belief sich auf 400 Köpfe, worunter sich 300 Ruderer befanden, während die Zahl der Soldaten allmählich wuchs, da sich auch die Kampfweise der Schiffe veränderte.

Die Römer gaben den Impuls zu dieser Aenderung. Ihr Kampf mit den Karthagern konnte nur auf dem Meere ausgetragen werden; doch sie waren kein Seevolk; deshalb suchten sie ihre Landkampfweise auf die Schiffe anzuwenden. Nachdem sie eine Flotte von 120 solcher Fahrzeuge gebaut, besetzten sie die selben mit einer großen Zahl Schwerbewaffneter und rüsteten sie mit Enterbrücken aus, d. h. mit Brücken, welche mit Haken versehen waren, um sie auf die nahenden feindlichen Schiffe fallen zu lassen und diese festzuhalten.

Damit trat an die Stelle des Kampfes von Schiff gegen Schiff der von Mann gegen Mann, und die Entscheidung der Schlacht beruhte nicht mehr wie bisher auf dem nautischen Geschick der Ruderer, sondern auf der Masse und militärischen Schulung der eingeschifften Soldaten. Die Folge dieser neuen Taktik war der Sieg der Römer über die Karthager gleich in der ersten Seeschlacht bei Mylae im ersten punischen Kriege und der baldige Zusammenbruch der karthagischen Seeherrschaft, welche nunmehr Rom antrat, um sie fast ein halbes Jahrtausend zu behaupten.

Die veränderte Kampfweise beeinflußte naturgemäß den Bau der Kriegsschiffe. Ihre hauptsächlich auf den Spornstoß berechnete Leichtigkeit und Beweglichkeit wich größeren und schwereren Formen, und unter den Epigonen Alexander’s des Großen entstanden nicht nur Zehn- und Sechszehn, sondern unter Ptolemaeus Philopator sogar ein Vierzigreihenschiff.

Die Construction so gewaltiger Schiffe stellte an die Technik ungemein hohe Anforderungen, sodaß die Schiffsbaukunst sich nothwendig sehr vervollkommnen mußte, und besonders war es Syrakus, das sich darin auszeichnete.

Indessen fanden diese Vorgänge keine allgemeinere Nachahmung; im Gegentheil wurde der Schiffsbau vernachlässigt, als die Herrschaft der Römer sich mehr und mehr ausbreitete, sie in den unbestrittenen Besitz des Mittelmeeres gelangten und mit keiner andern Nation mehr zu rivalisiren hatten. Sie begnügten sich mit Fünfreihenschiffen, und die bis zum Beginn unserer Zeitrechnung noch vorkommenden größeren Seekriege gegen Mithridates von Pontus, zwischen Cäsar und Pompejus, sowie die Schlacht von Actium wurden mit jenen Fahrzeugen ausgefochten.

In dem letzten Jahrhundert v. Chr. vollzog sich jedoch wiederum eine die Bau-Art der Kriegsschiffe beeinflussende Taktik. Während seit Salamis bis zu den punischen Kriegen der Spornstoß die Hauptrolle spielte und darnach die Enterung in den Vordergrund trat, machte sich jetzt das Bestreben geltend, sich mehr aus der Ferne zu bekämpfen.

Man versah die Schiffe mit Wurfmaschinen verschiedener Art, um schwere Pfeile, Speere, Balken, Steine und brennende Stoffe schleudern zu können, und ebenso errichtete man auf den Verdecken Thürme, in denen Bogenschützen postirt wurden, um die Mannschaften auf den feindlichen Verdecken auf weitere Distanzen unschädlich zu machen. Diese Belastung der Schiffe zwang zum Aufgeben der feinen Linien, der schlanken und gefälligen Formen, durch welche sie sich bisher ausgezeichnet hatten.

Nach Aufrichtung des römischen Kaiserreiches fanden bis zu dessen Auflösung keine größeren Seeschlachten statt, und die Flotte beschränkte sich auf die Reinhaltung des Mittelmeeres von Seeräubern. Dreihundert Jahre herrschte Ruhe auf dem Meere, und wie das Kaiserreich überhaupt, verfiel in dieser Zeit auch seine Flotte. Die größeren Schiffe verschwanden; die Schiffsbaukunst stieg reißend schnell von ihrer einstigen Höhe herab, und bis zum zehnten Jahrhundert nach Chr. bestanden die Flotten des Mittelmeeres nur aus kleinen Fahrzeugen mit einer Ruderreihe ohne maritime Bedeutung.

Indessen verlegte sich der Schwerpunkt des Seewesens nach dem Norden Europas; dort waren es die Angelsachsen und Skandinavier, welche in ihrem wagenden Muthe den Anstoß dazu gaben. Im Beginne unserer Zeitrechnung noch hatten sie nur Einbäume und schwache Fahrzeuge aus Weidengeflecht, mit Thierhäuten bezogen, aber sie bekämpften damit nicht nur Sturm und Woge ihrer ungastlichen Küsten, sondern griffen selbst die Trierenflotten der römischen Eindringlinge an, wenn ihre Tapferkeit auch an der feindlichen Kriegskunst scheiterte.

Doch sie verloren nicht Muth und Selbstvertrauen; sie verbesserten ihre Fahrzeuge, und das vor einiger Zeit im Nydamer Moor im Schleswigschen aufgefundene und wunderbar erhaltene dreißigruderige Boot aus dem dritten Jahrhundert nach Chr. giebt Zeugniß, welche erstaunliche Fortschritte unsere Vorfahren in der kurzen Zeit im Schiffsbau gemacht hatten. Der Zug von Hengist und Horsa nach England auf solchen Tschulen, wie diese Boote hießen, erscheint nicht mehr gefährlich.

Als die Angeln und Sachsen in Britannien eine neue Heimath gefunden, da entsagten sie für Jahrhunderte dem Meere und wandten sich dem friedlichen Ackerbau zu, doch die Einfälle der wilden nordischen Seekönige rüttelten sie wieder aus ihrer Ruhe auf und riefen die alten Erinnerungen in ihnen wach. Ihre Könige Alfred und Edgar schufen neue Flotten, schlugen die Dänen und die Wikinger und jagten sie über die Nordsee zurück.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 627. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_627.jpg&oldid=- (Version vom 27.4.2023)