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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

wenigstens meine Tagebücher zu retten. Da sah ich plötzlich, wie der Wagen hoch in die Luft geschleudert wurde und in zwei Hälften brach, während gleich darauf auch das Maulthier stürzte und durch seine Last das an seinen Cameraden gefesselte Pony zum Stehen zwang.

Aechzend und seufzend kamen jetzt auch meine beiden Unglücksgefährten herbei, und nun gingen wir, unterwegs all die zerstreuten Gepäckstücke zusammenlesend, dem Schauplatz der Katastrophe zu, ich mit einem Tränkeimer, einer Sitzbank und zwei Büffelhäuten beladen.

Ein Indianerlager in West-Dacotah.
Nach der Natur gezeichnet von dem Specialartisten der „Gartenlaube“ Rudolf Cronau.
(Die zur linken Seite sichtbaren Gerüste stellen einen indianischen Begräbnißplatz dar.)

Du großer Gott, wie sah der Wagen aus! Kein Rad mehr an demselben – Deichsel und Achse zerbrochen – Boden und Seitenwände – total zersplittert! Die Postbeutel und den Rest unseres Gepäckes fanden wir im Umkreise von hundert Schritten.

Da saßen wir nun „im romantischen Lande“, mitten in der einsamen Prairie, von unserem Ziele noch siebenzehn lange Meilen entfernt!

Wir beluden das Maulthier mit den Poststücken und dem leichteren Gepäck, schoben einen Stock zwischen die Riemen meines Koffers, nahmen ihn an dieser improvisirten Tragbahre in die Mitte und wanderten so ab, die Thiere hinter uns herziehend. Wir durchwateten den Battle Creek und gelangten beim Einbruch der Dämmerung an den kleinen, etwa zweieinhalb Fuß hoch aus der Erde ragenden Felsblock, von dem die Standing-Rock-Agentur ihren Namen hat. Er steht bei den Indianern hoch in Ehren, im Geruche der Heiligkeit, und keiner der Vorübergehenden versäumt es, ihn über und über mit Fett zu salben oder mit Farben zu bestreichen, wie wir denn auch am Fuße des Blockes Blumen und Maiskolben niedergelegt fanden, wahrscheinlich Opfergaben irgend eines gläubigen Indianermädchens; denn an diesen Stein knüpft sich die Sage, daß eine junge Indianerin, die zu einer ihr widerwilligen Heirath gezwungen werden sollte, auf ihr Flehen hin vom Großen Geiste in diesen Stein verwandelt worden sei, und steht er darum namentlich bei den indianischen Jungfrauen in gutem Ansehen. – Als schon die Hügel bei der wachsenden Dämmerung mehr und mehr in einander verschwammen, erreichten wir ein etwa vierzig bis

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 625. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_625.jpg&oldid=- (Version vom 29.12.2019)