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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)


Jahre 1718 errichtete der Markgraf von Baden-Durlach eine große Fabrik in Pforzheim, und gründete ein Baseler, Samuel Schook, eine Fabrik in Berlin. Die Geschäfte gingen überall vortrefflich; die Zahl der Fabriken mehrte sich rasch, und im Anschluß an die Thätigkeit derselben blühten auch andere Industriezweige auf; in Köln z. B. und in Almerode in Hessen fabricirte man in Massen die aus Thon gebrannten Pfeifenköpfe, welche zuerst die Holländer nach dem Muster der Indianerpfeifen angefertigt hatten.

In der Fabrikation der Pfeifen sowie der Gläser und Dosen für Schnupftabak entwickelte sich bald ein bedeutender Luxus; denn in kaum fünfzig Jahren waren Tabak und Tabaksgeräthe für Industrie und Handel Artikel ersten Ranges geworden, und ihre Bedeutung stieg mit jedem Jahrzehnt. Die Continentalsperre unter Napoleon brachte zwar dem Tabakhändler und -Fabrikanten schweren Schaden, aber nach dem Sturze des Gewalthabers trat eine neue, frische Blüthezeit ein, die bis auf die Gegenwart in stetig fortschreitender Entwickelung angedauert hat. Der Raum gestattet hier nicht, allen Phasen unseres Gegenstandes zu folgen; es sei uns nur noch gestattet, die Verhältnisse der Gegenwart kurz zu betrachten.

Die Production des Tabaks ist zu riesigen Verhältnissen angewachsen; sie beträgt gegenwärtig jährlich in Nordamerika Millionen Centner, auf Cuba 610,000, in Brasilien 300,000, in Ostindien 150,000, in Oesterreich 100,000, in den Niederlanden 85,000, in Italien 93,000, in Rußland 180,000, in Deutschland Million Centner, und zwar in letzterem Lande in Preußen rund 230,000, in Baden 242,000, in Baiern 156,000, in Elsaß-Lothringen 160,000, in Hessen 31,000 Centner. Die Tabaksproduction der ganzen Erde beträgt etwa 13 Millionen Centner jährlich. Der jährliche Consum, auf den Kopf der Gesammtbevölkerung berechnet, beläuft sich in Rußland auf 1 Pfund, in Frankreich und England ebenfalls auf je 1 Pfund, in Italien auf 1½ Pfund, in Cuba auf Pfund, in Oesterreich auf Pfund, in Nordamerika und Deutschland auf je 3 Pfund, in Belgien auf Pfund, in Holland auf Pfund. In allen unseren modernen Großstädten wird mehr Geld für Tabak als für Brod ausgegeben.

Während vor noch nicht sehr langer Zeit bei uns der Tabak überwiegend aus Pfeifen geraucht wurde, sind jetzt fast nur noch Cigarren üblich. Nach den Angaben der Tabaks-Enquête-Commission des Kaiserlichen Statistischen Amtes fabricirt Deutschland jährlich 5,259,000 Mille Cigarren, während es aus Amerika (von Cuba, den Philippinen und dem nördlichen Südamerika) zusammen etwa 93,000 Mille fertiger Cigarren importirt. Zu den in Deutschland fabricirten Cigarren werden etwa 751,400 Centner Tabaksblätter verbraucht. Da unser eigenes Land deren aber Million Centner producirt und an überseeischen Blättern nur etwa 700,000 Centner importirt, von denen ein bedeutender Theil zu Pfeifen-, Schnupf- und Kautabak verarbeitet wird, so ergiebt sich aus diesen Zahlen die Thatsache, daß die meisten in Deutschland zum Verbrauche kommenden Cigarren vorwiegend aus deutschen Tabaksblättern hergestellt werden.

Freilich bedarf unser Tabak einer besonderen Nachhülfe, um ihm den zu großen Nicotingehalt (er beträgt bis 11 %, bei den besten Havanablättern nur 2 %) zu benehmen und ihn im Geruch und Geschmack dem überseeischen Producte ähnlich zu machen. Es geschieht dies dadurch, daß man die abgelagerten Blätter einige Tage lang in einer Lösung von Weinstein und Salpeter liegen läßt und dann die wieder abgespülten und getrockneten Blätter oder auch die fertigen Cigarren durch eine vielfach zusammengesetzte Brühe parfümirt. Zu derselben verwendet man Lorbeerblätter, Wachholderbeeren, Coriandersamen, Cubeben, Rosinen, Cascarillrinde, Storax, Wein, Cognac, Bierwürze und ähnliche Sachen, je nach dem specifischen Geruch, den man erzielen will. Jede Fabrik hat ihre eigenen, meist geheim gehaltenen Recepte. Auch die importirten Blätter werden gewöhnlich mit einer solchen Brühe behandelt, und ohne die letztere werden Cigarren oder Tabak in Deutschland fast gar nicht fabricirt, während man auf Cuba, in Virginien etc. diese Brühe niemals in Anwendung bringt.

Der beste Tabak auf Cuba wächst in dem wenige Quadratmeilen großen Gebiete der Vuelta Abajo, dem „niedern Felde“, einige Meilen westlich von der Stadt Havana. Hier verarbeitet man ihn in folgender Weise: Die reifen Tabaksblätter werden vorsichtig abgenommen und in Haufen gelegt, in denen sich eine starke Hitze entwickelt, welche den Tabak in eine leichte Gährung übergehen läßt. Zur rechten Zeit werden die Blätter aufgenommen, getrocknet und von den größeren Rippen sauber abgestreift. Man legt sie nun in Fässer und bedeckt sie leicht mit den eigenen abgestreiften Rippen und andern Abfällen. So lagern sie acht bis neun Monate, bis sie tauglich zur Verarbeitung sind. Diese geschieht nie bei Regenwetter, sondern nur an heißen und trockenen Tagen. Man feuchtet die Blätter mit reinem Wasser ein wenig an, um sie geschmeidig zu machen, und in offenen Schuppen beginnen nun Neger, auch wohl Negerinnen, die Herstellung der Cigarren; ein Messer und die Cigarrenform sind dabei ihre einzigen Werkzeuge. Man scheidet in Havana die Cigarren nach der Güte der Blätter und der Vollkommenheit der Arbeit in fünf Sorten. Das Tausend der ersten Sorte kostet an Ort und Stelle etwa 1500 Mark, die geringste Sorte von ganz kleinem Format etwa 140 Mark. Nun berechne man nach diesen Angaben, was eine wirklich echte Havannacigarre in Deutschland kosten muß! Im ganzen deutschen Reiche giebt es etwa nur 100 Firmen, welche Cigarren, die auf Cuba gemacht worden sind, importiren. Die bedeutendsten derselben sind in Bremen und Hamburg.

Nach den durchaus zuverlässigen Angaben der obengenannten Commission werden von den deutschen Rauchern jährlich etwa 312 Millionen Mark für Tabak verausgabt. Die Zahl der Verkaufsstellen für Tabaksfabrikate beträgt im deutschen Reiche zur Zeit rund 368,000. Zieht man nun diesen gewaltigen Umfang des deutschen Tabakhandels in Betracht, so kann man allerdings der Behauptung Glauben schenken, daß das deutsche Reich aus den Summen, die gegenwärtig am Tabak verdient werden, sämmtliche Ausgaben für Armee und Flotte bestreiten könnte.

Also würde ein kaiserliches Tabaksmonopol aller unserer Finanznoth sofort ein Ende machen?

Die Antwort auf diese Frage muß jedem vorurtheilsfreien Beurtheiler mindestens höchst zweifelhaft erscheinen. Sicher ist durch vielfache Erfahrung der Satz wenigstens festgestellt, daß staatliche Monopole noch nie irgend einem Fabrikations- oder Handelszweige aufgeholfen, wohl aber empfindlich geschadet haben.

Auch Preußen hat das Tabaksmonopol schon einmal besessen; Friedrich der Große führte es 1765 ein, doch schon sein nächster Nachfolger hob es auf. Solche staatliche Monopole sehen überhaupt den verabscheuten Träumen der Socialdemokratie verzweifelt ähnlich. Der Tabak ist ein Luxusartikel, und er kann eine hohe Steuer tragen; der Boden aber, auf dem bisher jede Industrie, jeder Handelszweig sich am blühendsten entwickelt hat, heißt freie Concurrenz, denn sie ist die Mutter der Intelligenz; sie entwickelt alle diejenigen Kräfte und Eigenschaften, welche den wahren, besonnenen Fortschritt fördern und den Menschen zum Menschen machen.




Maritime Briefe an eine Dame.
II.

Muthigste aller Frauen! Sie wollen es also wirklich noch ferner mit mir wagen? Und nach der gluthhauchenden, farbenglühenden Wiege unseres Menschengeschlechtes, nach Asien soll es wieder gehen? Wohlan denn – es sei! Sie schwingen den Zauberstab Ihres allmächtigen Willens, und in demselben Moment sehe ich mich auch schon um zwanzig Jahre zurückversetzt, befinde ich mich wieder an Deck Seiner Majestät Corvette „Möve“ und ertheile Befehl, zu Anker zu gehen. Sie winkten, und das gute Schiff schaukelt sich bereits auf der Rhede von Singapore, angesichts der Insel gleichen Namens. Wir sind zur Stelle!

Welch ein schönes Ziel! Die Insel ist landschaftlich mit allen Reizen geschmückt, welche die Phantasie nur erdenken kann; sie ist mit einer selbst in den Tropen überraschend üppigen Vegetation und einem herrlichen, bei aller Hitze doch gesunden Klima bedacht – in Wahrheit ein kleines Paradies auf Erden.

Die Stadt an sich war damals noch durchaus nicht schön zu

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 264. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_264.jpg&oldid=- (Version vom 4.8.2020)