Seite:Die Gartenlaube (1882) 115.jpg

Fertig. Dieser Text wurde zweimal anhand der Quelle korrekturgelesen. Die Schreibweise folgt dem Originaltext.
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

Adel. Schon 1544 wurde Jacques Gobelin, ein Sohn des Gilles, correcteur des comptes und adelig und dessen Sohn Balthasar kaufte von Heinrich dem Zweiten, den er mit seinem Gelde unterstützte, die Seigneurie Brie-Comte-Robert. Wir wollen nicht unerwähnt lassen, daß die im folgenden Jahrhundert, 1676, zu Paris enthauptete entsetzliche Giftmischerin Marquise von Brinvilliers die Gattin von Antoine Gobelin, Marquis von Brinvilliers, war. Die letzten Gobelins, welche zu Anfang des siebenzehnten Jahrhunderts noch in der alten Werkstatt der Väter als Färber arbeiteten, waren die Gebrüder Etienne und Henri. Dann zogen Fremde hinein. Doch die Färberei wie auch das Flüßchen behielten den Namen Gobelin. Letzteres hatte denselben bald nach dem Einzuge des ersten Gobelin erhalten, und erst während der Revolution nahm es wieder seinen ursprünglichen Namen, die Bièvre, an.

Es war nur ein kleiner Theil der Gobelin’schen Besitzung, den die beiden flamändischen Teppichwirker Comans und de la Planche 1630 bezogen, nämlich die an dem Wasser gelegenen Färbereien, während der übrige Complex von Gebäuden und Ländereien in andere Hände überging. Die beiden Genannten arbeiteten nun hier eine ziemliche Reihe von Jahren, färbten ihre Wolle und Seide und wirkten ihre Tapeten. Da trennte sich 1650 de la Planche von seinem Gefährten und errichtete eine eigene Fabrik in der Vorstadt St. Germain und Comans ließ zu seiner Hülfe einen berühmten Tapetenwirker aus Flandern (Audenarde) kommen, der Jan Jansen hieß, dessen Name jedoch von den Franzosen in Jean Jans umgewandelt wurde, unter welchem er noch heute angestaunte Meisterwerke der Tapetenwirkerei schuf.

Jetzt aber erschien ein Mann, dessen Leistungen, wenn auch gerade nicht in der Wirkerei selbst, so doch auf dem diese Arbeiten vorbereitenden Gebiete der Färberei, von der weittragendsten Bedeutung werden und den eigentlichen Anstoß zur Errichtung der königlichen Manufactur geben sollten. Es ist ein seltsamer Zufall, daß dieser Reformator der Färbekunst denselben Namen trug, wie der etwa hundert Jahre später auftauchende Reformator der dramatischen Musik, und daß er, wie Jener, unzweifelhaft ein Dentscher war: er hieß Hans Gluck.

Dem Ahnherrn der Familie sind wir in unserer obigen Schilderung schon hundert Jahre früher begegnet. Seine Nachkommen scheinen sich nach Deutschland zurück gewendet und mit der Färberei beschäftigt zu haben; denn als der oben Genannte wieder in Flandern und Holland arbeitete, wurde er selbst von den Holländern nicht mehr Kloek, sondern mit dem deutschen Namen Gluck genannt, wie auch in der Folge von den Franzosen. Hans Gluck muß sich für seine Zeit und sein Fach bedeutende chemische Kenntnisse angeeignet haben; stimmen doch alle Aussagen über ihn darin überein, daß er Farben, besonders Scharlach, in einer solchen blendenden Frische und Schönheit hergestellt habe, wie man sie bis dahin noch nicht gesehen, dazu noch jede Farbe in vielen Abstufungen, daß man jetzt erst im Stande war, wirklich farbenprächtige Tapeten mit richtig abschattirten Sujets herzustellen. Dabei muß er ein durchaus praktischer Mann gewesen sein; denn er war es, der die Krappfarbe, die heute noch einen so bedeutenden Handelsartikel Frankreichs bildet, dort erst recht in Aufnahme brachte.[1]

1655 kam Hans oder, wie er jetzt genannt wurde, Jean Gluck nach Paris und siedelte sich sofort dicht neben der Gobelin-Färberei an. Seine Producte, besonders sein Scharlach, sowie auch die billige rothe Farbe, welche er aus der „Färberröthe“, der Garance (Rubia tinctorum sativa), herzustellen wußte, erregten allgemeines und größtes Aufsehen und bald auch die Aufmerksamkeit Colbert’s, Ministers und Generalcontrolleurs der Finanzen unter Ludwig dem Vierzehnten.

Dieser praktische Staatsmann erkannte sofort, welche Vortheile aus den Arbeiten Gluck’s zu ziehen seien, und beredete den König, dessen Färberei mit den bereits bestehenden, sowie den verschiedenen Tapetenwirkereien und anderen königlichen Manufacturen zu einer einzigen großen Staatsanstalt zu vereinigen. Ludwig der Vierzehnte billigte den Vorschlag seines Ministers, der einen ebenso großen künstlerischen wie praktischen Erfolg versprach, und ohne Säumen ging Colbert an die Ausführung seines Planes. Am 8. Juni 1662 kaufte er den ganzen ehemaligen Gütercomplex der Familie Gobelin, aus dem großen „Hôtel des Gobelins“, Höfen, zahlreichen Bauwerken, Gärten, Wiesen, Waldungen und Erlenpflanzungen längs dem Flüßchen Bièvre bestehend, dem damaligen und letzten Eigenthümer, dem Parlamentsrath Leleu, im Namen des Königs für 40,775 Livres ab, und die bald weltberühmte Gobelin-Manufactur war in’s Leben getreten.

In diese vielen Bauwerke wurden nun nicht allein die Färberei Gluck’s, die Tapetenwirkerei Comans’ und Jans’, sowie die der beiden Lefebre, Vater und Sohn, welche noch Ludwig der Dreizehnte sich aus Italien verschrieben hatte und die im Louvre arbeiteten, untergebracht, sondern auch alle anderen Kunsthandwerker, die im Solde des Königs thätig waren, wie die Gold-, Seiden- und Perlensticker, die Gold- und Bronze-Arbeiter, die Steinschneider, die Medailleure und Ciselirer, die Bildhauer und Kunsttischler.

Das ganze großartige Etablissement, welches mit seiner zahlreichen Bevölkerung an verheiratheten und unverheiratheten Künstlern, Kunsthandwerkern und gewöhnlichen Arbeitern eine kleine Stadt für sich bildete, erhielt nun den stolzen Namen: „Manufacture royale desmeubles de la couronne“ („Königliche Manufactur des Mobiliars der Krone“). Im folgenden Jahr, 1663, wurde der berühmte Maler Charles Lebrun zum Director und künstlerischen Leiter des Ganzen ernannt, doch erst fünf Jahre später, 1667, erfolgte die Veröffentlichung der königlichen Verordnung, welche die Gründung der Gobelin-Manufactur befahl, und zu gleicher Zeit ließ Colbert den inneren Dienst der verschiedenen Kunstgattungen und Arbeiten durch umfangreiche und sorgfältig ausgearbeitete Instructionen ordnen. Diejenige für die wichtige Branche der Färberei fertigte ein Herr von Albo, und sie erhielt sich, weil in ihrer Art ganz vortrefflich, in verschiedenen Auflagen bis in das vorige Jahrhundert.[2]

Die Leitung der eigentlichen Tapetenwirkerei der neuen Gobelin-Manufactur, mit der allein wir es hier zu thun haben, war dem Flamänder Jean Jans übertragen worden. Ihm folgte Girard Laurent, in dessen Atelier während der Jahre 1676 bis 1679 eine der berühmtesten Gobelin-Tapeten, „Der Besuch Ludwig’s des Vierzehnten in der Gobelin-Manufactur“ (am 15. October 1667) hergestellt wurde.

Diese prächtige Tapete (4,00 Meter hoch und 5,80 Meter breit) wurde in zwei Exemplaren gewirkt; leider verbrannten die Sansculotten im Jahre 1793 eines derselben, weil sich die königlichen Lilien darauf befanden! Das andere entging der Vernichtung durch die Communards des Jahres 1871 nur durch rasche und glückliche Verbergung. Dafür verbrannten die Elenden das Etablissement selbst. Heute bildet diese Tapete das Hauptstück der sehr zusammengeschmolzenen Gobelin-Gallerie und -Ausstellung.

Lebrun blieb bis an seinen Tod, der 1690 erfolgte, Director der Gobelins. Unter ihm lieferten 250 Arbeiter 19 Hautelissetapeten von zusammen 4110 Ellen im Geviert und 34 Basselissetapeten von 4294 Ellen, die heute einen Werth von mehr als 10 Millionen Franken repräsentiren. Darunter befanden sich die berühmten „Jahreszeiten“, „die Monate“ und die „Geschichte Ludwig’s des Vierzehnten“; letztere aus einer ganzen Reihe von Tapeten nach Lebrun und Van der Meulen bestehend. Unter den „Jahreszeiten“ zeichnet sich besonders der Herbst aus, nach Ballin und einer Composition von Lebrun. Diese Tapete, von der wir als Beigabe zu diesem Artikel eine Abbildung bringen, hat Jean Jans, der Sohn des früher Genannten, von 1691 bis 1731 Leiter der Arbeiten, in Hautelisse, Wolle, Seide und Gold ausgeführt. Sie hat noch heute ihre ganze Farbenfrische bewahrt, ist 4,85 Meter hoch, 5,75 Meter breit und gehört zu den 1871 geretteten Tapeten.

Von 1690 bis 1695 war der nicht minder bekannte Hofmaler Ludwig’s des Vierzehnten, Pierre Mignard, Director der Manufactur, doch traf das Unternehmen während dieser Zeit ein

  1. Unter Colbert wurde bald in Frankreich jährlich für für 500,000 Livres Krapp oder Garance gezogen und verarbeitet. Eine ähnliche Bedeutung erhielt für Deutschland die Waidpflanze, der deutsche Indigo, die in früheren Jahrhunderten besonders in Thüringen stark angebaut wurde. Hießen doch die Städte Erfurt, Gotha, Langensalza, Tennstädt und Arnstadt die fünf Waidstätte. 1616 gab es mehr als dreihundert thüringische Dörfer, welche Waid bauten. Doch der wirkliche Indigo verdrängte den Waid, und im vorigen Jahrhundert wird nur noch das Dorf Friemar bei Gotha genannt, das sich mit seiner Pflanzung befaßte.
  2. Diese „Instruction générale“, 1669 und 1672 in Paris veröffentlicht, erhielt im vorigen Jahrhundert den Titel: „Le teinturier parfait, ou l’instruction nouvelle et générale“ und bildete lange Zeit sozusagen das Evangelium der Färber. Auch wurde sie von Johann Jacob Marperger in’s Deutsche übersetzt und herausgegeben.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 115. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_115.jpg&oldid=- (Version vom 2.7.2023)