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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882)

in Fässern oder Flaschen hervorrufen, ist der Bierbrauer in die Lage versetzt, das Vorhandensein dieser Pilze zu entdecken, bevor sie ihm schaden können.

Er braucht heutzutage nicht mehr zu warten, bis seine Kunden über den Geschmack des von ihm gelieferten Bieres gerechte Klagen erheben, um zu der Ueberzeugung zu gelangen, daß seine Hefe zur Bierbereitung nicht mehr tauglich sei. Er braucht nicht mehr zum Wechseln der Hefe durch die bittere Erfahrung genöthigt zu werden, daß das von ihm gebraute Getränk noch in den Kufen sauer oder wohl gar faulig geworden ist und sich nur zum Wegschütten eigne. Er braucht heutzutage nur die Hefe vor ihrer Benutzung einer genauen mikroskopischen Prüfung zu unterwerfen, um sich zu vergewissern, ob sie rein oder mit Krankheitsfermenten vermengt ist, ob sie gutes oder schlechtes Bier liefern wird. Das ist aber sogar dann, wenn wir annehmen, daß auch die mikroskopische Untersuchung den Brauer manchmal täuscht, ein bedeutender Vortheil; denn praktische Bierbrauer haben uns erklärt, daß sie unter den gewöhnlichen Umständen, ohne vorhergehende Prüfung der Hefe, manchmal etwa den fünften Theil des von ihnen fabricirten Bieres nicht absetzen konnten, sondern ihn als mißlungenes Gebräu einfach vernichten mußten.

Die Kenntniß der Ursachen dieser Krankheiten des Bieres wird aber auch denjenigen, der gewerbsmäßig Bier auf Flaschen abzieht, und denjenigen, der es zu seinem eigenen täglichen Gebrauche thut, wohl veranlassen, in seinen Hantirungen mit peinlicher Sorgfalt vorzugehen. Da die Krankheitserzeuger überall vorhanden sind und in Bierresten der entleerten Flaschen in großen Mengen gefunden werden, so ergiebt sich zunächst die Nothwendigkeit, diese Flaschen auf das Sorgfältigste auszuspülen, sie womöglich zunächst mit siedendem Wasser zu reinigen, bevor sie von Neuem mit Bier gefüllt werden. Dieselben Vorsichtsmaßregeln sind selbstverständlich auch beim Korkverschluß zu beobachten; denn das beste Bier kann durch einen unreinen Stöpsel mit den Krankheitserregern angesteckt und dadurch verdorben werden. Wer diese Reinlichkeitsmaßregel unterläßt, der schädigt sich selbst; der Flaschenbierhändler läuft alsdann die Gefahr, wenn er auch sein Bier von der solidesten und renommirtesten Brauerei in vorzüglichster Qualität bezieht, seinen Kunden ein Getränk in’s Haus zu liefern, welches nach längerer Zeit auf Flaschen schlecht wird; er läuft hierdurch Gefahr, seine Kundschaft und mit ihr auch sein Geld einzubüßen.

Doch genug dieser praktischen Winke! Es kann nicht unseres Amtes sein, die sich aus der Kenntniß der Ursachen der Biererkrankung ergebenden Schlüsse in ihrer ganzen Vielseitigkeit zu ziehen. Der Brauer und Bierhändler, welche sich in erster Linie für dieselben zu interessiren haben, finden sie in den neuesten Handbüchern und Fachzeitschriften in genügender Weise erörtert. Uns sei es nur noch gestattet, die wichtigsten dieser berüchtigten Bierverderber, über welche die Trinker sich schon, ohne sie zu kennen, so oft bei einem Glase Bieres geärgert haben, hier flüchtig den Lesern der „Gartenlaube“ vorzustellen. Auf unserer Abbildung (Nr. II) finden wir sie in geschmackvoller Weise zu einem interessanten Tableau zusammengestellt.

In der mit Nr. 1 bezeichneten Abtheilung begegnen wir zunächst denjenigen Gährungserzeugern, welche das bekannte „Umschlagen“ des Bieres hervorrufen. Es sind dies kleine Stäbchen, die bald einzeln, bald in Gliederketten auftreten und deren Durchmesser ein Tausendstel eines Millimeters beträgt.

Neben diesen Gebilden erblicken wir unter Nr. 2 eine Probe sauer gewordenen Bieres. Mitten unter den Hefezellen ruhen hier die sogenannten Milchsäurefermente, stäbchenartige Organismen, die an ihren Rändern leicht eingeschnürt erscheinen, sich selten zu Ketten von zwei bis drei Gliedern zusammenreihen und nur wenig größer sind als ihre vorher erwähnten Geschwister. Weiter unten ist (Nr. 3) eine Probe fauligen Bieres abgebildet. In ihr wimmeln kleine Organismen, die Vibrionen, welche je nach den Schwankungen der Temperatur sich rascher oder langsamer bewegen. Sie sind in der Regel lebende Zeugen einer bei der Bierfabrikation oder Flaschenfüllung begangenen unverzeihlichen Nachlässigkeit. Wo man derartiges faules Bier findet, dort kann man auch mit Recht sagen: Herr „Biermann“, Ihre Arbeit war faul. Die unter Nr. 4 vorgeführten Organismen, die wie Perlenschnuren aussehen, sind für das zähe Bier charakteristisch, während neben ihnen (Nr. 5) die Erzeuger der Essigsäure, welche dem Biere einen nach Essig riechenden, säuerlichen Geschmack verleihen, sich breit machen.

Die vielgestaltigen Gebilde, die wir unter Nr. 6 antreffen, sind gottlob! keine Krankheitserzeuger; es sind dies feste Niederschläge verschiedener Farbstoffe etc., die fast in jedem Biere zu finden sind und als unschuldige Substanzen kaum unsere Beachtung verdienen. Dafür beschießt die Reihe (Nr. 7) ein Bierverderber ersten Ranges, ein kleiner unbenamster Pilz, aus runden Kügelchen bestehend. Er verleiht dem Gerstensafte nicht nur einen sauren Geschmack, der an den der grünen Aepfel ganz deutlich erinnert, sondern auch noch einen Geruch, der in seiner Widerlichkeit unbeschreibbar ist.

Wir wollen jedoch gegen diese saubere Schmarotzergesellschaft, über welche wir soeben eine Rundschau abgehalten haben, nicht ungerecht sein. An schlechtem Biere, das da oft in der Welt gebraut und leider – auch getrunken wird, haben sie wohl den Löwenantheil, aber noch lange nicht lastet die gesammte Schuld auf ihnen. Sie erzeugen nur krankes, widerlich schmeckendes Naß, welches die Menschen nicht trinken wollen.

Leider aber haben sich hier und dort in das angesehene und für die Volkswohlfahrt wichtige Brauergewerbe viel schlimmere Feinde des Bieres eingeschlichen, jene Nahrungsmittelverfälscher, die unter dem wohlklingenden Namen Surrogate alles mögliche und oft giftiges Zeug zum Bierbrauen verwenden. Gefährlicher sind sie, als jene Myriaden von Pilzen; denn die von gewissenlosen Menschen verwendeten gesundheitsschädlichen Stoffe widern unsere Sinne nicht an, sondern kitzeln vielmehr durch tückischen Wohlgeschmack unsern Gaumen und laden zum Genusse des Giftes ein. Dem ehrlichen deutschen Braugewerbe wünschen wir von Herzen, daß es bald und gründlich auch von diesem Schmarotzerthum befreit werden möge.

Es ist aber wohl zu beachten, daß einige dieser schädlichen Surrogate die Eigenschaft besitzen, die Entwickelung der Krankheitserzeuger in der Bierwürze zu hemmen. Daher griff auch mancher Brauer, der die Tragweite ihrer Gesundheitsschädlichkeit nicht kannte, durch den guten Erfolg der Fabrikation verleitet, zu diesen verwerflichen Mitteln. Er braucht sie heute nicht mehr, da der ganze Vorgang der Gährung klar vor seinen Augen liegt und er die Ursachen seines Mißlingens und die Mittel, dasselbe zu verhüten, genauer kennt.

Es offenbart sich also auch hierin, wiewohl in geringem Maßstabe, die im Großen veredelnd wirkende Macht der Aufklärung, welche durch wissenschaftliche Eroberungen nicht nur materiell den Menschen bereichert und seinen geistigen Gesichtskreis erweitert, sondern ihn auch unaufhaltsam, fast ohne daß er sich dessen bewußt wird, auf die gerade Bahn der Moral hinüberleitet.




Aus dem Volsker-Gebirge.

Eine Reise-Erinnerung.

Zu den wenigen Winkeln in der Umgebung von Rom, die noch nicht von dem alles überfluthenden Touristenstrom überschwemmt werden, gehört das Volskerland. Das benachbarte Albaner- und Sabinergebirge weist ja kaum mehr einen Punkt auf, der nicht in jedem Frühjahr und Herbst von einem wahren Schwarm von Engländern und anderen Fremden besucht würde. Manch’ classisches Landschaftsbild wird durch diese moderne Staffage täglich und stündlich profanirt; neben mancher altehrwürdiger Ruine steht in schamloser Neuheit ein speculatives Hôtel, und fast unter jedem Olivenbaum in der Umgebung von Tivoli sitzt auf fashionablem Malstühlchen eine hochgeschürzte Dame, einen möglichst ungewaschenen Hirtenknaben mit möglichst zerrissenem Hemd und in möglichst träumerischer Schäferstellung in ihr segeltuch-gebundenes Album skizzirend.

Solche „scenische Schnitzer“ bleiben dem Auge Dessen erspart, der sich – etwaigen besorgten Warnungen zum Trotz – in das Volskergebirge wagt.

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1882). Leipzig: Ernst Keil, 1882, Seite 83. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1882)_083.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)