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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

„Was für ’ne Freude wohl der Junge hat –
Wenn ihm der Baum so in die Augen flimmert!
Zwei Jahre zählt nun unser Karlchen glatt;
Als ob sich’s da nicht um den Baum bekümmert!
’S war ein Stück Arbeit für mich alten Knaben.
Doch wenn sein Vater unverständig ist,
Muß ich schon zusehn, was der Schnee hier mißt:
Denn seinen Christbaum muß der Junge haben.

Er wär’ zu klein noch. Ei warum nicht gar!
So ’n Pfiffikus wie der, so schlau und munter!
Was er für Augen macht, so quick und klar,
Und was für Reden führt er schon mitunter!
Der dankt mir’s noch, wenn sie mich längst begraben,
Daß ich auf seinen Vater nicht gehört.
Und mir – mir wär’ das ganze Fest gestört – –
Nein – seinen Christbaum muß der Junge haben.

So ’n süßer Flachskopf! Wie er auf mich hält!
Was kann er schmeicheln, daß ich ihn mal schwenke!
So ’n Junge war noch niemals auf der Welt –
Mich wärmt’s im Schnee hier, wenn ich sein gedenke.
Ich wollte gern noch Stunden Weges traben,
Gält’s drum, daß er ’ne rechte Weihnacht hat.
Er kriegt’s nicht, wie die Kinder in der Stadt –
Doch seinen Christbaum soll das Karlchen haben.“

Großvater steigt fürbaß. Es schneit so dicht:
Was kümmert’s ihn, wie sich die Kleider feuchten!
Längst g[i]ng die Pfeife aus – er weiß es nicht;
Sein Herz ist warm, und seine Augen leuchten.
Und als das Festgeläut durchzieht die Fluren,
Da strahlt sein Christbaum, und der Enkel lacht,
Und auf dem Berghang küssen still zur Nacht
Der Liebe Engel seiner Füße Spuren.


Die erste elektrische Welt-Ausstellung.

II.[1]
Der Congreß der Elektriker und die elektrischen Conferenzen.

Vor einigen Wochen haben wir ein möglichst anschauliches Bild der interessanten elektrischen Welt-Ausstellung zu Paris vor den Augen unserer Leser zu entrollen versucht. Wir haben gesehen, daß der elektrische Strom heutigen Tages bereits, wie er dies bisher in den Verkehrsrichtungen that, auch in sämmtlichen industriellen Gebieten als neue wohlthätige Kraft von erstaunlicher Vielseitigkeit und Tragweite auftritt. Aber nicht allein jene nach Tausenden zählenden sinnreichen Maschinen und Mechanismen, welche durch die seltene Exactheit ihrer Functionen das Herz jedes Ingenieurs erfreuten, waren der Magnet für die Besucher des Palais de l’Industrie, nein, zwei andere Factoren wetteiferten mit ihnen in fast gleichem Maße, um die Gunst des Publicums für die Ausstellung rege zu halten. Das waren der Congreß der Elektriker und die elektrischen Conferenzen.

Oben in den Salons der ersten Etage des Ausstellungspalastes unter mehreren langen Glaskästen ruhen kostbare werthvolle Reliquien. Neben Nobili’s erster Säule steht hier die weltberühmt gewordene erste Originalsäule Volta’s, daneben befinden sich Autogramme Galvani’s und viele andere theuere und werthe Erinnerungen an die Jugendjahre der elektrischen Forschung. Es ist ein unsagbares Gefühl, welches aus diesen, meist in primitivster Form gebauten, aber doch so unendlich großartige Gedanken offenbarenden Mechanismen zu uns spricht. Eine wehmüthige Erinnerung an die Todten erfüllt uns diesen Denkmälern geistigen Forschens und Ringens gegenüber. Aber neben den Tod trat das Leben, als am 15. September im Palais de l’Industrie eine Versammlung von Männern der Wissenschaft und Technik sich entfaltete, wie sie gewiß selten in gleicher Würde und gleichem Range bisher zu finden war, eine Gesellschaft von Größen des Geistes, welche darthat, daß die Neuzeit Vertreter der wissenschaftlichen Forschung aufweist, die den glanzvollsten Namen der Vergangenheit völlig ebenbürtig zu erachten sind.

Wohl an zweihundert Gelehrte, Ingenieure und Techniker aus allen civilisirten Staaten waren dem Rufe Cochery’s gefolgt und begannen hier ihre gemeinsamen Besprechungen und Arbeiten zur Förderung und Befestigung der elektrotechnischen Wissenschaft und ihrer Anwendung für Industrie und Gewerbe. Wenn auch die Anzahl der aus allen Welttheilen herbeigeeilten Mitglieder eine verhältnißmäßig große war, so waren doch, wie leicht begreiflich, eine Reihe berühmter Namen in Paris nicht vertreten. Da fehlte vor Allen der greise Professor Weber aus Göttingen, der am 24. September d. J. sein fünfzigjähriges Amtsjubiläum als Professor feierte. Ihn ehrte der Pariser Congreß damit, daß er an jenem Tage an den verdienstvollen deutschen Gelehrten ein in hoher Weise anerkennendes Telegramm sandte.

Unter dem Präsidium des Ministers Cochery und der Leitung der drei Vicepräsidenten Govi (Italien), Thomson (England) und Helmholtz (Deutsches Reich) hielt der elektrische Congreß seine Berathungen in der Zeit vom 15. September bis 15. October. Er beschäftigte sich in eingehender Weise mit der Erörterung wichtiger Fragen des elektrischen Gebietes, und zwar in Plenarsitzungen an jedem Dienstag, sowie in Berathungen für Fachabtheilungen an den übrigen Tagen. Der Sitzungssaal dieser auserlesenen Versammlung war allabendlich von 500 elektrischen Glühlichtern in angenehmster Weise erleuchtet. Vollkommen mathematisch ruhige kleine Flammen, in duftige Vacuumgläser gehüllt, waren an den Wänden angebracht, und die Wände selbst machten in ihrer pompejanisch-rothen und blaßgrünen Gobelinumkleidung einen ernsten und würdigen Eindruck.

Eine der Hauptaufgaben der Congreßmitglieder bestand darin, die ausgestellten elektrischen Apparate genauer Prüfung und Beurtheilung zu unterziehen und die würdigsten durch eine äußere Auszeichnung zu belohnen. Diese internationale Jury, welche ihre Arbeiten in der Zeit vom 26. September bis 26. October vollendete, setzte sich aus 150 Mitgliedern zusammen, und als Präsident derselben fungirte Herr Teisserenc de Bort, dem die Vicepräsidenten Barker (Vereinigte Staaten), Rosetti (Italien), Belpaire (Belgien), de la Rue Warren (England) und Professor Dr. Wiedemann (Deutsches Reich) zur Seite standen.

Die Auszeichnungen bestanden in 50 goldenen, 200 silbernen und 500 bronzenen Medaillen, sowie in Ueberreichung von Ehrendiplomen. Es war keine leichte Aufgabe, in dem zahllosen Gewirre complicirter Apparate das wahrhaft Gute vom Unbrauchbaren zu scheiden, die Jury aber, in einzelne Gruppen getheilt, vollzog diese Function zu allgemeinster Befriedigung.

Begleiten wir heute eine solche Jurygruppe nach mehreren Abtheilungen der Ausstellung!

Interessantes bietet die elektrische Ausstellung auf dem Gebiete des Eisenbahn-Signalwesens. Es ist daher sehr begreiflich, daß die Augen der Jurymitglieder beim Passiren der deutschen Abtheilung sich besonders auf die interessanten Signalapparate des Professors Wittwer und Mechanikers Wetzer richteten. Das Princip dieser neuen Signalvorrichtungen beruht darauf, daß die gegenwärtigen sogenannten „Omnibuslinien“ der Eisenbahnen in der Art eingerichtet sind, daß ein Leitungsdraht eine kleinere oder größere Anzahl von Stationen unter sich und mit einer einem größeren Netze angehörigen Hauptstation verbindet. Die nothwendige Folge davon ist, daß alle diese Stationen die nämlichen Zeichen erhalten. Correspondiren zwei Stationen mit einander, so bewegen sich nicht nur die Apparate dieser beiden, sondern auch sämmtlicher übrigen, und es ergiebt sich hieraus, daß, wenn der Apparat einer Station in Bewegung ist, damit noch nicht darauf hingedeutet wird, daß mit dieser Station gesprochen werden soll. Würde man an irgend einer Station an dem Telegraphen eine Glocke anbringen, so würde diese stets läuten, wenn auf der Linie überhaupt gesprochen wird, und das wäre nicht nur unnütz, sondern in kürzester Zeit unerträglich. Es bleibt also bei der gegenwärtigen Einrichtung nichts anderes übrig, als fortwährend in dem Telegraphenbureau zu warten, bis man angerufen wird.

Das Läutewerk von Wittwer und Wetzer hat nun die Bestimmung, von den verschiedenen Stationen einer Linie jede beliebige andere mit Umgehung der übrigen durch eine Glocke


  1. Vergleiche Nr. 43.
Empfohlene Zitierweise:
Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 862. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_862.jpg&oldid=- (Version vom 31.12.2022)