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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

Hat nun der Diamant den „letzten Schliff“ erhalten und für den unbestimmten Gattungsnamen Diamant die individuellere Bezeichnung Brillant oder Rosette erlangt, dann vertauscht er seine schmutzige unruhige Erziehungsstätte mit dem Hause des Juweliers. Den Lehrjahren folgen die Wanderjahre. „Juwelier“ ist heute ein so schwankender Begriff geworden, daß es sich wohl der Mühe lohnt, denselben etwas genauer zu bestimmen. Der letzte Goldschmied ist dahingegangen, wie der letzte Mohikaner, und auch die Goldschmiederei ist dem Großbetrieb, dem Maschinenbetrieb zum Opfer gefallen, ganz unter denselben Erscheinungen, welche diesen Proceß überall kennzeichnen: Die Production ist leichter und billiger geworden; der Unternehmer kann sich ein bedeutendes Vermögen erwerben, der Goldschmied aber ist zum capitallosen Fabrikarbeiter herabgesunken; denn Tausende von Goldarbeitern empfangen in London für eine zwölf- bis vierzehnstündige Arbeit einen Lohn von etwa zwei Mark nach unserer Währung. Die letzte Stelle, wohin sich die Kunst der Goldarbeit geflüchtet hat, ist die Juwelierwerkstätte; denn die künstlerische Anordnung und Fassung von Geschmeiden kann nicht von einer Maschine vorgenommen werden. Es ist interessant, den Juwelier über einem Armbande, einer Brosche brüten zu sehen, wie er nachdenklich die einzelnen Steinchen auf einer Wachsscheibe zusammenlegt, bis sie seinen künstlerischen Anforderungen entsprechen. Hat nun die Intelligenz, das Schönheitsgefühl des Unternehmers das Ihrige gethan, dann werden die Intentionen des Meisters in der Werkstätte ausgeführt. Es würde die Grenze unserer Aufgabe überschreiten, wollten wir die Entstehung eines Geschmeides bis zur letzten Abwaschung unter der Hand einer Arbeiterin darstellen. Nur das mag noch hinzugefügt werden, daß auch diese Arbeiter höhere Löhne erzielen, weil sich hier der Großbetrieb nicht entwickeln kann.

Einsam, in Ringe eingefügt, oder in Reih und Glied, auf kostbaren Geschmeiden, verlassen die Edelsteine die Werkstätte des Juweliers und werden, auf Seide und Sammet gelagert, hinter den Schaufenstern der Juwelen- und Goldwaarenverkäufer ausgestellt – der Juwelen- und Goldwaarenverkäufer, sagen wir; denn die nach der neuesten Mode gekleideten Männer, welche hinter glänzenden Ladentischen stehen und die Käufer mit gewinnendem Lächeln einladen, auf schwellenden Stühlen Platz zu nehmen, während sie eine Fülle verführerischer Geschmeide vor ihnen ausbreiten, sind keine Juweliere; sie sind keine Goldschmiede, weder Handwerker noch Künstler – sie sind eben Kaufleute. Ihr Einkommen besteht in der Differenz zwischen dem Einkaufspreise, den sie dem Juwelier, dem Besitzer der Werkstätte, für gelieferte Waaren bezahlen, und dem Verkaufspreise, den sie erzielen. Das Hinterstübchen, in welchem einige Männer mit Blasebälgen und Löthrohren hantiren, ist nicht die Stätte, aus welcher diese leuchtenden und strahlenden Geschmeide hervorgehen. Da wird nur reparirt und kleineren Bedürfnissen abgeholfen.

Von hier aus zerstreuen sich die strahlenden, leuchtenden Kinder ferner Welttheile nach allen Richtungen hin und gehen in den Besitz eines hohen Adels und verehrungswürdigen Publicums über. Ihr schönen Frauen, wenn die Edelsteine an euren zarten Händen, an euren schwellenden Armen, in euren dunklen Haaren und um euren schneeweißen Nacken funkeln, denkt ihr dann wohl zuweilen an die mannigfachen Irrfahrten, die ein Geschmeide machte, bis es in eure Hände gelangte – und an die Wanderungen, die es vielleicht noch machen wird? Wilhelm Hasbach.     




Die Jubeltage der „Deutschen Kunstgenossenschaft“ in Dresden und Meißen.

Von Fritz Wernick.
Mit Originalzeichnungen von Woldemar Friedrich.

Nicht nur im Parlamente zu Berlin, überall, wo gemeinsame Bestrebungen und Interessen Deutsche aus allen Gauen des Vaterlandes zusammenführen, da ist Alldeutschland versammelt. So war es 1875 auf der Höhe des Teutoburgerwaldes am Denkmal des Cheruskers, so auch 1876 im Festspielhause von Bayreuth, so bei den Bundesfesten deutscher Sänger und Schützen, so jetzt in Dresden, wo die „deutsche Kunstgenossenschaft“ in den jüngsten Septembertagen das Jubiläum ihres fünfundzwanzigjährigen Bestehens feierte.

Im Herbst des Jahres 1856 hatten auf Anregung des Düsseldorfer „Malkastens“ Abgesandte aus allen Kunstgemeinden Deutschlands, von München und Wien, von Dresden und Berlin, von Düsseldorf, Weimar und Karlsruhe sich in der Stadt Bingen eingefunden, um einen Bund zu schließen. Nicht nur die Wahrung gemeinsamer materieller Interessen führte die Künstler zusammen, der neugegründete Bund verfolgte auch ideale Ziele: Aus der Münchener, Düsseldorfer, Wiener Kunst sollte eine gemeinsame deutsche erwachsen, und in allgemeinen deutschen Kunstausstellungen sollte gezeigt werden, daß es eine nationale deutsche Ausdrucksweise in der Kunst gebe, welche dieselbe geblieben von den Zeiten Dürer’s und Holbein’s bis auf unsere Tage: „geistvoll und innig in der Empfindung, bescheiden in der Ausstattung, sich streng an die Natur lehnend in der Darstellung“. Der Plan zur Gründung einer deutschen Nationalgallerie ist zuerst unter den Kunstgenossen berathen worden und hat dann 1861 durch die Annahme der Wagner’schen Sammlung seitens König Wilhelm’s die erste feste Gestalt erhalten. Die Meinung der Kunstgenossenschaft ist schließlich gehört worden in Fragen der Gesetzgebung, besonders denjenigen, die den Schutz des geistigen Eigenthums betrafen.

Nun blickt dieser Verband auf ein volles Vierteljahrhundert seines Wirkens zurück. Vier allgemeine deutsche Kunstausstellungen, in München 1858, in Köln 1861, in Wien 1868, in Düsseldorf

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 765. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_765.jpg&oldid=- (Version vom 21.11.2022)