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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

Ungleich günstiger als alle großen Kohlenregulatoren des Volta'schen Lichtbogens erweist sich, was die Erzeugung eines ruhigen und geräuschlosen Lichtes anbelangt, das kleine „Glühlichtsystem“ Edison's. (Vergl. „Gartenlaube“ Jahrg. 1880, Nr. 5.<) Der Ruhm dieses amerikanischen Erfinders ließ seine Neider nicht ruhen, und so finden wir denn hier auf der Ausstellung außer Edison'schem Glühlichtsystem diejenigen von Swan, Maxim und Lane Fox. Bekanntlich entsteht hier das Licht in einer luftleeren kleinen Glaskugel, in welcher der elektrische Strom einen schwachen Kohlenfaden durchlaufen muß. Das Glühen dieses Kohlenfadens giebt das Licht. Alle vier Glühlichtsysteme sehen sich einander ähnlich wie ein Ei dem anderen und unterscheiden sich nur durch die Form des angewandten Kohlenfadens. Während Edison seine einfache ursprüngliche Form „U“ oder „“ beibehalten, bringt Swan den Kohlenfaden in Form einer doppelten Schlinge, Lane Fox ist noch sorgloser und wendet nur einen um einen Millimeter größeren Krümmungsradius des Edison'schen Bogens an, während Maxim geistreich und selbstgefällig den Kohlenfaden in Gestalt seines Anfangsbuchstabens, des „M“, anwendet. Die Erfinder behaupten zwar außerdem eine ganz besondere Präparation der Kohle entdeckt zu haben; der wesentliche Unterschied derselben dürfte jedoch schwerlich von Belang sein.

Man war bei der Eröffnung der Pariser Ausstellung nicht wenig gespannt, was Edison, der viel bewunderte und viel geschmähte Amerikaner, hier der Kritik vorführen werde. Der Erfinder des „Phonographen“ scheint sich aber der Bedeutung der Pariser Elekricitäts-Ausstellung wohl bewußt gewesen zu sein; denn der Eindruck seiner Glühlichtsalons, die allabendlich von circa 500 an 2 kostbaren Krystalllüstres und einer großen Anzahl kleinerer Wandleuchter brennenden Glaskugeln erhellt werden, ist nach allgemeinem Urtheile ein überwältigender.

Hier ist kein Flackern; nicht das mindeste Geräusch vernimmt man; keine Hitze verspürt man mehr in den Salons, nur eine außerordentlich behagliche reine Luft; dazu kommt noch das angenehm belebende Colorit des kleinen Glühlichtbogens: wahrlich, wir haben hier fast das „Ideal der Beleuchtung“ vor uns. Zur Zeit ist der Ingenieur der Edison'schen Abtheilung, Mr. Batchelor, im Palais de l'Industrie damit beschäftigt, einen neuen Dampfkrafterzeuger zur Speisung von weiteren 500 Glühlichtern aufzustellen Der Preis des Glühlichts wird vorläufig gleich demjenigen des Steinkohlengases normirt werden. Für Paris ist die Organisation des Glühlichtsystems Edison's bereits für Wohnhäuser und Industrielle Etablissements in Angriff genommen.

Die allabendlich im Ausstellungspalast entwickelte elektrische Lichtmenge von rund 1/2 Million Gasflammen wird erzeugt durch Rotation von 50 Dampfmaschinen und Locomobilen, sowie einer größeren Reihe Gaskraftmaschinen. Die Gesammtstärke aller dieser Kraftmotoren kann man auf rund 1500 Pferdekräfte normiren, und sind außerdem zur Erzeugung der elektrischen Ströme für die Telegraphenapparate etc. circa 2000 Elemente thätig.

Elektrisches Licht in luftverdünntem Raume finden wir noch in einer vorzüglich ausgestatteten Collection der beiden Firmen Dr. Geißler’s Nachfolger (Müller) in Bonn und Müller in Hamburg. Hier entsteht das prachtvollste Licht, sobald man einen Inductionsfunken durchschlagen läßt. Die in allen möglichen Formen, Windungen und Figuren gebogenen Glasröhren und Kugeln sind zum Theil mit phosphorescirenden und fluorescirenden Stoffen, als Cosin, Aesculin, Chlorophyll etc., präparirt und geben die verschiedenartigsten, wunderbarsten Lichteffecte. Voraussichtlich wird dieses Glühlichtsystem sehr bald praktische Verwendung finden in Personen- und Eilzügen der Eisenbahnen, sowie Schiffskajüten. Alle Grundbedingungen zur Erzeugung und Verwendung des elektrischen Lichts sind hier vorhanden: schnelle Rotation, genügende disponible Dampfkraft und kleine, mäßig zu erhellende Räume. Da Amerika auf diesem Gebiete vorangegangen, wird die übrige Verkehrswelt wohl bald folgen.

Sehr hohes allgemeines Interesse erregen ferner auf der Pariser Ausstellung die „galvanoplastischen“ Niederschläge und Präparate. Nachdem im Jahre 1888 Jacobi das erste gelungene galvanoplastische Experiment gemacht, finden wir heute hier galvanoplastische Niederschläge von Kupfer, Gold, Silber etc. in Platten von 1 Quadratmeter Größe und 11/2 Centimeter Dicke von chemisch reinster Beschaffenheit, Kupferbarren und Stäbe von 1 Quadratdecimeter Querschnitt und bedeutender Länge, mächtige Gold- und Silberbarren, alles durch Elektricität niedergeschlagen, ferner an die zahlreichen architektonischen und künstlerischen Anwendungen der Galvanoplastik in den Kunstgewerben: die gediegensten Formen und Schöpfungen der Ciselirarbeit, auf galvanischem Wege verschönert und bis zu höchster Stufe vollendet, galvanoplastische Nachbildungen des berühmten Hildesheimer Silberfunds, Verkupferungen von natürlichen Fröschen und allerhand Amphibien und anderer eigenartiger Gegenstände.

Für das technische Publicum besonders sehr anziehend sind die reichhaltig vorgeführten „historischen Originalapparate“ aller großen Physiker und Gelehrten der elektrischen Wissenschaft. Da sehen wir die erste Reibungs - Elektrisirmaschine von Otto von Guericke in Gestalt einer massiven großen Schwefelkugel, welche, mit einer Handkurbel gedreht, die Elektricität erzeugt. Da steht ferner in der deutschen Abtheilung das erste elektrische Ei, der Urahn des Edison'schen Glühlichts, in wunderlicher mittelalterlicher Holzeinfassung, ebenfalls von Otto von Guericke erfunden. Hier, in einem simplen Glaskasten, hängt das Bild von Ph. Reis, daneben sein erstes Telephon.

Auch die erste elektrische Eisenbahnlocomotive, welche Siemens auf der Berliner Gewerbe-Ausstellung zum ersten Mal öffentlich gezeigt hat, ist da; ebenso erblicken wir die ersten Telegraphenapparate von Steinheil, Weber, Gauß, die erste dynamo-elektrische Maschine (1888) von Siemens – Beweise genug, daß die deutsche Nation auf elektrischem Gebiete ebenso tüchtig und erfahren wie im Kriegswesen ist. In den Collectionen anderer Staaten finden wir ferner die „erste Säule Volta's“, den „ersten Nadeltelegraphen“, Originalbriefe elektrischen Inhalts von Newton, Ampere und Volta, sowie eine große Anzahl alter Werke der hervorragendsten Autoren wie Franklin, Priestley und Anderer.

Was das weite Gebiet der „Zeiger-, Schreib- und Drucktelegraphen“ betrifft, so hat besonders Frankreich eine vorzügliche anschauliche Sammlung seines Ministeriums der Post und Telegraphen vorgeführt. Von anderen Staaten sind besonders das deutsche Reich, Oesterreich und Amerika im Telegraphen- und Signalwesen hervorragend vertreten. Hier finden wir den elektrochemischen Apparat von Sömmering vom Jahre 1809, der auf der Zersetzung des Wassers basirte, ferner alle die zahlreichen Erfindungen von Siemens, Schmidt (Sachsen), den ersten Farbschreiber von John (Böhmen) und den erst vor wenigen Monaten erfundenen Harmonic Telegraph von Gray (Amerika), der es ermöglicht, mit Hülfe nur eines Drahtes gleichzeitig zwischen sechs Apparaten hin und zurück zu correspondiren. Das Princip des Gray’schen Systems beruht auf der continuierlichen Erzeugung von kleinsten Schwingungen durch einen fortwährend vibrirenden Theil, Stimmgabel genannt. Hebt man diese feinen Vibrationen durch das Lösen eines Hebels in dem einen Apparat auf, so ist die Communication nach den anderen Apparaten augenblicklich unterbrochen. Die Ausführung der Apparate, welche in Chicago gebaut sind, zeugt vom feinsten und gediegensten Geschmack, sowohl was Exactheit der Function, wie auch künstlerische Ausstattung betrifft.

Zur Isolirung der elektrischen Apparate verwendet man in neuester Zeit außer den früher üblichen Stoffen: Holz, Elfenbein, Guttapercha mit großem Erfolge den „Glimmer“, der in sehr umfangreichem Maßstabe von Max Raphael, Glimmerfabrik zu Breslau zu diesem Zwecke verarbeitet wird. Raphael, ein geborner Holländer, bezieht seit dem Jahre 1835 das Rohmaterial aus seinen reichen Glimmerminen Ostindiens und liefert für den gesammten europäischen Continent, sowie auch nach den Vereinigten Staaten von Nordamerika (Edison bezieht seine Telephon-Membrane sämmtlich von Breslau) seine Fabrikate als: Compaßrosen, Platten und Scheiben in jeder Form, Telephon-Membrane und matte Scheiben für elektrisches Licht, Glimmerspiegel zu Reflectoren und Signalgebungen bei Leuchttürmen Platten zu Condensatoren und Blockapparaten etc. Der jährliche Export Raphael's nach Ostindien beläuft sich auf 400,000 Dutzend, nach New-York auf eine halbe Million Glimmerpräparate.

Auf unserer beigegebenen Illustration haben wir die Abtheilung des deutschen Reichs dargestellt. Im Centrum erblickt man die Büste der Germania auf hoher, von Telegraphenkabeln gezierter Säule, modellirt von Eberlein. Rechts von ihr erhebt sich der große elektrische Candelaber von Siemens nach den Entwürfen

der Architekten Kyllmann und Heyden. Wir sehen ferner

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 715. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_715.jpg&oldid=- (Version vom 1.11.2022)