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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

die freundlichen Städte Greiffenberg und Friedeberg nebst dem Greiffenstein das Auge fesseln. Auf letzterem, fast 450 Meter aus der Ebene aufragenden Basaltkegel thronte einst eine der großartigsten Burgen, deren Rinne trotz aller Zerstörung durch Elemente und Menschenhände, malerisch mit vielen Erkern, Bildwerken und hohen Bogenfenstern geziert, noch immer majestätisch auf die schlechten Neubauten an ihrem Fuße herabblickt. Weiterhin zeigt sich uns die sagenumwobene Ruine des „Kynast“; fast 600 Meter hoch über dem Meeresspiegel liegend, aus prachtvollen Waldungen hervorblickend, überragt sie majestätisch das an ihrem Fuße sich langhinstreckende, durch Sommergäste höchst belebte Hermsdorf. Der Südabfall des Burgberges ist sehr steil und wild, und man hat ihm den Namen „Hölle“ oder „Höllengrund“ beigelegt. Auf diesem Felsenneste thronte einst, wie die Sage erzählt, die schöne Kunigunde, welche, als viele edle Ritter um ihre Gunst warben, übermüthig erklärte, nur demjenigen Freier ihre Hand schenken zu wollen, der hoch zu Roß die Burg hart an deren steiler, in den Höllengrund abstürzender Mauer umreiten würde. Und es fanden sich der Tollkühnen genug, welche den gefährlichen Ritt wagten, aber regelmäßig in den Abgrund stürzten und ihre verlorene Liebesmüh’ mit dem Tode büßten. Da meldete sich eines Tages ein nicht mehr jugendlicher Ritter an dem Burgthore und erklärte sich bereit, das kühne Reiterstück zu vollbringen. Die ernste, würdige Erscheinung des Ritters schien Liebe in dem Herzen der schönen Kunigunde geweckt zu haben, und sie bestürmte den Fremden mit zärtlichen Bitten, sein Leben zu schonen und von seinem Vorhaben abzusehen. Aber sie bat umsonst; er vollführte die von der Burgherrin gestellte Bedingung. Mit glühenden Wangen begrüßte ihn jetzt Kunigunde und bot ihm Herz, Hand und Schloß an, er aber lehnte kalt ihre Gunstbezeigung ab und „verließ sie zur selbigen Stunde“, da er die muthige That nur vollbracht, um Andere vor Unglück zu behüten.

Noch viele andere ähnliche Sagen von Rittern, die hier in der Gefangenschaft schmachteten, und von Edelknappen, die aus Liebesweh ihren Tod in dem Höllengrunde suchten, knüpft das schlesische Volk an diese Ruine, von deren Ursprung die Geschichte Genaues nicht zu berichten weiß.

Von dem Kynast gelangt man leicht nach Warmbrunn, einem der bekanntesten schlesischen Bade-Orte, der außerdem durch die werthvolle gräfliche Bibliothek mit 40,000 Bänden, zahlreichen Urkunden für böhmische und schlesische Geschichte und arabischen sowie chinesischen Manuscripten berühmt ist. Die in der Nähe der Stadt liegenden Anhöhen gewähren ziemlich weite und schöne Aussicht; unter ihnen sind besonders die „Hausberge“ hervorzuheben, von deren Spitze man nicht nur die gleich Spielzeughäuschen an ihrem Fuße malerisch ausgebreitete Stadt und das Hochgebirge bis zu den durch ihre Form fesselnden Falkenbergen, sondern auch die Boberschlucht überblickt.

Unter dem in früheren Zeiten wegen eines süßen berauschenden Bieres stark besuchten Stonsdorf erhebt sich der durch abenteuerlich gruppirte groteske Felsen und Höhlen geognostisch interessante kleine „Prudelberg“, während den Botaniker der nahe gelegene wohlgepflegte „Kreuzberg“ fesselt. Am anziehendsten aber ist in dieser Gegend unstreitig der Blick aus den Fenstern und vom Thurme der „Heinrichsburg“, eines aus schönem Hochwalde sehr einladend hervorblickenden Jagdschlosses des Fürsten Reuß.

Von hier gelangen wir zu drei landschaftlichen Perlen des weiten Hirschberger Hochthales: Erdmannsdorf, Buchwald und Fischbach. Nicht nur ihre höchst ausgedehnten, mit malerischen Schlössern reichgeschmückten Parkanlagen strotzen von Fruchtbarkeit, herrlichem Baumwuchs und einer fast alpenartigen Hochgebirgsflora, sondern auch die zu ihnen bergauf bergab führenden Fahrwege laufen meilenweit durch einen einzigen großartigen Park, wie ihn in solcher Ausdehnung vielleicht kein anderes Gebirge besitzt.

Bei Erdmannsdorf bot Friedrich Wilhelm der Vierte den in Tirol wegen ihres Glaubens hartbedrängten lutherischen Gemeinden in den Colonien „Ober-, Mittel- und Nieder-Zillerthal“ ein schönes fruchtbares Asyl. Wohl sind die von ihnen erbauten malerischen Tiroler Häuser noch Zeugen seiner menschenfreundlichen Absicht, jedoch die hiermit Bedachten verstanden es nicht, durch Wirthschaftlichkeit und Respectirung der dortigen Verhältnisse ihren neuen Wohnsitz zu einem segensreichen zu machen, und so bieten diese Colonien mit ihren Aeckern und Heimstätten heutzutage keinen erfreulichen Anblick dar.

Die hier vorhandenen Aussichtspunkte bieten im Grunde dasselbe Bild. Wer die kraftvolle Frische reicher Waidgründe oder die ernste Großartigkeit alpenartiger Schluchten, romantische Felsen- und Wasserpartien vorzieht, der findet in dieser vielseitigen Urgebirgsgruppe ebenfalls reiche Befriedigung.

Die bequemste, anmuthigste Partie ist unstreitig von Petersdorf aus eine Fahrt zu den beiden Glashütten der Grafen Schaffgotsch und Harrach („Josephinenhütte“ und „Neuwald“ oder „Neuwelt“) auf der mehrere tausend Fuß ansteigenden vortrefflichen Poststraße, die mit ihren zahlreichen Wendungen fortwährend neue Bilder bietet. Aehnlich wie der Sandstein z. B. in der sächsischen Schweiz, ist hier der Granit zu Felsenmauern und anderen grotesken Formen ausgewaschen, sowie mit üppigstem Schwarz- und Laubwald überwachsen, über weichen als großartiger Hintergrund das Hochgebirge herabblickt, während der zahlreiche Glasschleifereien und Sägemühlen treibende, formenreiche Zackenbach rauschend über Felsgeröll stürzt. Die „Josephinenhütte“ liegt in schönen Tannenwald eingebettet über dem fast 600 Meier hoch gelegenem weithin zerstreuten, beinahe 4000 Einwohner zählenden Schreibershau oder Marienthal. In der Nähe bilden zwei Zuflüsse des Zacken, Kochel und Zackerle, kleine Fälle, welche aber nicht als Wasserfälle, sondern vielmehr durch ihre malerische Wald- und Felsenumgebung das Auge des Beschauers fesseln. Unfern der Hütte überrascht auf dem Fußwege zum Kochelfall ein weiter Aussichtspunkt.

Weiter nach Osten, gegen die böhmische Grenze hin, beginnt die Landschaft besonderen Reiz zu entfalten. An den Quellen der Mettau, eines Nebenflusses der Elbe, tritt plötzlich der Quadersandstein in großer Mächtigkeit auf und erscheint hier als die vier Kilometer lange Gruppe der Adersbacher Felsen, die ursprünglich eine einzige große Felsmasse bildeten, bis dieselbe durch die fortwährenden Witterungseinflüsse in die einzelnen, jetzt wildromantisch an einander gereihten Theile zerklüftet wurde. Eine Fortsetzung dieses „Felsenwaldes“ findet man in geringer Entfernung bei Weckelsdorf. Diese durch ihr zauberhaftes Echo berühmte Felsenpartie, welche auf unserm heutigen Bilde theilweise wiedergegeben ist, war lange Zeit hindurch selbst den Einwohnern der Umgegend unbekannt. Erst im Jahre 1824 legte ein großer Waldbrand die Zugänge zu dieser „Felsenstadt“ offen, und seit 1847 wurden sie zu einem der beliebtesten Ausflugsorte der in den schlesischen Bädern weilenden Gäste.

Vor „Neuwelt“ führt durch schönen Laubwald, durch Harrachsdorf ein vom Grafen Harrach ausgezeichnet angelegter Reitweg im Thale der Mummel bei einem kleinen Falle derselben vorbei und steigt zum staubbachähnlichen Pantschefall und zum Elbfall hinauf. Die Pantsche ist ein kleiner Bach, der in der sumpfigen Pantschenwiese seinen Ursprung hat, und über den Felsrand stürzt, um in die unten vorbeirauschende Elbe sich zu ergießen. Der Höhenabstand zwischen der Elbe und dem oberen Felsrand, wo der Wasserfall beginnt, ist sehr bedeutend; denn er beträgt gegen 250 Meter.

So würde der Pantschefall, dank der romantischen Felsenumgebung, alle Vorbedingungen erfüllen, um der großartigste Wasserfall der Sudeten zu sein, wenn ihm nicht eine einzige dieser Bedingungen fehlte: das nöthige Wasserquantum. Man hilft sich aber, so gut es eben geht, sammelt oben das Wasser in einigen Reservoirs und läßt es auf Verlangen der unten harrenden Touristen durch Oeffnung einer Schleuße in größeren Massen herabströmen. Aehnlich verhält es sich auch mit dem gegen 55 Meter hohen Elbfall, welcher im Sommer durch Schleußenanlagen geregelt werden muß, um ein wirklich ergreifendes Naturschauspiel zu bieten. Hier wie bei Wurzelsdorf zeichnen sich die Thäler der Elbe und Iser durch hohe landschaftliche Reize aus; die mit Unrecht wenig besuchte Thalschlucht der Kleinen Iser am Südabhange der Kesselkoppe aber wetteifert in rauher, schauerlicher Wildheit unzugänglicher Felsenwände mit den drei „Schneegruben“ auf der Nordseite. Um letztere richtig zu würdigen und wahrzunehmen, wie bedeutende Schneemassen sie bergen, muß man möglichst tief in eine derselben hinabsteigen Riesengroße Granitkegel erheben sich thurmgleich aus furchtbarer Tiefe empor, von den Wänden einst durch Hitze und Frost abgesprengt; zugleich durchziehen höchst merkwürdige schmale Basaltadern den Granit in so enger Verbindung, wie sie bei diesen Urgesteinarten im ganzen übrigen Europa nirgends vorkommt.

Unser heutiges Bild stellt noch einen der nahe bei einander am

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 683. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_683.jpg&oldid=- (Version vom 23.10.2022)