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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

Der leitende Gedanke des Regierungsplanes war aber, reines Quellwasser aus den tiefeinschneidenden Thälern mittelst kräftiger Pumpwerke und ausgedehnter gußeiserner Röhren auf die wasserlosen Höhen der raunhen Alb zu heben. Zu diesem Zwecke wurde das gesammte Gebiet in neun Gruppen abgeteilt, von denen eine jede ihrer geographischen Lage nach ein für die Wasserversorgung natürliches Ganzes bildete. Jede Gruppe erhielt zunächst eine Pumpstation im Thale, wobei zum Betrieb der Pumpmaschinen grundsätzlich nur Wasserkräfte der kleinen Albflüßchen, der Eyb, der Fils, der Blau, der Schmiech, der Aach und der Lauter benutzt wurden. Bei der Anlage dieser Stationen traf man jedoch vorsorglicher Weise die Einrichtung, im Nothfalle die Wasserkraft jeden Augenblick auch durch Dampfmaschinen ersetzen zu können. Die Leistungsfähigkeit der Werke wurde dabei so normirt, daß sie für den Tag und den Kopf der Bevölkerung gewöhnlich 75 Liter Wasser in die Höhe fördern, bei außerordentlichen Anlässen jedoch für den Kopf 120 bis 130 Liter in 24 Stunden zu liefern vermögen.

Von diesen Stationen aus wird nun das Wasser durch weite gußeiserne Röhren in große Reservoirs, welche auf den Anhöhen der Alb erbaut wurden, gepumpt. Von den Reservoirs dagegen führen gußeiserne Röhren zu den tiefer gelegenen Ortschaften, und durch diese Leitungen fließt das Wasser, dem natürlichen Gefälle folgend, wie in den gewöhnlichen städtischen Wasserleitungen, den menschlichen Ansiedlungen zu. Unsere Abbildung Nr. 3 (Seite 613) veranschaulicht uns die Anlage einer derartigen Leitung; sie stellt einen Theil des Längenprofils der Eybgruppe dar. Unten im Thale sehen wir die Pumpstation bei Eybach; die schwarzen Linien, welche sich von derselben nach rechts und links in die Höhe ziehen, veranschaulichen den Weg der gußeisernen Leitungen, welche in den Hochreservoirs münden und ihnen das Quellwasser des Thales zuführen. Von den Reservoirs dagegen sehen wir punktirte Linien zu den einzelnen Dörfern sich senken; dieselben stellen wieder eiserne Röhren vor, welche die Brunnen und Hydranten (Feuerhähne) der Ortschaften mit Wasser speisen. Welche Förderhöhen dabei überwunden werden müssen, ersehen wir an den fein punktirten Linien, die den Höhenabstand der höchsten Reservoirs bei Böhmenkirch und Stötten von dem Wasserspiegel der Pumpstation bezeichnen: er beträgt genau 282 Meter.

Das war also in allgemeinen Zügen der von der Regierung entworfene Plan der Wasserversorgung der Alb, gegen dessen Ausführung sich die Bevölkerung jahrelang wehrte. Erst als der Staatszuschuß bewilligt wurde, beschlossen die Gemeinden von Justingen, Ingstetten und Hausen, den Bau der 1. Section der Gruppe VIII des allgemeinen Planes in Angriff zu nehmen.

Der 11. Mai 1870, an welchem der erste Spatenstich zur Anlage der Wasserversorgung dieser Gemeinden unter Bauoberleitnug des Staatstechnikers Oberbaurath Dr. von Ehmann gethan wurde, wird wohl noch lange Jahre hindurch in der Erinnerung der dankbaren Aelbler fortleben; denn er bezeichnet für dieselben den Beginn einer neuen Epoche, den Anfang eines menschenwürdigeren Daseins. Von da ab lebten die wetterharten Schwaben der Alb in gar fieberhafter Aufregung; die Cultur schickte sich ja an, die wüste Alb zu erobern; mit ihren lauten Hammerschlägen, mit dem weithin vernehmbaren Stöhnen der arbeitenden Maschinen rüttelte sie die Bevötkerung auf aus dem langen, langen Schlafe. Jetzt begriff man in der stillen Zurückgezogenheit der Berge die Wohlthaten des Fortschritts und das Elend der von Vätern und Großvätern überkommenen Zustände; jetzt hieß es wohl in gutgemeintem Sinne: „Ja, Bauer, das ist was Anderes.“

Lassen wir jedoch über die große Umwälzung, welche die Ausführung der ersten Wasseranlagen auf der Alb hervorrief, die besagte Denkschrift selbst berichten:

„Mitten im Kriegsjahre wurden unter neuen Sorgen die Arbeiten mit äußerster Energie betrieben. Schon am 18. Februar 1871 bei fünfzehn Grad Kälte ergoß sich unter wahrem Festjubel der ganzen Bevölkerung erstmals das herrlichste Wasser aus einer Anzahl stattlicher Brunnen und Hydranten in Justingen, Ingstetten und Hausen, auf jeden Kopf der erstaunten Bevölkerung durchschnittlich siebenzig Liter des so lange auf ihren wasserlosen Höhen ersehnten Elementes weithin spendend. Obgleich in den Straßen und auf geeigneten Plätzen in genügender Zahl aufgestellte sogenannte ‚selbstschließende Ventilbrunnen‘ von einfacher, aber gefälliger und zweckmäßiger Form vorgesehen wurden und bequem zur Wasserentnahme dienen können, so begnügten sich die Bewohner der Gruppenorte doch keineswegs mit diesen öffentlichen Brunnen allein; es wurden vielmehr noch sogenannte ,Privatwasserleitungen‘, besondere Haushaltungsbrunnen, mittelst zahlreicher Abzweigungen von den Straßenröhrennetzen hergestellt. Die mit gutem und frischem Wasser jetzt so reichlich versorgte Bevölkerung wünschte ihre Hahnen auch in den eigenen Häusern, Küchen und in den Stallungen zu haben, um in den letzteren unmittelbar das zahlreiche Vieh zu tränken, statt wie früher in jeder Jahreszeit dasselbe an die schmutzige Hülbe treiben zu müssen. Ueberall, in alle größeren Wirthschaften, Hofräume, Brauereien, sogar bis in die Gemeinde-Armenhäuser ist das Wasser in den Albgruppen eingeleitet, an Bequemlichkeit und Zweckmäßigkeit die Wasserbezugseinrichtungen manches Stadtbewohners weit überbietend.

Schon dem Baue selbst wurde die gespannteste Aufmerksamkeit der Albbewohner und manches Wort des vermutlichen Gelingens oder Mißlingens gewidmet. Als aber dieses erste neue Werk einmal im besten und ungestörten Gange war, entstand eine Wallfahrt nach Theuringshofen zur Pumpstation, nach Justingen, Ingstetten und Hausen. ‚Voll Bewunderung für das geschaffene große Kunstwerk‘ kehrten die Albbewohner wieder in ihre Gemeinden zurück, von jetzt an wenig mehr befriedigt von den eigenen heimatlichen Cisternen, Hülben und ,den Wasserställen‘ für Dachwasser.“

Auf der Alb hauste früher in unbändiger Ausgelassenheit ein furchtbarer Feind, dem der Aelbler machtlos gegenüberstand. Wenn die rothe Feuersbrunst über den Strohdächern der Dorfhütten aufflackerte, dann war vom Löschen keine Rede; dann mußte man Hab und Gut dem zerstörenden Elemente wehrlos überlassen.

Nun geschah es, daß kurz nach der Vollendung der ersten Wasseranlage in dem Orte Justingen eine Feuersbrunst ausbrach, die sofort einen entschieden gefährlichen Charakter zeigte. Mittelst der in der Nähe befindlichen Hydranten konnte aber das Feuer in kürzester Frist gelöscht und das brennende Gebäude buchstäblich mit Wasser überschwemmt werden. Das wirkte überzeugend, und von da ab begann in den Albdörfern eine rührige Agitation für das Wasserversorgungswerk, bis der ursprüngliche Plan der Regierung in der glänzendsten Weise ausgeführt wurde.

Nun steht das große Culturwerk in seiner Vollendung da; es spendet das nöthigste aller Bedürfnisse, frisches fließendes Wasser, den 100 Ortschaften eines rund 1800 Quadratkilometer oder etwa 80 Quadratmeilen umfassenden Landestheiles und einer Bevölkerung von circa 40,000 Seelen. Ueber Berge und durch Thäler winden sich die gußeisernen Röhren in einer Gesammtlänge von 360 Kilometer, während sich von ihnen zahlreiche kleinere schmiedeeiserne Leitungen abzweigen, deren Länge etwa 140 Kilometer beträgt. Von den Höhen des steinernen Plateaus winken 62 schmucke Hochreservoirs und necken förmlich die sagenhaften Berggeister, welche das Regenwasser entführten, um die Alb unbewohnbar zu machen. In den Tiefen der Thäler arbeiten dagegen rastlos die 9 Pumpstationen, täglich 5 Millionen Liter Wasser bis zu einer Höhe von 310 Meter fördernd. Da lebt ja die felsige Alb in Wirklichkeit. Wir hören im Thale ein eisernes Herz schlagen; es treibt die belebende Flüssigkeit in eisernen Schlagadern in die Höhe; es läßt dieselbe zerfließen in tausend kleinen Haargefäßen, und dieses Blut der Alb rinnt ja ausgenützt durch die zahlreichen Spalten und Klüfte des Bergkörpers wieder in’s Thal hinab, um von Neuem den Kreislauf zu beginnen.

Aber unsägliche Mühe kostete es, ehe dieses stolze Friedenswerk des deutschen Geistes fertig dastand. Mancher Schweißtropfen rann über die sinnende Stirn des Gelehrten und über das sonnenverbrannte Antlitz des Arbeiters, bevor die lustig plätschernden Bäche und Flüßchen gezwungen wurden, die schwere Arbeit der Wasserförderung auf die Höhe zu übernehmen. Lassen wir uns einmal die Entstehungsgeschichte der auf unserem Bilde 2 veranschaulichten Pumpstation der Gruppe II im oberen Thale der Fils erzählen!

Zunächst wurde unmittelbar vor dem in reizender Umgebung gelegenen Stationshäuschen ein 3 Meter weiter Grundwasserschacht bis in die unteren reinen Kiesschichten des Thalgrundes abgeteuft, das reichlich demselben zufließende Quellwasser chemisch geprüft und als gutes Trinkwasser erkannt. Damit war eine ergiebige Quelle erschlossen, welche die Bedürfnisse von 10 Ortschaften mit einer Bevölkerung von 7720 Seelen vollauf befriedigen konnte.

Hierauf mußte der Lauf des jungen Filsflüßchens derartig geregelt werden, daß seine Strömung nunmehr im Stande wäre,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 614. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_614.jpg&oldid=- (Version vom 18.9.2022)