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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

„Ja, hier steht ja doch aber, daß Sie nach Glubberat sollen; das liegt ja noch eine Meile weiter von hier in jener Richtung. Dieses Dorf hier heißt ja Habbelrat.“

„Verzeihen der Herr Lieutenant: In Glubberat liegt unser Stab mit der ersten Schwadron. Ich selbst komme soeben von dort und bin von meinem Rittmeister hierher geschickt worden.“

„Unmöglich! Ich habe ja Ihren Stab mit der ersten Schwadron abbiegen sehen nach Gierat. Sie sollen nach Glubberat; glauben Sie mir nur!“

„Zu Befehl, Herr Lieutenant!“

Der Ulanenunterofficier schwingt sich wieder zu Rosse und reitet mit seiner Truppe von dannen, so wie er gekommen. Glubberat, Habbelrat, Gierat – so schwirrt es in seinem Kopfe wie ein Hummelschwarm. Ob er endlich das richtige von den drei verfänglichen Dörfern errathen und getroffen habe, das wissen wir nicht mehr. Unser Lieutenant richtet sich indessen mit seinen Mannschaften so bequem wie möglich in Habbelrat ein und wird bis zum Aufbruche am anderen Morgen nicht mehr in seinen Quartieren behelligt.

Die Schuld an dem kleinen Mißverständnisse traf übrigens, wie wir später erfuhren, nicht unseren wackeren Ulanenunterofficier, sondern einen Vorgesetzten, welcher in Namensverwechselungen allerdings das Mögliche leistete und welchem die benachbarte Lage der drei namensverwandten Dörfer Glubberat, Habbelrat und Gierat auf dem Manöverplan die größten Verlegenheiten bereitete. Er führte nach diesem Manöver unter seinen Cameraden den Beinamen „Herzog von Gierabbel“.

Unser Maler bringt uns noch das Bild (S. 597.) einer forschen preußischen Husaren-Attacke in Linie, und wir erlauben uns, als Commentar dazu und zugleich als einen kleinen Beitrag zur Poesie der Cavallerie-Attacken im Frieden die nachfolgenden Verse zu geben. Dieselben beziehen sich eigentlich auf die große Cavallerie-Attacke, welche Wrangel zum Schlusse des für seine Zeit epochemachenden Exercirens einer großen Cavalleriemasse (56 Escadrons mit 32 reitenden Geschützen) auf dem Tempelhofer Felde bei Berlin (im Herbst 1843) ausführen ließ.

„– – Es folgte der Choc; im Schritt fing er an, dann Trab, Galopp und Carrière,
Noch etwas verhalten den Hügel hinan, dann im sausenden Ventre à terre,
Die sprühenden Nüstern vorgestreckt, ein Strich vom Schweif zu den Mähnen;
Die Erde dröhnte; es wirbelt’ der Staub hoch auf von den sandigen Plainen –
Die Säbel hoch über den Häuptern gezückt, daß sie pfeifend die Lüfte durchschnitten –
Es war, als wäre des Zielen Geist in jeden Reiter geritten,
Je weiter, je wilder, die Zügel verhängt, Um jetzt mit der höchsten Gewalt,
Mit den vollen Kräften von Mann und Roß auf den Feind zu stoßen, und – H-a-l-t!
Erschallt das Signal, und festgebannt, eine Mauer, steht das Ganze.
,Präsentirt das Gewehr!‘ – die Hymne tönt: ,Heil dir im Siegerkranze!'“

Ja, sie haben's auch in der langen Friedensperiode nicht verlernt, unsere Reiter, gleichviel ob sie den blanken Küraß tragen oder den blauen Waffenrock, ob sie den Säbel schwingen oder die Lanze einlegen, und sie können's heute noch – das haben die Tage von Mars la Tour, Sedan und Orleans bewiesen. Der Geist der Zieten und Seydlitz ist nicht gestorben; er ist nur tiefer und weiter eingedrungen in unser Volk, welches bei aller Friedfertigkeit und Verträglichkeit doch die altgermanischen Tugenden der Wehrhaftigkeit und Waffentüchtigkeit bewahrt und bewährt.





Blätter und Blüthen.


Die Erdpyramiden des Finsterbachthales. (Mit Abbildung Seite 589.) Im südlichen Tirol zwischen Bozen, dem rhätischen Florenz, und Kastelrut, der einstigen römischen Burg, liegt die eigentümliche Landschaft, welche unser heutiges Bild dem Leser vorführt. Dort, wo der Finsterbach seine schäumenden Wellen dem Eisack zutreibt, erhebt sich an seinem rechten User der große Wald der Erdpyramiden: mächtige Säulen aus thonigem Porphyr, welche, in buntem Gewirr an einander gereiht, dastehen. Jeder dieser thönernen Kolosse trägt einen Felsblock als riesigen Steinhelm auf seinem Haupte, und manchen von ihnen krönt eine einsame Fichte, einem gewaltigen Federbusch vergleichbar. So lange nun ein solcher Riese mit dieser steinernen Sturmhaube geschützt ist, kann er sicher dem tobenden Unwetter trotzen. Gelingt es aber der Macht der Elemente, den Felsblock von der Spitze der Erdpyramide herunterzuwälzen, so erliegt sie bald dem zerstörenden Einflusse der Gewitter und stürzt krachend zusammen. Also besteht auch hier unaufhörlich seit Jahrtausenden der großartige Kampf, welchen Berge und Wolken gegen einander führen, und mächtiges, wild zerklüftetes Gerölle bezeichnet den fortschreitenden Sieg der „himmlischen Mächte“.

Dieser steinerne, stille Wald, der unsere Bewunderung erregt, sproß indessen nicht aus der Erde hervor, wie sein grüner, rauschender Nachbar; er wuchs vielmehr von oben nach unten. Einfach ist seine Entstehungsgeschichte. Die Wasser des schmelzenden Gebirgsschnees und der brausenden Gewitter lösen das thonige Gestein, aus dem hier die Hauptmasse des Berges besteht, allmählich auf, und nur dort, wo zerstreut feste Felsblöcke daliegen, wird die Unterlage derselben vor dem zerbröckelnden Einfluß der Witterung bewahrt. Jahraus jahrein wiederholt sich dieses Schauspiel, und der unermüdlich herabfallende Wassertropfen durchwühlt den Berg, bis all der Stelle desselben nur ein Wald der felsgekrönten Erdpyramiden in die Lüfte ragt.

Aehnliche Wundergestalten zaubert ja in höheren Alpenregionen der sengende Strahl der Sonne vor unsere Augen. Auch auf den Eisfeldern der Gletscher liegen zerstreut gewaltige Felsblöcke, welche dem Tagesgestirn wehren, daß es die unter ihnen liegenden Eismassen schmelze, und ehe der Sommer vergeht, entstehen dort oben die bekannten Gletschertische, die zu ihren Schwestern, den Erdpyramiden im Thale, grüßend hinabschauen.

Aber lassen wir unsern Blick weiter über die Landschaft des Finsterbaches schweifen! Hinter dem kleinen Dorfe auf der Höhe, mit dem schlanken Kirchthurm – es ist Mittelberg, ein beliebter Ausflugsort der Bozener – ragen gewaltige Felsmassen empor, die berühmte Dolomitgruppe des Schlern. Wüst und öde erscheint uns das steinige Hochplateau, einen grellen Gegensatz zu der benachbarten grünenden, von zahlreichen Heerden und munterem Sennervolke belebten Seisseralpe bildend. Und doch, wie oft weiß sich der nackte Berg in erhabene Schönheit zu kleiden! Wenn auf seine gegen Bozen steil abstürzende, zackig zerklüftete Wand die rothen Strahlen der Abendsonne fallen, dann entrollt sich ein purpurfarbenes, zauberhaftes Bild vor unseren Augen, und wir sehen entzückt, wovon wir in der Jugend gehört nunmehr in Wirklichkeit – „König Laurin's wunderbaren Rosengarten“. Da wird es lebendig in dem kahlen Berge; die alte deutsche Sage webt buntfarbig da drinnen. Wunderbare Bilder ziehen an unserem geistigen Auge vorüber. Aus den Spalten der glühenden Alpe tritt der Zwergkönig Laurin hervor und raubt die ritterliche Jungfrau. Da ziehen die Helden gegen den Berg, und die Rosen des Zwerges werden zertreten. Streit und Kampf, List und Verrath, Rache und Versöhnung klingen schließlich in gewaltigen Accorden zu einem epischen Gesange zusammen.

Glücklich, wer diese Wunder der heimischen Berge, wer diese sagenumwobenen Stätten sehen kann! Das Bild des Künstlers ist der schönen Wirklichkeit nicht ähnlicher als das Echo dem über den Bergen rollenden Donner; niemals vermag der Stift des Zeichners die Majestät der Alpenwelt vollständig wiederzugeben.






Noch einmal etwas vom Blumendünger. Im Verlauf der letzten zwanzig Jahre haben die deutschen Versuchsstationen durch ununterbrochene Verbesserung der Untersuchungsmethoden festgestellt, daß alle grünen Pflanzen, von der einfachsten einzelligen Alge an bis zu den höchst entwickelten Dikotyledonen, in freier Natur von den vollständig desorganisirten Stoffen leben, welche die Atmosphäre, die Gewässer und der Boden ihnen darbieten. Die chlorophyllhaltige Pflanzenzelle steht zwischen den Gebilden der unorganischen Natur und denen des Thierreichs in einem wahrhaft wunderbaren Lichte, insofern sie in ihrem Inneren alle organische Materie erzeugt, aus welcher der Pflanzenkörper und auch der Thierkörper besteht; denn die Substanz des Pflanzenkörpers dient dem pflanzenfressenden Thiere zur Nahrung und dieses dem Fleischfresser. Alle die in dieses Gebiet einschlagenden Fragen wurden im Laufe der angegebenen Zeit experimentell erledigt, in der Absicht, durch Feststellung der materiellen Bedürfnisse der höher organisirten Pflanze, dem praktischen Feldbau mit Sicherheit lehren zu können, was Dünger sei, und dahin präcisirt, daß im großen Ganzen zur Ernährung der höher organisirten Pflanze nothwendig sind die vier Basen: Kali, Kalkerde, Talkerde, Eisenoxyd, ferner die vier Säuren: Kohlensäure, welche die Blätter ohne weiteres Zuthun von Menschenhand aus der Atmosphäre aufnehmen, Salpetersäure, Phosphorsäure und Schwefelsäure, welche die Pflanzen mit Hülfe der Wurzeln dem Boden und der Bodenflüssigkeit entziehen und für deren Wiederersatz der Landwirth ebenso sehr Sorge tragen muß, wie für den der genannten Basen; dazu noch das indifferente Wasser – im Ganzen also neun Oxyde. Vorausgesetzt, daß den Blättern behufs Aufnahme der Kohlensäure frische Luft genug zu Gebote gestellt wird, kann man alle übrigen noch erforderlichen Oxyde durch Auflösen von fünf Salzen in Wasser zu einer vollständigen Nährstofflösung vereinen, in welcher die Landpflanze ohne jeden Boden fortwächst und gedeiht. Die relativen Verhältnisse unter den einzelnen Salzen bleiben für alle Pflanzen dieselben, ertragen aber auch innerhalb gewisser Grenzen Abänderungen, ohne Vortheil und Nachtheil für die Pflanze.

Die Untersuchungen, von welchen hier die Rede ist, sind, wie man ersieht, bis zur neuesten Zeit Eigenthum der Fachjournale geblieben; sie

finden sich vorzugsweise in der deutschen Zeitschrift „Die landwirthschaftlichen

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 599. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_599.jpg&oldid=- (Version vom 15.9.2022)