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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

deutschen Reiche schon eingerichtet sind, wie in Berlin, Hamburg, Mühlhausen im Elsaß, oder in nächster Zukunft eingerichtet werden sollen, wie in Breslau, Köln, Frankfurt, Bremen, Leipzig etc.

Der Nutzen und Zweck dieses neuen Verkehrsmittels bedarf keiner langen Begründung. Dasselbe ist nichts Anderes, als eine neue, siegreich vorgeschobene Etappe in dem glänzenden Kampfe des Menschengeistes gegen die so lange für unüberwindlich gehaltenen Mächte des Raumes und der Zeit. Soviel durch Stadtpost, Stadtbahnen Stadttelegraphen gethan worden ist, um die Unbequemlichkeiten und Weitläufigkeiten zu beseitigen, die den Bewohnern einer großen Stadt durch die weiten Entfernungen im täglichen Verkehre erwachsen – immer blieb ein „Rest, zu tragen peinlich“, eine nutzlose Vergeudung von kostbarer Kraft und Zeit übrig; sie zu beseitigen, den Blutumlauf des großstädtischen Verkehrs dichter schneller und damit fruchtbarer zu machen, dazu sind und werden die allgemeinen Fernsprecheinrichtungen geschaffen. Wer sich diesen millionenfältigen Verkehr lebhaft vergegenwärtigt, wird ohne Weiteres ihre weittragende Bedeutung erkennen; es mag deshalb genügen, diese nur an einigen welligen Beispielen praktisch zu veranschaulichen.

Großstädtische Fernsprechnetze befähigen einen Fabrikanten jeden Augenblick aus dem Schooße seiner Familie heraus mit seiner vielleicht meilenweit entlegenen Fabrik in Verbindung zu treten ohne jeden Verzug eilige Mittheilungen über außergewöhnliche Vorkommnisse, unaufschiebbare Geschäfte etc. anzuhören, sofort, ohne sich vom Platze rühren zu müssen, die nöthigen Anordnungen zu erlassen und sich zugleich ihrer alsbaldigen Ausführung zu versichern. Sie ermöglichen Geschäftsleuten jeder Art, dringende Angelegenheiten zwischen ihren Haupt- und Zweiggeschäften augenblicklich mündlich zu erledigen, Aufträge von ihren Kunden entgegenzunehmen und sie zugleich rascher zu besorgen, als sonst irgend möglich ist. Sie erleichtern in unberechenbarer Weise den Verkehr zwischen den einzelnen Bankhäusern und der Börse, den Bahnhöfen und den Speditionsgeschäften, den Druckereien und den Redactionen der Zeitungen. Ja, in letztgedachter Beziehung mögen sie fast eine kleine Revolution in dem großstädtischen Preßwesen hervorrufen

Es ist bei geeigneten Einrichtungen leicht thunlich, Reden in öffentlichen Versammlungen sofort mittelst Fernsprechers den Zeitungsdruckereien zu übermitteln; werden, wie es beispielsweise bei den Zeitungen „Times“ und „Indépendance belge“ schon geschehen ist, die Arbeitsräume der parlamentarischen Berichterstatter mit den Setzerräumen durch telephonische Leitungen verbunden, so kann der Bericht über eine Parlamentssitzung fast unmittelbar nach ihrem Schlusse schon dem Setzer übergeben werden.

Genug der Beispiele! Man könnte sie noch bogenlang weiter aufführen ohne entfernt alle Möglichkeiten zu erschöpfen in denen der Fernsprecher im großstädtischen Verkehr eine unabsehbare Masse voll Kraft und Zeit sparen kann. Einer allgemeinen Verbreitung dieses wohlthätigen Verkehrsmittels scheint sich mm aber insofern ein Hinderniß entgegen zu stellen als zwar wohl der einzelne große Fabrikbesitzer von seiner Villa zu seiner Fabrik die einzelne große Zeitung von ihren Setzersälen zu der parlamentarischen Journalistentribüne eine besondere Leitung in nutzbringender Weise herstellen kann, aber unmöglich jedes einzelne Geschäft sich mit jedem einzelnen Kunden oder auch nur mit jedem andern Geschäft, mit dem es verkehrt, zu verbinden vermag, ohne durch die Höhe der Kosten den Gewinn der Kraft und Zeitersparniß wieder aufzuheben abgesehen von den technischen Schwierigkeiten, welche die Legung solcher Unzahl von Drähten verursachen würde.

Indeß dieses Hinderniß wird beseitigt durch die Centralisation des großstädtischen Fernsprechverkehrs. Solche Centralisation aber wird in der Weise hergestellt, daß von einer Centralstelle aus die einzelnen Leitungen sich strahlenförmig nach den Häusern der Personen verbreiten, welche sich an der allgemeinen Fernsprechanlage zu beteiligen wünschen. Jeder Theilnehmer erhält eine numerirte Liste der mit der Centralstelle verbundenen Personen; wünscht er mit einer von dieser zu sprechen, so benachrichtigt er mittelst des Fernsprechers die Centralstelle, welche an einem ebenso einfach wie zweckmäßig eingerichteten Umschalter die unmittelbare Verbindung zwischen beiden bewirkt.

Solche Centralstellen (Central Offices) entstanden zuerst in den Vereinigten Staaten durch Actienunternehmungen, denen die Ausbeutung dieses Verkehrs auch bis heute verblieben ist. Die europäischer Staaten haben dagegen an ihrem Anspruche auf Vereinigung des allgemeinen Nachrichtenwesens in ihrer Hand oder mindestens seiner Beaufsichtigung festgehalten; ein Versuch mehrerer englischer Actiengesellschaften, sich des großstädtischen Fernsprechverkehrs auf eigene Faust zu bemächtigen, ist in einem Processe, den das General-Postoffice von London gegen sie angestrengt hat, gerichtlich vereitelt worden. In Frankreich haben ähnliche Gesellschaften von selbst um die staatliche Concession angehalten und sie auch gegen Zahlung einer Abgabe erhalten. Deutschland endlich hat von vornherein die ganze Einrichtung von Reichswegen betrieben. Die Vortheile des Staatsbetriebs sind in der That klar; die Bevorzugung einzelner Personen ist ausgeschlossen; die Bediensteten der Centralstellen sind Beamte, welche der Staat in Eid und Pflicht nimmt, wodurch die denkbar stärkste Bürgschaft gegen etwaige Mißbräuche gegeben wird, und endlich ist in diesen Falle der Staatsbetrieb entgegen weit verbreiteten Vorurtheilen auch billiger. Während der Jahresabonnementspreis für jeden einzelnen Anschluß und für die geringste Entfernung in England 20 Pfund Sterling, in Frankreich 500 bis 600 Franken beträgt, beläuft er sich im deutschen Reiche nur auf 200 Mark; bei Leitungen, die länger als zwei Kilometer sind, erhöht sich die Gebühr für jeden Kilometer oder einen Theil desselben um 50 Mark.

Die technische Einrichtung der großstädtischen Fernsprechnetze ist verhältnißmäßig einfach und leicht verständlich, wenn man, wie die Leser der „Gartenlaube“, über das Telephon selbst unterrichtet ist. Die Führung der Drähte erfolgt an eisernen Tragestangen über die Dächer der Häuser hinweg. Kabelleitungen, bei denen mehrere Drähte in ein Bündel vereinigt sind, können bei den bisher bekannten Fernsprechapparaten nicht angewandt werden, weil die Inductionsströme, die bei dem Gebrauche einer Leitung in dem Nachbardrahte entstehen, dem Besitzer des letzteren gleichfalls die geschehene Mittheilung zugänglich machen, also das Telephongeheimniß ausheben würden. Auch würden unterirdische Leitungen verhältnißmäßig zu theuer werden, nicht zum wenigsten durch das Aufreißen des Pflasters bei den natürlich unausbleiblichen Erweiterungen des ursprünglichen Leitungsnetzes.

Bisher hat die Leitung über die Dächer hinweg keine erheblichen Hindernisse gefunden; die Hausbesitzer sind der Reichspostverwaltung bereitwillig entgegengekommen, nicht nur aus Einsicht und Gemeinsinn, sondern auch im eigenen wohlverstandenen Interesse; denn der Werth der Grundstücke wird nicht unwesentlich dadurch erhöht, daß die Wohnungen solcher Häuser, über welche Telephonlinien geführt sind, sofort an das Fernsprechnetz angeschlossen werden können. Die Behauptung, daß die Drähte leicht den Blitz herabzögen, ist eine von dem hämischen Neide getäuschter Speculanten erfundene Unwahrheit; wissenschaftlich ist vielmehr im Gegentheil nachgewiesen daß sie eher als Blitzableiter dienen; die starken Gewitter, die sich in diesem Sommer über Berlin entluden, haben nicht die geringste Einwirkung auf die ganze Anlage ausgeübt.

Jeder Theilnehmer an der Einrichtung erhält zwei Fernsprechapparate, einen zum Geben und einen zum Hören, sowie zwei Weckvorrichtungen, von deren die eine (Taste) ihm ermöglicht, die Centralstelle anzurufen, während durch die andere (Klingelwecker) er selbst angerufen wird. Ein Druck auf die Taste setzt einen Elektromagneten in Bewegung, der, ähnlich wie bei der allgemein bekannten Hoteleinrichtung, an der Centralstelle eine Klappe mit der Nummer fallen läßt, welche der Anrufer im Register der Abonnenten führt. Der dienstthuende Beamte setzt eines seiner Fernsprechsysteme mit der betreffenden Leitung in Verbindung und ruft: „Hier Amt - was beliebt?“ Worauf etwa die Antwort kommt: „Wünsche mit Nummer siebenundzwanzig zu sprechen.“ Ist die entsprechende Leitung frei, so giebt der Beamte zurück: „Bitte rufen,“ stellt die gewünschte Verbindung her und schließt die herabgefallene Klappe wieder. Ist der angerufene Theilnehmer bereits anderweitig beansprucht, so ruft der Beamte: „Schon besetzt, werde melden, wenn frei“ und handelt demgemäß. Sobald die Verbindung hergestellt ist, unterhalten sich die beiden Theilnehmer, indem jeder den einen Sprechapparat zum Hören, den andern zum Geben benutzt, so deutlich, glatt und schnell, wie bei örtlichem Zusammensein. Nach Schluß der Unterredung meldet der Anrufer der Centralstelle durch einen neuen Druck auf die Taste, daß die gewöhnliche Verbindung seiner Leitung mit den Apparaten der Centralstelle wieder hergestellt werden könne. Gestattet ist die Benutzung

den Theilnehmern im Sommer von sieben Uhr, im

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 532. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_532.jpg&oldid=- (Version vom 7.9.2022)