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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

außer Gebrauch im Lande“. Um jene Zeit wurde der Grundstein der Universität gelegt.

Man schrieb den 7. April 1348. Karl theilte dem Papste – denn der Kaiser anerkannte die kirchliche Oberhoheit und nicht ohne Recht nannte man ihn den Pfaffenkaiser – seine Pläne für die neue Hochschule mit. Nicht für Böhmen sollte sie gegründet werden, sondern für die benachbarten Nationen, in erster Reihe für das deutsche Reich; denn ihre Stiftungsurkunde trägt die Zeichen und Siegel desselben; ihre Bulle ist vom römischen Könige gefertiget, und ihr Statut, das Grundgesetz für ihre Entwickelung, hat nicht der König entworfen; deutsche Männer, die Karl aus dem Reiche berief, haben es ausgearbeitet.

Fünf Jahrhunderte sind seitdem vorübergerauscht. Wiederholt umwogte die Hochschule der wilde Kampf, den in Böhmen germanischer und slavischer Geist zu führen bestimmt erscheinen. Nicht selten glückte es aufgewiegelten Massen eines halbgebildeten Volkes, den Zerstörungskeim in die deutsche Hochschule zu werfen, niemals jedoch hatten sie damit dauernden Erfolg; denn heute verdrängt, hielt morgen der deutsche Geist wieder triumphirend seinen Einzug. So war es bis heute, wo die Czechen Anspruch auf die deutsche Schöpfung Karl’s erheben und eines ihrer „Postulate“ die Auslieferung der deutschen Universität fordert.

Das ist eines der Symptome der heftigen Kämpfe, die Oesterreich durchwühlen. Wieder streitet das slavische gegen das germanische Element, und im Widerspruch mit dem geistigen Ursprunge Oesterreichs, mit seiner Aufgabe, Träger der Cultur zu sein, fördert im Augenblicke eine slavische Regierung die den Deutschen feindlichen Pläne. Ueberall wird das slavische Streben ermuntert und gekräftigt: unter dem Schutze der Regierung wallfahrten Deputirte der österreichischen Slaven nach Rom, um dem Papste eine Huldigung Namens ihres Vaterlandes zu Füßen zu legen; in Böhmen, Steiermark, Kärnthen, Krain, Galizien sieht man die Slaven unter höherem Schutze gegen die Nachwirkung deutschen Wesens anstürmen, und fast scheint es, als sei eine Umwandelung Oesterreichs geplant, jener ähnlich, die mit roher Gewalt vor zwei Jahrhunderten die Protestanten in den deutsch-österreichischen Erbländern katholisch gemacht – als sei ein Proceß beabsichtigt, der das deutsch-ungarische Oesterreich in ein slavisches umgestalten möchte.

Wie dereinst der protestantische Geist niedergehalten worden, so unterdrückt jetzt eine gewaltthätige Faust jede Regung deutschen Geistes. Die Staatsanwälte werden zu Profosen. Kein Tag, an dem nicht ihre papierne Guillotine arbeitet und Tausende von deutschen Zeitungsblättern verstummen läßt! Den Abgeordneten, die außerhalb des Parlamentes ihre Stimme erheben, wird das Wort jäh abgeschnitten. Als jüngst siebenundachtzig deutsch-böhmische Deputirte ein Manifest an die Deutschen in Böhmen erlassen wollten, fand ein strenger Richter in dem Schriftstücke, welches conservative Elemente, auch ein geheimer Rath des Kaisers redigirt, das Verbrechen des Aufruhrs, und eine an die bulgarischen Wahlkünste mahnende Energie confiscirte das Manifest. Anlaß zu demselben hat die Prager Hochschule gegeben.

Der czechische Wunsch, eine selbstständige Universität zu erhalten, ist in der letzten Session des Reichsrathes nicht in Erfüllung gegangen. Im Abgeordnetenhause von der Mehrheit acceptirt – man beschloß zunächst die Trennung der Universität, und die völlige Czechisirung sollte folgen – scheiterte er am Herrenhause. Hier wurden besonnene Stimmen laut, welche die czechische Universität als Einleitung eines czechische Staates erklärten; Mahnungen erhoben sich, welche daran erinnerten, wie einer slavischen Hochschule in Prag die Vorbedingung einer entwickelten Literatur, der sogenannten wissenschaftlichen czechische Welt aber jede höhere Bedeutung, die Möglichkeit aller geistigen Concurrenz zur Erhöhung ihrer Leistung fehle. Im Herrenhause hat auch ein czechischer Mann der Wissenschaft, der sein Fach deutsch an der Prager Hochschule vorträgt, Sitz und Stimme, und dieser czechische Mann suchte, bevor die Debatte über die Hochschule begonnen hatte, für dieselbe Propaganda zu machen.

„Müssen Sie nicht zugeben,“ fragte man ihn, „daß Sie Namen und Bedeutung dem Umstande danken, daß Sie zu Füßen deutscher Lehrer gesessen und deutsche wissenschaftliche Bildung genossen?“

„Ja!“ lautete seine Antwort.

„Und können Sie glauben machen,“ tönte als weitere Frage, „daß es nicht ein Unding wäre, zu verlangen, ein Baum solle Schatten geben und Früchte tragen, ehe seine Wurzeln sich in die Tiefe gesenkt, daß es nicht thöricht sei, eine Hochschule zu begründen, ehe die Vorbedingungen für dieselbe gegeben sind? Als die deutschen Hochschulen eine nationale Gestaltung annahmen und Werkstätten deutschen Geistes wurden, hatten große Dichter die Sprache auf die Höhe der entwickeltsten Idiome gehoben. Und Sie, die Czechen, fordern eine Universität und müssen erst die Vocabeln erfinden, um wissenschaftliche Werke in Ihre Sprache übersetzen zu können? Ihrer Jugend, die an der slavische Hochschule ihre Studien obläge, wären die Werke der größten Denker, der größten Gelehrten verschlossen; denn unsere Philosophen Kant, Fichte, Hegel sind heute noch nicht in Ihre Sprache übersetzt. Sie fordern die Universität nur als Mittel für die Agitation. Ihre Zwecke gelten im günstigsten Falle der Absicht, Ihre kaum entwickelte Sprache auszubilden.“

Diese Worte sprach ein im Dienste Oesterreichs ergrauter Staatsmann, und das czechische Mitglied des Herrenhauses blieb ihm die Antwort schuldig. Die Prager Anhänger desselben aber haben sie bekanntlich in den letzten Tagen des Monates Juni durch die Kuchelbader Excesse gegeben, ohne daß die Regierung diesen aus den Zeitungen allbekannte schmählichen Angriffen gegen die Deutschen Einhalt gethan hätte.

Drei Tage währten die Excesse. Alles, was an deutsches Wesen in Prag gemahnte, das deutsche Haus, welches Sitz der deutschen Vereine ist, das deutsche Theater, wurde bedroht, und wer deutsch sprach in den Straße, war seines Lebens nicht sicher. Die städtischen Behörden, die czechische Koryphäen erließen scheinbar Mahnungen zur Ruhe. In Wahrheit aber bargen dieselben die Aufforderung, dem verhaßten deutschen Wesen neue Gefahren zu bereiten.

So wurde denn jenes jüngst von der Behörde mit Beschlag belegte Manifest erlassen. Die Abgeordneten des deutschen Volkes in Böhmen hatten sich unter Vorsitz ihres wackeren Führers Dr. Franz Schmeikal versammelt, weil fanatische Pöbelhaufen sie gefährden durften, unbehelligt von dem Einschreiten der Behörden, die erst dann den Deutschen Schutz zu biete wagte, als ein Zornesruf in allen deutschen Ländern Oesterreichs ertönte.

Wie die deutschen Abgeordneten erhoben auch die Studirenden der Prager Hochschule ihre Stimme. Sie erklärten, ausharren und die Universität nicht verlassen zu wollen, wie es vor fünfhundert Jahren die Deutschen gethan; sie baten, von allen Seiten möchten deutsche Hörer herbeiströmen, um ihnen Stütze im Kampfe für die Rechte der ältesten deutschen Hochschule zu sein.

In der That erfolgte, wie dieser Aufruf besagt, genau vor einem halben Jahrtausend der erste Ansturm gegen das deutsche Wesen der Prager Universität. Sie stand damals in üppiger Blüthe, und farbiges buntes Studententreiben belebte ihre Räume. Die Zahl ihrer Doctoren und Magister betrug zweihundert, die ihrer Baccalaureen fünfhundert; Studenten waren an dreißigtausend eingeschrieben, von denen kaum ein Zehntel auf die Czechen fiel Lehr- und Lernfreiheit hoben das Ansehen der Hochschule; die Studenten genossen weitgehende Vorrechte bei der Wahl ihrer Vertreter, wie ihrer Richter, und mancher Kaufman ließ sich als Hörer der Hochschule eintragen, um einen Theil dieser Privilegien zu gewinnen. Die Wissenschaft blühte.

Die Hochschule war nach Nationen eingeteilt. Die baierische umfaßte die Hörer aus Oesterreich, Schwaben, Franken, den Rheinlanden, die polnische die aus Schlesien und Polen, die sächsische die aus Meißen, Thüringen, Ober- und Niedersachsen, die böhmische endlich die Studirenden aus der Lausitz, Böhmen und Mähren. Ueberall trat das Uebergewicht der Deutschen hervor. Aber nicht lange, und das Czechenthum hob an, sich gegen das deutsche Wesen zu stemmen. Von der Kanzel herab fallen die ersten Drohworte: „Sie vergiften unsere Zunge. Diese deutschen Hunde machen ein Sclavenvolk aus uns,“ hieß es. Dann suchte der Zorn des czechische Pöbels seine Art, politische Meinung zu äußern, hat sich nicht verändert seit fünfhundert Jahren - Kühlung in einer Judenhetze. Ab und zu fielen Vermummte die Studenten oder den deutschen Rector an, und die czechischen Professoren, neidisch, mißgönnisch, erfüllt von kleinlicher Eifersucht, denuncirten ihre deutschen Collegen beim Papste als Feinde Roms,

Unterdeß war eine mächtige Wandlung der geistigen Bewegung erfolgt. In allen edler Denkenden dämmerte die Erkenntniß

auf, daß Rom ein Feind der Menschheit sei, und in Prag warf

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 519. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_519.jpg&oldid=- (Version vom 7.9.2022)