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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

im Grunde, allem Wandel gegenüber, unverändert bleibt und seine Eigenthümlichkeit bewahrt.

Eben darum auch konnte er in keine der herrschenden Geschmacksrichtungen aufgehen und – von keiner auf den Schild gehoben – aus der Masse der damaligen Dichterjugend nicht besonders hervorragen. Erst langsam und nach und nach vermochten seine Vorzüge und Verdienste in das rechte Licht zu treten. Das Feldgeschrei und der Kampf der dichterischen Parteien und Schulen mußte erst verklungen sein, ehe Ebert zum vollen Worte kam. Wie Heinrich von Kleist erst spät und langsam, gleichsam erst auf den Stoppelfeldern der Romantik zu Ruf und Ansehen kann, wie Franz Grillparzer lange nach den flüchtigen Lorbeeren der „Ahnfrau“ und dem Untergange der sogenannten Schicksalstragödie die richtige Würdigung erhielt, so gelangt auch unser Jubilar erst in unseren Tagen zu dem Ruhme, der ihm gebührt. Vor dem Erscheinen der vorhin erwähnten Gesammtausgabe seiner „Poetischen Werke“ war es auch schwer, sein dichterisches Schaffen und dessen Werth zu überblicken. Der Literarhistoriker hatte Mühe, sich Ebert's vereinzelte Veröffentlichungen zu verschaffen, und begnügte sich meistenteils damit, den Dichter so beiläufig zu behandeln wie es seine Vorgänger gethan. Im Allgemeinen ragt da Karl Egon von Ebert wenig aus dem Dichterhaufen hervor. Theodor Mundt, ein Schriftsteller, der leider auch zu früh einer unverdienten Vergessenheit anheimgefallen, erwähnt ihn in seiner „Geschichte der Literatur der Gegenwart“ allerdings ebenfalls nur kurz und in einer Reihe von Schriftstellern, die Ebert weit hinter sich läßt, aber er, der vielfach ein sehr richtiges und treffendes Urtheil bewährt und nicht selten mit wenigen Worten das innerste Wesen eines Schriftstellers zu eröffnen versteht, schreibt sehr bezeichnend und wahr von Ebert’s Gedichten. „daß sie an den gesunden Quellen der alten deutschen Gemüths- und Naturlyrik schöpfen, und in der Ballade und Romanze manchen glücklichen Ton anschlagen“.

Dieser Ausspruch, so lakonisch er ist, trifft mindestens die Sache im Kern und zeigt mit einem überraschenden Streiflichte die volle Seele der Ebert’schen Poesie, die in der That von einer durch und durch gesunden Natur und deutschen Gemüthstiefe erfüllt erscheint und dabei sich so maßvoll und anmuthig ausgiebt, daß der feinere Geschmack dauernde Freude daran haben muß. Soll etwas an den Dichtungen Ebert's ausgesetzt werden, so dürfte auch der strengste Kennerblick neben ihren großen Vorzügen nur geringfügige Mängel finden, wie hier und da zu starke, der Uebertreibung sich zuneigende Ausdrücke, z. B. ein „schrie“, wo ein „rief“, ein „brüllte“, wo ein „schrie“ genügend wäre, und ferner einen etwas störenden Gebrauch allzu österreichischer Redewendungen und Ausdrücke: „am Lande“, „am Schlachtfelde“, statt „auf dem Lande“ und „auf dem Schlachtfelde“. Allein alle diese Fehler und Verstöße gegen die Reinheit und Richtigkeit unserer schönen deutschen Sprache sind zu untergeordneter Art, als daß sie den Eindruck trüben und die Wirkung Ebert’scher Dichtungen abschwächen könnten, die im Uebrigen mit so gediegener Erhabenheit und so gewinnender Würde vor uns treten, daß es geradezu unmöglich ist, ihnen Achtung und Liebe zu versagen.

Ueberblicken wir, um uns davon zu überzeugen, die sieben Bände der „Poetischen Werke“! Der erste Band enthält lyrische, satirische und vermischte Gedichte. Die Abtheilung „Natur und Liebe“, mit welcher er beginnt, leitet der Verfasser mit folgenden Versen ein.

„Natur und Lieb’, ich nenn euch beide
Und hab’ euch mir im Sinn gepaart,
Weil jede reine höch’re Freude
Mir nur durch eure Segnung ward.

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Wenn nicht Natur uns treu verbliebe,

0b Alles auch von uns sich kehrt,
Und wäre nicht das Tröpflein Liebe,
Das Leben wär’ nicht lebenswerth.“

Diese einfache, schlichte Auslassung mit ihrem ungekünstelten Ausdruck kann, ja muß gleichsam als das geflügelte Leitwort angesehen werden, das die ganze Ebert’sche Poesie durchpulst; denn die Darstellungen von dem Walten und Weben der göttlichen Natur und der unverwüstlichen Liebe der Menschenbrust bilden darin den eigentlichen Hauptinhalt, den Hauch und Athem, die Seele ihres Wesens. In Ebert’s Gedichten ist nichts Gesuchtes, Gezwungenes; es überraschen in ihnen keine epigrammatischen Zuspitzungen, keine ironischen Wendungen; der Geist, der darin waltet, ist kein Geist, der poetische Seiltänzerkunststücke macht und durch Luftsprünge die Leser in staunende Bewunderung versetzt. In Ebert’s Gedichten ist eine keusche und reine Wahrheit, die in ihrer gleichmäßigen und anmuthigen Ausdrucksweise stets eine wohltuende, ja oft eine erhebende Wirkung hervorbringt. Seine „Frühlingsluft“, seine „Junge Liebe“, seine „Waldlieder“ sind Hymnen, die an Frische der Empfindung, an Innigkeit des Gefühls, sowie an Natürlichkeit und Unmittelbarkeit des Ausdrucks sich den besten der deutschen Lyrik anreihen dürfen.

Wie heiliger Ernst es aber auch Ebert um sein dichterisches Schaffen ist, das bekundet sein schon vorher erwähntes Gedicht „Künstlers Gebet“, welches die Abtheilung „Kunst und Literatur“ einleitet und folgendermaßen lautet.

Wurzel schlugen deine Keime,
Herr, in meines Busens Tiefen,
Und gedeutet sind die Träume,
Die in mir, ein Räthsel, schliefen.

5
Dich erkenn’ ich, Geist der Milde.

Der in meinem Geiste waltet,
Der die dunklen Traumgebilde
In mir formet und gestaltet.

Dich erkenn’ ich, Geist der Liebe,

10
Der den ird’schen Sinn mir läutert,

Und die Brust voll kleiner Triebe
Wunderbar zum All erweitert.

Dich erkenn’ ich, Geist der Stärke,
Der mir durch die Adern glühet,

15
Der beim Schaffen neuer Werke

Mir aus Aug’ und Wange sprühet.

Du bist’s, der die Hand mir leitet,
Wenn mein Saitenspiel erklinget,
Wenn mein Lied der Kehl’ entgleitet,

20
Bist es du, der aus mir singet.


Könnt’ ich je, der Staubgeborne,
Unwerth solcher Gnade werden
Könnt’ ich, der von dir Erkorne,
Mich als stolzes Selbst geberden,

25
Könnt’ ich je in dem Gefluthe

Schaaler Eitelkeit versinken,
Mich in frechem Uebermuthe,
Wie Prometheus, Schöpfer dünken.

Dann verwandte, Geist der Milde,

30
In des Zornes Geist dich wieder

Und vernichte die Gebilde
Und den Bildner schmettre nieder!

Denn verrucht, der Gaben liebte,
Und den Geber nicht erkannte,

35
Und ein Thor, der Großes übte

Und sich selbst den Schöpfer nannte!“

Dieses Gedicht ist bezeichnend für Ebert’s ganze Geistesrichtung und Dichtungsweise. Sein Dichten ist ihm wie ein Gottesdienst, wie eine Andachtsverrichtung, wie eine himmlische Erleuchtung, die ihn antreibt und inspirirt. Dies tritt uns aus allen seinen Schöpfungen den kleinsten wie den größten, namentlich auch aus der Abteilung. „Kunst und Literatur“ entgegen. Wenn er Uhland besingt, „Dichterloos und Dichtertrost“ in’s Auge faßt, sich „An einen Schauspieler“ wendet, „An einen jungen talentvollen Dichter“, „Musik und Kirchenmusik“ betrachtet oder Schiller in einem Prologe zu dessen hundertjährigem Geburtstag feiert, überall prägt sich in seinen Gedanken und Versen eine Mächtigkeit der Idee und ein starker Adel der Gesinnung aus, die selbst da noch zum Vorschein kommen, wo er, wie in „Virtuosen“ oder in „Literarisches Unwesen“ mit „Scherzen fechtend“, das heißt mit der Ironie und dem Humor in Heine’s Manier, die Lächerlichkeiten des Tages und des herrschenden Zeitgeschmackes geißelt.

Der zweite Band der „Poetischen Werke“ enthält Balladen, Romanzen, Legenden, kleine poetische Erzählungen und Scenen meist Dichtungen von hervorragender Bedeutung, unter denen wir, außer den schon früher angeführten, „Kaiser Karl der Vierte und seine Frauen“, „Daliber“, „Abt Ero“, „Hermann Grün“, „Der Sänger im Palast“ und „Otto der Schütze“ nennen. „Nachtbilder“ sind zwei Gedichte, die als poetische Stimmungsstücke mit

ähnlichen von Byron sich messen dürfen. Düster im Inhalt, geheimnißvoll

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 386. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_386.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)