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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

Käufern Dinge vorzuspiegeln, die doch kein ehrlicher Fabrikant in Wirklichkeit erfüllen könnte; denn auch hier hat die Concurrenz die Preise geregelt. Auch die Flunkerei mit der brillanten Etiquettirung der Waaren, die wir von den Franzosen gelernt haben, fällt unter das Scepter des Scheins; sie hat keinen ästhetischen Werth, kostet ein schweres Geld, und Niemand kann sagen, daß er durch die bloße Marktfähigkeit einen reellen Nutzen habe. Besonders sind es die Posamentir-, Kurz- und Strumpfwaaren, die man nach dieser Richtung hin ganz unverhältnißmäßig ausstattet. Im Ganzen wird man wohlthun, einer prunkenden Etiquette stets mit einigem Mißtrauen zu begegnen – der wahre Werth giebt sich


Ueberraschung
Nach dem Oelgemälde von M. Weese.

immer am liebsten einfach, und jeder Fachmann wird bestätigen, daß die schweren guten englischen Waaren nur im schlichten Kleid auf dem Markt erscheinen.

Gehet hin und thut desgleichen!

In einer großen Anzahl von Fällen hat der Gewerbtreibende die löbliche Absicht, dem berechneten Schein, der Schönheit zu dienen das hat denn auch zu einer ganzen Reihe von glücklichen Nachahmungen geführt, die meist den unbemittelten Classen zu gute kommen. So kann jetzt die Frau des Arbeiters so gut wie die Frau Commerzienräthin ihren Tisch mit dem überaus freundlichen Meißener Zwiebelmuster (freilich nur in Steingut) decken; er wird genau denselben einladenden behaglichen Anblick gewähren; denn es besteht zwischen Stoff und Ausstattung durchaus kein Mißverhältniß. Unglücklicher ist die Ausschmückung von Häusern mit Cement-, Thon- und Gypsornamenten. Das Ornament muß nach einem Grundgesetz der Aesthetik organisch aus der Hauptmasse des Baues herauswachsen, jede Anklebung aber schlägt diesem Grundgesetz in's Antlitz. So lange ein Farbenüberzug den Schein, das heißt die Verbindung zwischen Masse und Ornament herstellt, gewähren diese imitirten Paläste gewiß einiges ästhetische Vergnügen, wehe aber, wenn die Witterung an den verschiedenen Stoffen sich verschieden geäußert hat und dadurch die scheinbare Verbindung aufgehoben ist! Die schönste Form giebt sich nun als eine ästhetische Verrenkung; Moloch Schein schneidet zuweilen ganz abscheuliche Fratzen und „das Grauen wohnt“ nicht in, sondern über „den Fensterhöhlen“, sobald eben die Lüge ihr Firnißgewand abgeworfen. Man wird diese Art der Ornamentirung nicht eher gut heißen können, bis nicht die Täuschung des ornamentalen Herausblühens aus der Masse für größere Zeiträume gesichert ist.

Die Holzmalerei streift auch herüber in das Gebiet der nutzlosen Imitation. Es wird Wenige geben, die so naiv sind, eine sogenannte „eichnisirte“ Thür für eine Thür aus Eichenholz anzusehen; ebenso ergeht es den nußbaum-, kirschbaum- und mahagoni- gemalten Möbelstücken mit denen sich der Kleinbürger und der Arbeiter die Wohnung ausstattet. Die berechtigte Täuschung, die jeder gelungenen Imitation zu Grunde liegt, ist also keineswegs erreicht, zumal schon der Tischler es dadurch unmöglich macht, daß er den meisten dieser Möbel leichte, windige Formen giebt, die sich mit so schweren Holzarten gar nicht vertagen. Um wie viel solider,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 365. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_365.jpg&oldid=- (Version vom 11.9.2022)