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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

Ein Landsknechtsregiment bot in seiner äußeren Erscheinung eines der buntscheckigsten Bilder dieser an Farben- und Kleiderpracht ohnedies so überreichen Zeit. An gleichmäßige Bekleidung, an auch nur einigermaßen übereinstimmende Bewaffnung war nicht zu denken, es sei denn, daß in vereinzeltem Falle Nürnberg im Schweizerkriege seinen Söldnern rothe Röcke angezogen. Je nach Laune und Vermögen bewehrt und gekleidet – der Eine in Blechkappe, Brustharnisch und Eisenschurz, der Andere in eng anschließender, den ganzen Kopf einhüllender Gugel, auf der ein gewaltiges Federbarett thronte, der Dritte wieder in buntschimmerndem Wamms mit prächtig aufgebauschten Aermeln, dazu Halsberge und Panzerkragen von Stahlringen, so zogen sie in den Krieg – aber bei keinem fehlte jenes charakteristische Merkmal des Landsknechts – die gewaltige Pluderhose, welche in unendlicher Weite, oft bis zu dreißig Ellen, auf’s Knie, ja, bis zur Ferse herabfallend, die Mode damaliger Zeit so sehr beherrschte, daß selbst des wortgewandten Musculus, des brandenburgischen Hofpredigers, berühmte Predigt „gegen den Hosenteufel“ dieselbe nicht zu verbannen vermochte.

Denken wir uns zu dieser Tracht die wilden, sonnenverbrannten Gesichter von verschiedenartig zugestutzten Bärten umrahmt; denken wir uns jene Riesengestalten bewehrt mit langem Spieße, mit Hellebarde von absonderlichster Form oder gewaltigem, zweihändigem Schlachtschwerte, mit Knebelspieß, mit Fausthammer oder Hakenbüchse, die schwere Pulverflasche an der Hüfte und im Gefechte die Kugeln im Munde führend, Alle aber das kurze, breite Landsknechtsschwert quer vor den Leib geschnallt – denken wir uns 10,000 solcher Gesellen, und wir sehen jenes unüberwindliche Fußvolk vor uns, mit welchem Karl der Fünfte nicht nur die Christenheit im Zaume hielt, sondern auch in Ungarn und Tunis die Ungläubigen schlug, jenes Fußvolk, aus welchem nach vielerlei Umformung die Infanterie aller modernen Völker hervorgegangen ist. An seiner Spitze marschirte der Obrist auf geharnischtem, prächtig geschmücktem Rosse, umsprungen von riesenhaften, phantastisch aufgeputzten Trabanten; ihm folgten die mit goldener Beutekette, mit absonderlich stattlichem Wamms angethanen Fähndriche, die buntschillernde Fahne schwingend, und nun schloß sich das Spiel an: Trommler und Pfeifer, Ersterer auf seinem einer Tonne an Größe wenig nachstehenden Instrumente jenen Sturmmarsch schlagend, welcher, durch fünf Schläge in drei Schritte eingetheilt und vom Landsknechtshumor durch den uralten, artigen Trommelreim. „Hüt’ Dich, Bau’r, ich komm!“ interpretirt wird – hinterdrein aber ergoß sich der in regellosem Behagen singend und fluchend daherziehende „helle Haufen“, des mit seinem Blutgefolge finster einherreitenden Profoßen wenig achtend; den Schluß bildete endlich der unübersehbare Schweif von Weibern und Buben unter ihrem grotesk aufgeputzten Weibel, umkläfft von ganzen Rudeln bissiger Hunde.

Dem zierlichen Geschmacke des Franzosen scheint der phantastisch daherschreitende Landsknecht nicht besonders zugesagt zu haben; denn ein französischer Schriftsteller, Grollier, schreibt in seiner „Erstürmung Roms“ von ihnen, „daß ihr Barett seiner Größe wegen mit dem Kopfe schlecht harmonire, daß ihre Hosen zu bauschig, die Schuhe zu weit, noch weiter aber ihre Harnische

Der Profoß.
Originalzeichnung von Adolf Neumann

seien, sodaß in Beschuhung und Kleidern bei diesem Volke nichts vorhanden, was die Augen des Zuschauers erfreuen könne.“

Die reiche Beute an Kirchengewändern, an Geschmeide, Sammet und Seide, welche den Landsknechten bei der Einnahme Roms 1527 zu Theil wurde, mochte die übermüthigen Gesellen allerdings zu noch abenteuerlicherem Aufputze verleitet haben. Trugen sie doch die erbeuteten Gemmen, fast unschätzbare Kleinodien, in die struppigen Bärte geknüpft, und bei den Worten des Bußpredigers von Siena: „Liebe Gesellen, raubet und nehmet Alles, Ihr müßt doch Alles wieder ausspeien; denn Pfaffengut und Kriegsgut gehet wieder hin, als her“ – erschien es ihnen jedenfalls ergötzlicher, sich mit der gewonnenen Beute zu schmücken, als dieselbe zu verwerthen.

Wie toll es während dieser Tage in Rom zugegangen, schildert uns Reißner, Frundsberg’s Biograph, auf das Anschaulichste. Processionen aller Art durchzogen die Straßen, aber Landsknechte in Cardinalsgewänder gehüllt und auf Maulthieren reitend waren es, welche den hohen Clerus vertraten. Eine päpstliche Tiara auf dem buschigen Haupte, in vollem Pontifer-Ornate ritt Sandizl, ein Doppelsöldner aus oberdeutschem Adel, mit seinem Gefolge toller, als Cardinäle und Bischöfe verkleideter Landsknechte zur Engelsburg, in welche sich Papst Clemens geflüchtet. Dort brachte er Letzterem unter parodirendem Segensspruche einen Trunk aus; sein Gefolge warf sich nieder, that ihm trinkend Bescheid und schrie, sie wollten von jetz auf Päpste und Cardinäle machen, welche dem Kaiser gehorsam seien und nicht, wie die früheren, gegen das Gebot des Evangeliums Unfrieden und Blutvergießen angestiftet. Nachdem hierauf Sandizl Luther als echten Papst ausgerufen und sein groteskes Gefolge durch Aufheben der Hände und den Jubelruf: „Luther Papst! Luther Papst!“ die Wahl bestätigt, zog die ganze Clerisei johlend weiter.

So sehr dieses wilde Gebahren unsere gesittete Zeit auch anwidern mag, immerhin dürfen wir dabei nicht vergessen, daß Papst Clemens den Landsknechten nicht nur als leibhaftiger Antichrist, sondern auch als eigentlicher Anstifter des Krieges galt. Zudem war der Sold monatelang ausgeblieben und das halb verhungerte Kriegsvolk von seinen Führern ausdrücklich auf die Plünderung Roms vertröstet worden. Und gerade bei dieser Plünderung bewährt sich deutsche Manneszucht auf das Glänzendste und trägt über Beutelust den Sieg davon; denn während Spanier und Italiener von vornherein plündern, halten die Deutschen ihre Reihen bis zur gänzlichen Sicherung der eroberten Stadttheile fest geschlossen. Aber auch das deutsche Gemüth, Mitleid und Erbarmen gegen wehrlose Frauen, ist den hartgesottenen Kriegsgesellen nicht ganz abhanden gekommen; denn wenn die Wälschen und Spanier kein Erbarmen, keine Schonung gekannt in ihren viehischen Begierden, so begnügen sich die vielgelästerten deutschen Barbaren mit Essen und Trinken und einem Stück Lösegelde, das, bescheiden genug, zum öftern in einem Stück Seide besteht, welches ihnen eine womöglich noch stattlichere Pluderhose verspricht.

Immerhin also mögen wir diese so gern zur Schau getragene Prunksucht anderer guten Eigenschaften halber ebenso übersehen, wie sie schon Kaiser Max bei einer über die Kleiderpracht seiner Heergesellen eingelaufenen Klage den Hofleuten gegenüber entschuldigt: „Ach, was närrischer Bekümmerniß ist das? Gönnt

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 133. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_133.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)