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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

sowohl für die technische Herstellung und Verlegung der Kabel, wie für das Telegraphiren auf denselben Erfahrungen gesammelt. Die hauptsächlichsten Hindernisse mußten somit als überwunden betrachtet werden, und so reifte bei dem Leiter der Telegraphenverwaltung des deutschen Reiches, Dr. Stephan, der Plan, auf den großen Verkehrs- und Militärstraßen Deutschlands ein unterirdisches Telegraphennetz anzulegen um die erheblichen, stets wiederkehrenden Störungen zu beseitigen.

Eine im Sommer 1875 vom Staatssecretär Dr. Stephan nach England und Frankreich entsandte Commission, bestehend aus den Geheimen Räthen des Generalpostamtes, Elsasser und Huche, sowie dem Commerzienrath Guilleaume, die von den dortigen Erfolgen Kennntniß zu nehmen hatte, sprach sich in ihrem Berichte so günstig aus, daß dem Reichstage eine Vorlage behufs Genehmigung einer Anleihe zum Zwecke der Herstellung einer unterirdischen Leitung zugehen konnte.

Nicht ohne vorherigen schweren Kampf wurden dem damaligen Generalpostdirector Dr. Stephan die zur Ausführung des gefaßten Planes erforderlichen Mittel vom Reichstage bewilligt, und im Frühjahr 1876 konnte mit der Ausführung der Versuchslinie Berlin-Halle begonnen werden; schon am Juni wurde das Kabel in das Berliner Haupttelegraphenamtsgebäude eingeführt. Es war somit eine Linie von circa 170 Kilometer im Laufe eines Vierteljahres betriebsfähig hergestellt worden.

Da diese Versuchslinie, ausgeführt von der Firma Fellen und Guilleaume in Köln, ein glänzendes Ergebniß geliefert hatte, wurde sofort die weitere Ausführung des Gesammtplanes mit Nachdruck betrieben. Im Anschluß an die Berlin-Halle'sche Linie sollte zunächst über Kassel und Frankfurt am Main die Linie bis Mainz weiter ausgebaut und Leipzig mit Halle verbunden werden, demnächst aber mit Legung einer neuen Linie von Berlin über Hamburg und Altona nach Kiel, nach der Elbmündung, Kielerhafen etc. begonnen werden. Die diesbezüglichen Vorlagen wurden vom Reichstage genehmigt. Am 1. März 1877 wurde nach Beendigung der erforderlichen Vorbereitungen das Werk begonnen, und schon am Juli konnten, dank der Umsicht und Energie der bauleitenden und ausführenden Beamten, die Arbeiten durch die Versenkung des Rheinkabels bei Mainz vollendet werden Eine unterirdische Telegraphenlinie, sieben Leitungen umfassend, jede von mehr als achtzig geographischen Meilen Länge, war damit geschaffen worden: die erste von dieser Ausdehnung auf der Erde.

Die bei diesem Bau gesammelten Erfahrungen wurden sofort für die Vorbereitungen weiterer Linien verwerthet, und so konnte unaufgehalten der Ausbau des in Aussicht genommenen unterirdischen Telegraphennetzes von Jahr zu Jahr weitergeführt werden. der nunmehr für die westliche Hälfte unseres Vaterlandes zum vorläufigen Abschluß gebracht worden ist.

So erstrecken sich denn die seit 1876 geförderten Anlagen der unterirdischen Linien auf nahezu 4000. Kilometer in den Richtungen. 1) von Berlin über Halle und Kassel nach Frankfurt am Main und Mainz, 2) von Halle nach Leipzig, 3) von Berlin nach Hamburg, 4) von Hamburg nach Kiel, 5) von Berlin nach Köln über Magdeburg, Braunschweig, Hannover, Minden, Münster, Wesel und Düsseldorf, 6) von Köln nach Elberfeld und Barmen, 7) von Frankfurt am Main nach Straßburg im Elsaß über Darmstadt, Mannheim, Karlsruhe, Rastatt und Kehl, 8) von Hamburg nach Cuxhaven, 9) von Hamburg über Bremen nach Emden mit Abzweigungen nach Bremerhafen und Wilhelmshafen 10) von Köln nach Coblenz, Mainz-Coblenz und Coblenz-Trier-Metz, 11) von Metz nach Straßburg und 12) von Berlin nach Dresden.

Die meisten dieser Linien zählen sieben, einige vier Leitungen, und es beträgt die Gesammtlänge der unterirdischen Leitungen circa 30,000 Kilometer, wovon auf die längste Linie, von Kiel nach Straßburg, allein 8500 Kilometer Leitung entfallen.

Im vorigen Jahre ist der Bau der Linien Berlin-Frankfurt an der Oder-Breslau, Berlin-Müncheberg (Theilstrecke der künftigen Linie Berlin-Küstrin-Posen-Thorn) und Berlin-Stettin in Angriff genommen, wovon bereits die Linien Stettin-Colberg-Danzig-Königsberg und Müncheberg-Küstrin-Posen-Thorn vor Kurzem vollendet wurden, demnächst ist aber die Weiterführung der Linien von Königsberg bis zur preußisch-russischen Grenze bei Eydtkuhnen und von Breslau bis zur preußisch-ästerreichischen Grenze bei Oderberg in Aussicht genommen.

Voraussichtlich wird in diesem Sommer der Hauptplan zur Schaffung des unterirdischen Telegraphennetzes verwirklicht und damit ein ruhmvolles Blatt in der Telegraphengeschichte des deutschen Reiches gefüllt sein.

Bevor wir uns der Schilderung der Arbeiten bei Verlegung des Kabels zuwenden, mag hier noch eine Beschreibung des zur Verwendung gelangenden Kabels einen Platz finden.

Die fünfundzwanzigjährigen Erfahrungen der Reichstelegraphenverwaltung mit den bei sehr verschiedenartigen Bodenverhältnissen verlegten Erdkabeln, welche als Zwischenglieder oberirdischer Telegraphenlinien dienen, waren von Haus aus bestimmend dafür gewesen, daß man sich entschloß, die mit Guttapercha isolirten und mit einer Armatur von eisernen Schutzdrähten zu einem Kabel geformten Leitungsdrähte als das allein geeignete Material zu wählen.

Eine technische Commission entschied sich in ihrem Gutachten für Herstellung des kupfernen Leiters, bestehend aus einer Litze von sieben Kupferdrähten von 0,6 Millimeter Durchmesser. Das Kabel sollte sieben solcher durch Guttapercha isolirter Leitungen umfassen, die Litzen eine doppelte Guttaperchahülle erhalten und mit zwei Chatterton-Compound derart umpreßt sein, daß die erste Lage Chatterton-Compound zwischen der Kupferlitze und der diese zunächst umgebenden Guttaperchaschicht, die zweite zwischen den beiden Guttaperchaschichten aufzubringen sei. Die Stärke der einzelnen isolirten Drähte war auf fünf Millimeter, die Stärke der Umspannung mit getheertem Hanf auf siebenzehn Millimeter bestimmt, während die Schutzhülle der Kabel aus sechszehn verzinkten Eisendrähten von je vier Millimeter Durchmesser zu bestehen, auf je fünfundzwanzig bis sechsundzwanzig Centimeter Kabellänge einen Umgang um das Kabel zu bilden und vollständig dicht zu schließen hatte. Außerdem sollte das Kabel einen Ueberzug aus eingedicktem, creosotfreiem Steinkohlentheer erhalten und hiermit unmittelbar nach dem Verlegen umgeben werden. Die Länge der einzelnen Kabelstränge sollte 800 Meter betragen, wovon jedoch später abgegangen wurde, indem die Lieferung der Kabel in Längen von 1000 Metern sowohl von den Liferanten Felten und Guilleaume, wie von Siemens und Halske ausgeführt wurde.

Waren obige Punkte für das Kabel der Versuchslinie in Berlin-Halle maßgebend gewesen, so wurden auch für die neuen Kabel im Wesentlichen diese Grundsätze beibehalten; nur in einigen unwesentlichen Punkten gestattete man sich Abweichungen. Außerdem wurden die Siemens’schen Kabel schon vor der Verlegung mit einer Asphaltcomposition versehen, deren nähere Beschreibung die Leser im „Archiv für Post und Telegraphie pro 1877 und 1878“ finden

Die verwendeten Kabel sind theils in deutschen, teils in englischen Fabriken gefertigt worden. Während die Unternehmer Felten und Guilleaume die fertigen Kabeladern aus England beziehen und demnächst auf denselben Taue in ihrem großartigen Etablissement zu Mülheim am Rhein fertigen, fabriciren die Unternehmer Siemens und Halske, nachdem sie anfangs die fertigen Kabel von dem Hause Siemens Brothers in Woolwich bezogen haben, dieselben in ihren eigenen Fabriken in Berlin.

Wenden wir uns nunmehr der Kabellegung selbst zu! Zuerst sei erwähnt, daß die Frage, ob das zu erbauende unterirdische Telegraphennetz im allgemeinen den Eisenbahnen folgen solle oder im Zuge der großen Landstraßen herzustellen sei, zu Gunsten der letzteren Meinung entschieden wurde. Fast allenthalben wurde das Kabel in den Sommerweg dieser Straßen, in geringer Entfernung von der Steinbahn, verlegt. Auf den mit Sommerwegen nicht versehenen Straßenstrecken liegt das Kabel im Fußgänger-Bankett, in den Ortschaften mit gepflasterten Straßen im Straßendamm, etwa dreiviertel Meter vom Rinnstein entfernt.

Der Vertrag mit den Unternehmern bedingte die Verlegung des Kabels in einer Tiefe von einem Meter unter der Erdoberfläche. Es ist also die Ausschachtung eines Grabens von dieser Tiefe und nach Einlegung des Kabels die Wiederfüllung desselben erforderlich, woraus sich die Notwendigkeit der Bildung zweier größerer Erdarbeiter-Colonnen ergiebt, die durch eine kleinere, die Auslegung des Kabels etc. bewirkende Arbeiter-Abtheilung getrennt sind.

Einige Vorarbeiter an der Spitze der vorderen Colonne bewirken die nach vorheriger Anweisung erfolgende Absteckung des Kabelgrabens durch Einschneiden der beiden parallelen Kantenlinien desselben in die Oberfläche der Straße. In vorgeschriebener Tiefe heben dann die unmittelbar folgenden Arbeiter den Graben, bei

thunlichst geringer Breite, aus. Die Arbeit geht rasch vorwärts,

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 47. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_047.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)