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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881)

durch ihre Gutmüthigkeit auszeichnen, Menschen und Thieren friedlich aus dem Wege gehen, sind die einzeln sich umhertreibenden Thiere, von den Indiern Gundâs oder auch Rogues genannt, wegen ihrer Wuth gefürchtet. Auf sie veranstaltet man daher besondere Jagden, und da sie auch in der Gefangenschaft die wilde Natur nicht unterdrücken können, so werden sie ohne Rücksicht niedergeschossen.

Die klugen großen Elephanten huldigen nicht – wie die kleinen fleißigen Ameisen – republikanischen Grundsätzen in der Anordnung ihrer Verbände; sie sind auf der patriarchalisch-monarchischen Entwickelungsstufe stehen geblieben. Nur ist ihre Monarchie nicht erblich, sondern Derjenige unter ihnen darf allein auf die Führerschaft Anspruch erheben, der gerade der klügste von Allen ist. Seine Pflicht ist es nun, für die Sicherheit seiner Untergebenen Sorge zu tragen; er untersucht die Gegend, wählt Weideplätze aus, achtet auf Gefahren. Sein Amt ist ein ununterbrochenes Wittern und Spähen, und nicht eine Reihe von Vergnügungen und Genüssen bringt dieses Amt mit sich, sondern es bildet eine lange Kette mühevoller Arbeiten. Treu ist dafür das Volk seinem Führer ergeben; mit blindem Gehorsam folgt ihm die Heerde, mag er sie retten oder in’s Verderben stürzen. – Und welche Feinheit der Sinne dazu gehören muß, um Elephantenkönig zu sein, das kann nur derjenige begreifen, der es mit eigenen Augen gesehen hat, wie schlau und vorsichtig diese Dickhäuter sind.

So wollen wir auch hier einen Augenzeugen, den Major Skinner, über den Gang der Elephanten zur Tränke berichten lassen, wie er ihn in einer der hellen tropischen Vollmondsnächte, in den Zweigen eines Waldriesen versteckt, beobachtet hatte.

„Endlich,“ schreibt unser Gewährsmann, „schlüpfte, etwa dreihundert Schritte vom Teiche entfernt, ein großer Elephant aus dem dunklen Walde, ging mit höchster Vorsicht beiläufig zweihundert Schritte vor und stand still, um zu lauschen. Er war so ruhig gekommen, daß nicht das leiseste Geräusch gehört werden konnte, und blieb mehrere Minuten stehen, bewegunglos wie ein Felsblock. Dann erst rückte er in drei Absätzen weiter und weiter vor, zwischen jedem Vorrücken mehrere Minuten lang anhaltend und die mächtigen Ohren nach vorwärts öffnend, um auch das leiseste Geräusch aufzufangen. So bewegte er sich langsam bis an das Wasserbecken. Er dachte nicht daran, seinen Durst zu löschen, obgleich er dem Wasser so nahe stand, daß seine gewaltige Gestalt in ihm sich widerspiegelte. Minutenlang verweilte er lauschend, ohne ein Glied zu rühren. Dann drehte er sich vorsichtig und leise um, und ging nach derselben Stelle des Waldes zurück, von woher er gekommen war. Nach einer kleinen Weile zeigte er sich wieder nebst fünf anderen, mit denen er wiederum ebenso vorsichtig, aber weniger lautlos als früher, auf das Wasser losging. Die Fünf wurden als Wächter aufgestellt. Er kehrte in den Wald zurück und erschien nochmals, umgeben von der ganzen aus etwa achtzig bis hundert Stück bestehenden Heerde, und führte diese über die Blöße mit solcher Stille, daß ich trotz der Nähe die Thiere nur sich bewegen sah, nicht aber auch bewegen hörte. In der Mitte der Blöße blieb die Heerde stehen. Der Leitelephant ging von Neuem vor, verkehrte mit den Wächtern, untersuchte Alles, überzeugte sich von der vollständigen Sicherheit, kehrte zurück und gab nun Befehl zum Vorrücken. In demselben Augenblicke stürzte die Heerde gegen das Wasser los und warf sich ohne jede Scheu und ohne an Gefahr zu denken, mit aller Wollust in die Fluthen. Von Schüchternheit und Furchtsamkeit war keine Spur zu bemerken. Alle vertrauten ihrem Führer so vollkommen, daß sie sich um nichts mehr zu kümmern schienen. Nachdem die verschmachteten Thiere den Teich eingenommen hatten, und als auch der letzte, der Leitelephant, eingetreten war, überließen sie sich gleichsam frohlockend der Wonne, ihren Durst zu stillen, sowie der Wohlthat des Badens. Niemals hatte ich solche Menge von thierischem Leben in einem so engen Raume gesehen. Es wollte mir scheinen, als tränken die Elephanten den ganzen Teich trocken. Nur einen kleinen Zweig brauchte ich zu brechen, und die ganze feste Masse kam augenblicklich in Aufruhr und floh dahin, wie eine Heerde aufgescheuchten Wildes in toller Hast und Eile.“

Nicht weniger interessant als die Tränke ist die Mahlzeit dieser Thiere anzusehen und anzuhören. Ueberrascht man sie bei solcher Mahlzeit, während sie sich in Sicherheit wähnen, so bemerkt man, wie sie Zweige von Bäumen brechen, um gemüthlich das frische Laub zu verzehren, mit ihren mächtigen Ohren klatschen, die Erde mit den plumpen Füßen stampfen und schmetternd in die Lüfte brüllen, einen ohrbetäubenden Höllenlärm erzeugend, wie ein anderer Augenzeuge, Heuglin, berichtet.

Ihr Lieblingsfutter bilden frisches Laub und kleinere Baumzweige, wiewohl sie öfters auch armstarke Aeste verschlingen. Seltener verzehren sie saftiges Gras, indem sie ganze Büschel aus der Erde herausreißen und diese alsdann an einen Baumstamm klopfen, um sie von Sand und Erde zu reinigen, bevor sie mit dem Rüssel in das Maul gestopft werden. Von Zeit zu Zeit dringen die Elephanten in Reisfelder ein und – merkwürdig genug! – verschonen sie in der Regel die schwachen Rohrzäune, mit welchen die Indier ihre Felder umgeben, als ob sie diese von der Menschenhand errichteten Grenzen achteten. Schon eine Vogelscheuche reicht übrigens hin, um eine ganze Elephantenheerde von bebauten Feldern fernzuhalten. Das wissen die schlauen Priester des Propheten aus Mekka und verkaufen den Gläubigen Schutzbriefe, welche auf den Feldern ausgehängt werden, und vor denen die „Fihls“, das heißt die afrikanischen Elephanten, eine so heilige Scheu empfinden sollen, daß sie solche „versicherte Aecker“ niemals zu betreten wagen. Unter welchen verschiedenartigen Vorwänden versteht nicht das theokratische Raffinement in allen Ländern und Völkern die gläubige Dummheit dazu zu benutzen, um den leichten Beutel der großen Menge noch leichter zu machen! Wenn die Noth sie dazu zwingt, so kümmern sich die Elephanten freilich herzlich wenig um die Schutzbriefe des gottgesandten Mannes, und plündern die Felder und decken selbst das Dach der im Walde einsam stehenden Negerhütte auf, um nachzusehen, ob in ihr Getreide oder Futter vorhanden ist.

Der griechische Arzt Ktesias, der noch vor der Schlacht bei Arbela in Babylon einen Elephanten gesehen, behauptete, das Thier habe keine Gelenke an den Beinen und könne sich nur schwerfällig und langsam vorwärts bewegen, niemals aber niederlegen. Bald wurde dieser Irrthum widerlegt, aber noch heute haben Viele von der Geschwindigkeit der Elephanten eine falsche Vorstellung. Was würden sie wohl zu der verbürgten Nachricht sagen, daß diese Rüsselthiere, wenn sie einen andern Theil ihres unermeßlichen Weidegebietes aufsuchen, so rasch wandern, „daß sie heute hier, morgen zweihundert Kilometer weiter sein können“? Und bei diesen Märschen, auf welchen sie stets in langen Colonnen geordnet erscheinen, giebt es für sie keine Bodenhindernisse. Sie durchschwimmen Flüsse und Seen, klimmen felsige, steile Höhen hinauf und steigen auf abschüssigen Bahnen in das Thal hinab. Sö wird der Elephant geradezu zum kletternden Thiere.

„An einem Gefangenen, welchen ich pflegte,“ berichtet Brehm in seinem „Thierleben“, „habe ich mit wahrem Vergnügen gesehen, wie geschickt er es anfängt, schroffe Gehänge zu überwinden. Er biegt zunächst sehr klug seine Vorderläufe in den Handgelenken ein, erniedrigt also den Vorderleib und bringt den Schwerpunkt nach vorn; dann rutscht er auf den umgeknickten Beinen vorwärts, während er hinten mit gerade ausgestreckten Beinen geht. Bergauf also fördert die Wanderung ziemlich gut; bergab hat dagegen das schwere Thier selbstverständlich wegen seines ungeheueren Gewichtes größere Schwierigkeiten zu überwinden. Wollte der Elephant in seiner gewöhnlichen Weise fortgehen, so würde er unbedingt das Gleichgewicht verlieren, nach vorn sich überschlagen und solchen Sturz vielleicht mit seinem Leben bezahlen. Das kluge Geschöpf thut dies jedoch nicht, kniet vielmehr am Rande des Abhanges nieder, sodaß seine Brust auf den Boden zu liegen kommt, und schiebt seine Vorderbeine höchst bedächtig vor sich her, bis sie irgend wieder Halt gewonnen haben, zieht hierauf die Hinterbeine nach und gelangt so, gleitend und rutschend, nach und nach in die Tiefe hinab.“

Mit weniger Mühe bahnt sich die Heerde durch den Urwald ihren Weg. Ruhig und langsam schreitet das leitende Thier an der Spitze der Seinigen; das Unterholz bricht unter seinen schweren dröhnenden Tritten zusammen; Aeste, die den Weg versperren, werden mit dem Rüssel abgeknickt, starke Bäume entwurzelt oder gebrochen. Ein breiter Pfad bleibt hinter der Heerde offen, während sich die schwarze Masse unter dem Krachen der Bäume und dem Dröhnen des Erdbodens unaufhaltsam vorwärts wälzt. So wandert der Riese der Thierwelt durch das undurchdringliche Dickicht des tropischen Urwaldes mit einer majestätischen Gewalt, welche das Wort des Erzählers oder der Pinsel des Künstlers nur in schwacher Nachahmung wiederzugeben vermag. In den Urwäldern des Blauen

Nils ziehen sich solche Wege oft meilenlang hin, und dort waren

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Verschiedene: Die Gartenlaube (1881). Leipzig: Ernst Keil, 1881, Seite 18. Digitale Volltext-Ausgabe bei Wikisource, URL: https://de.wikisource.org/w/index.php?title=Seite:Die_Gartenlaube_(1881)_018.jpg&oldid=- (Version vom 14.9.2022)